Heiliger Joseph ein Mann des äußeren Lebens

Die heilige Familie: Jesus und sein Adoptivvater Joseph arbeiten zusammen vor dem Haus an einem Holzstück, während Maria neben ihnen an einer Arbeit sitzt

Der heilige Joseph ein Mann des äußeren Lebens

Das menschliche Leben ist weder ein rein äußeres noch ein rein inneres. Der Mensch besteht aus Leib und Seele und hat gemäß diesen beiden Seiten seines Wesens eine entsprechende Tätigkeit nach innen und außen. Überdies bringt der Mensch gemeinhin sein Leben nicht in der Einsamkeit, sondern in Gesellschaft und in gegenseitigem Verkehr mit andern Menschen zu. Das menschliche Leben ist also ein gemischtes, ein inneres und ein äußeres Leben.

So hat auch der hl. Joseph in mannigfacher Weise neben dem inneren auch ein äußeres Leben geführt. Er war kein Einsiedler, nicht einmal ein Essener, deren es im Lande viele gab. Er lebte im Gegenteil in stetem, lebendigem Verkehr mit Menschen, vor allem mit seiner Familie, deren Haupt, Versorger und Schützer er war, dann in Gemeinschaft mit seinen Mitbürgern, unter denen er wohnte und ein Handwerk trieb, das ihn notwendiger Weise mit vielen Menschen in Berührung brachte. Der hl. Joseph war auch wiederholt auf Reisen, einige Male wenigstens jedes Jahr nach Jerusalem zu den Hauptfesten. Die Flucht, die er auf Gottes Geheiß antrat, brachte ihn selbst außer Landes nach Ägypten und ließ ihn dort einige Zeit verweilen. Auch diese Bedeutung hat der Stab, mit dem ihn die alte Kunst darstellt. Es ist auch ein Reisestab. Endlich war Joseph ein Mann der Arbeit, nicht bloß der inneren, geistigen, sondern auch der äußeren, gewöhnlichen, materiellen, der Handarbeit, weil er mit seiner Hände Arbeit sein Leben und das zeitliche Fortkommen der Familie verdienen musste. Deshalb legt die Kunst der ältesten Jahrhunderte Axt und Beil, die Sinnbilder des Zimmermanns-Handwerks, selbst an der Krippe nieder.

Ein wichtiges Lehrstück für uns

Es war aber das äußere Leben des hl. Joseph ein geordnetes und vollkommenes, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens wegen der Beweggründe, die ihn zum äußeren Wirken bestimmten. Es war Berufspflicht, Wille und Zulassung Gottes, denen er sich nicht entziehen konnte, Liebe zu seiner Familie, zu Jesus und Maria, oft wohl auch Liebe zu den Mitmenschen und das edle Verlangen, ihnen beizustehen und zu helfen. Nie und nimmer waren es Langeweile und Überdruss an der Berufsarbeit, Lauheit und Armut des Geistes und des eigenen Herzens oder, um von Vergnügungssucht gar nicht zu reden, Neugierde und sinnlicher Trost, was ihn zu Menschen trieb und in die Welt führte. Jedenfalls waren die Reisen nach Bethlehem zur Volkszählung und nach Ägypten durch die Wüste nicht Vergnügungs-Fahrten. Nach den Grundsätzen der Vollkommenheit und Heiligkeit soll das äußere Wirken hervorgehen aus der Fülle des inneren Geistes, es soll ein Überfließen der Liebe sein zu Gott und zu den Menschen. Der Mensch muss beim Handeln nach außen mehr gebend als empfangend sein. –

Zweitens war das äußere Leben beim hl. Joseph ein geordnetes und vollkommenes wegen der Art und Weise, wie er es führte. Er ging im Äußern nicht so auf, daß die Sorge um das Innere, die Aufmerksamkeit auf sein Gewissen und auf die Vereinigung mit Gott Schaden litt. Sein äußeres Tun ging nicht bloß aus dem inneren Geist hervor, sondern das innere Leben begleitete, veredelte und hob das Äußere durch den Gedanken an Gott und durch die Liebe zu Gott. Es gewann auf diese Weise den ganzen Edelgehalt der erhabensten Tugend. So beeinträchtigte beim hl. Joseph das Äußere keineswegs das Innere. Im Gegenteil; das innere Leben bereicherte sich durch die Schwierigkeiten, Unannehmlichkeiten und die Opfer, welche das äußere Wirken mit sich brachte, durch unzählige Verdienste, durch Vermehrung und Aufschwung der Liebe zu Gott und durch den Trost, die Mitmenschen glücklich gemacht zu haben.

Zeitvertreib und Müßiggang

Das ist also ein wichtiges Lehrstück, das der hl. Joseph uns hier gibt. Wir alle müssen ein äußeres Leben führen und es recht führen, wir alle müssen arbeiten, und wir müssen auf die rechte Weise arbeiten. Da haben wir uns nun vor zwei Fehlern zu hüten. Erstens arbeiten wir manchmal zu wenig. Der Fehler besteht also da im Müßiggang, in Zeitverlust, im Mangel an Ernst und Ausgiebigkeit, unser Leben, unsere Kräfte und Talente zu verwerten zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen. Sehr oft oder meistens liegt aber der Fehler nicht im eigentlichen Nichtstun oder Unterlassen jeglicher Beschäftigung. Es gibt auch einen beschäftigten Müßiggang und eine ehrlich-tuende Faulenzerei. Sie besteht in nutzloser Beschäftigung, im Betreiben von Dingen, die außer unserem beruf und unserer Standespflicht liegen und weder für uns noch für den Nächsten von wahrem Nutzen sind. So eine Arbeit ist eigentlich keine Arbeit, sondern geschäftig tuendes Feiern, Liebhaberei, Spielerei und Sport. Es ist ungefähr die Arbeit des Kanarienvogels, der sein Gefieder putzt, von Stänglein und Stänglein hüpft, dabei etwas musiziert, ißt und trinkt und sich wohl sein läßt. Heißt das arbeiten: von Besuch zu Besuch, von Kränzchen zu Kränzchen segeln, von Unterhaltung zu Unterhaltung fliegen, von Zeitvertreib zu Zeitvertreib drängen und dafür seine Ruhe haben wollen? Das ist alles keine Arbeit, sondern kaum mehr als Nichtstun. Arbeit im wahren Sinne ist bloß pflichtmäßige, nützliche, dem Beruf entsprechende Arbeit. Alles andere ist bloß Bemühen, der Langeweile und dem tötenden Einerlei zu entfliehen. Solches Tun aber kann weder vor Gott noch vor unserer Vernunft bestehen.

Das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe

Wir müssen wirklich ernst vor Gott und unserem Gewissen überlegen, wie wir unsere Zeit, unser Leben, unsere Kräfte und Talente verwenden, ob bei unserer Lebensweise wirklich etwas gefördert wird, das vor Gott bestehen kann. Gott wird uns einst zur Rechenschaft ziehen nicht bloß für den Missbrauch, sondern auch für den Nichtgebrauch unserer Zeit. Es ist beschämend für jeden edlen Menschen, zu essen, ohne sein Essen verdient zu haben, zu feiern und die Hände in den Schoß zu legen, während um uns unzählige Menschen hart und bitter arbeiten müssen, während unser Herr und seine heilige Mutter und sein Nährvater ihr Brot mit schwerer Arbeit sich haben bereiten müssen. Unverdientes Brot ist gestohlenes Brot, wenigstens Gott gegenüber, der sagt: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (Thess. 3,10). Es ist auch wohl zu bedenken, ob wir nach Begleichung unserer eigenen Pflichtarbeit nicht noch etwas tun und leisten können zur Hilfe des Nächsten, zur Lösung der großen Aufgaben unserer Zeit und zur Bestreitung der drängenden Bedürfnisse und Nöten der Gegenwart durch Teilnahme an Werken und Verbindungen zur Ausübung der Nächstenliebe. Drängt uns denn nicht immerwährend das große Gebot der Gottes- und Nächstenliebe? Wenn wir alle unsern Mann stellten bei der Arbeit um das Wohl der Menschen, es wäre der Not der Zeit bald abgeholfen. Wir alle können viel tun, wenn wir wollen. Wenigstens tun wir, was wir können. Wer tut, was er kann, tut genug.

Die Arbeit als Götze

Wir können aber auch zu viel arbeiten. Zuviel arbeiten wir, wenn wir die äußere Arbeit betreiben auf Kosten der inneren, auf Kosten unseres Gewissens und Gottes, wenn wir aufgehen im Äußern, die höhere, übernatürliche Meinung und Absicht vernachlässigen; wenn wir ohne Vertrauen auf Gott unsere Arbeit betreiben, wenn wir uns abrackern wie die Sklaven und die Zugtiere und dabei allen Sinn und alle Spur für das Höhere und Ewige verlieren. Arbeit, im wahren und christlichen Sinn verstanden und geübt für Gott und unser Seelenheil, ist die Verpflichtung und die Ehre des Menschen, die Bedingung seiner Ausbildung und seines Glückes in zeit und Ewigkeit. Wir werden gerade soviel Himmel habe, als wir hienieden für den Himmel gearbeitet haben. Anders verstanden ist die Arbeit ein Luxus, ja ein Verlust, eine Umkehr alles vernünftigen und christlichen Denkens, sie ist, wie unsere Zeit es zeigt, ein grausamer Götze, ein wahrer Moloch, der Leib und Seele des Menschen in seinen glühenden Armen verschlingt. Die Arbeit ist denn doch am Ende für den Menschen da und der Mensch für Gott. Arbeit ist nicht Ziel, sondern bloß Mittel. Wir müssen also, um in der äußeren Arbeit nicht zu verkommen, im Tag unsere bestimmte Zeit zur Sammlung und zu Gebet haben und sie einhalten.

Der hl. Joseph ist also auch hier unser schönes Vorbild, ein Vorbild, ganz gemacht, wie unsere Zeit es braucht, die vielfach die Arbeit zum Abgott macht. Der hl. Joseph ist mit dem rechten Maß und mit der weisen Verbindung der äußeren und inneren Arbeit ein zeitgemäßer Mann für die arbeitende Klasse wie für die apostolischen Männer, ja für alle Menschen. Er hat als eigentümliche Gnade zu vergeben die große Gabe, die innere und äußere Arbeit in rechter Weise zu vereinigen. Die Andacht zu ihm wird uns diese Gnade vermitteln. –
aus: Moritz Meschler SJ, Der hl. Joseph in dem Leben Christi und der Kirche, 1909, S. 117 – S. 123

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