Aphorismen aus dem Tagebuch des P. Rinn SJ
IX. Betrachtung über die Gleichmütigkeit
Ich fühle mich beunruhigt durch das Verlangen, nach Tarnopol geschickt zu werden, oder wenigstens durch das Verlangen, daß die Sache endlich entschieden werde. Ich will daher eine Betrachtung anstellen über die Gleichmütigkeit, welche ich für alle Orte und Beschäftigungen haben soll; und über die völlige Gleichstimmung meines Willens mit dem Willen Gottes.
1. Punkt. – Nichts ist des Verlangens würdig, außer was und soweit es zu deinem letzten Ziel, d. h. zur Ehre Gottes und zum ewigen Heil deiner Seele notwendig ist.
2. Punkt – Erforsche dich, woher diese Verlangen nach Tarnapol, oder diese Ungeduld in Erwartung der Entscheidung kommt: ob aus dem verlangen nach Gottes Ehre, und nach dem Heil deiner Seele?
3. Punkt. – Bedenke, daß du rein nichts davon weißt, welcher Ort oder welches Amt dir dienlich ist, und daß du dich daher ganz und gar der göttlichen Vorsehung empfehlen und überlassen sollst.
4. Punkt. – Gib dir Mühe, daß du zu dem Verlangen kommst nach dem, was unter sonst gleichen Umständen mehr der Sinnlichkeit widerstrebt, und forsche nach den gründen, warum du dies verlangen sollst. Vorsatz: Es geschehe, es werde gelobt und erhöht der heiligste, gerechteste, süßeste Wille Gottes.
5. Punkt. – Vermeide, über diese Angelegenheit zu sprechen; schlage sorgsam jeden Gedanken daran aus, und sobald einer kommt und du merkst es, erwecke sogleich einen Akt der Hingabe in Gottes Willen für Alles.
6. Punkt. – Mache keine Vorbereitung zur Reise, außer bis es dir aufgetragen wird. Un verwende die zeit und arbeite so, als stände keine Veränderung bevor. Und endlich forsche nicht nach über deine oder Anderer Bestimmung durch die Obern.
Betrachtung über die Gleichmütigkeit, bezüglich des Erfolges der Prüfung aus der gesamten Philosophie und Theologie.
1. Punkt. – Reue über alle Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten, welche ich etwa während der letzten vier Wochen der Vorbereitung auf die letzte Prüfung begangen habe, in Bezug auf die Reinheit der Absicht beim Studieren, in Bezug auf die Gleichförmigkeit meines Willens mit dem göttlichen Willen, rücksichtlich des Erfolges beim Examen.
Hl. Beichte. Deo gratias!
2. Punkt. – Beweggründe zur Gleichförmigkeit.
1. Da der glückliche oder unglückliche Erfolg des Examens keinen notwendigen Zusammenhang mit der Erreichung des letzten Zieles hat, so ist Alles nur insoweit wert zu schätzen und zu verlangen, als es zum letzten Ziel dienlich ist. Da ich aber nicht weiß, was mehr zur Ehre Gottes und dem Nächsten zum Heile gereicht, ob der gute oder schlimme Erfolg, so muss ich dies einzig der göttlichen Vorsehung und Weisheit überlassen.
2. Wie sicher, wie beruhigend, wie süß und angenehm ist es, sich in allen Dingen den Bestimmungen der göttlichen Vorsehung sich überlassen. Es geschehe, es werde gelobt usw.
3. Bedenke, wie wunderbar und erbarmungsvoll Gott mit dir bisher gehandelt hat. Und darum bringe ich dar und überlasse ich Alles jetzt und für immer dir, o mein Gott!
4. Bedenke noch Eines, wie du nämlich, wenn es die gleiche Ehre Gottes zur Folge hätte, lieber die Verdemütigung beim Examen verlangen sollst, um 1. dem gedemütigten Christus ähnlicher zu werden, 2. um deine Seele zu heilen von dem Stolz, der durch nichts besser ausgetrieben wird, als durch Verdemütigung. –
aus: Friedrich Rinn SJ, Die ewigen Wahrheiten der geistlichen Übungen des heiligen Ignatius von Loyola, 1878, 1. Bd., S. 68 – S. 70