Die Apokalyptik Donoso Cortés (1809-1853)
Teil 2
Der natürliche Sieg des Bösen über das Gute
Kurz, der natürliche Sieg des Bösen über das Gute und der übernatürliche Sieg Gottes über das Böse, das ist die Quintessenz meiner Lehre. Ich bin mir allerdings bewußt, daß ich damit den vielen Systemen widerspreche, die den sog. Fortschritt verkünden, all den Systemen, die der Geist der modernen Philosophen, dieser berufsmäßigen Betrüger, ausgedacht hat, um die Völker, diese großen Kinder, die niemals aus dem Zustand ihrer Kindheit heraustreten werden, einzuschläfern und in die Irre zu führen. – – –
Mag es nun mit der Endkatastrophe der Menschheit stehen, wie es will, aus dem, was ich dargelegt habe, geht hervor, daß das Böse im Kampf mit bloß natürlichen Kräften immer und überall den Sieg davon tragen wird und daß nur Gott imstande ist, das Böse nieder zu zwingen, immer und überall, wo es seinem erhabenen Willen genehm ist. So geschah es in der Periode, die mit der Schöpfung begann und und mit der Sintflut ihr Ende fand, so auch in der Periode, die mit der Sintflut begann und mit der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus zu Ende ging, so auch in der Zeit, die wir heute durchleben und die sich vom irdischen Leben des göttlichen Erlösers bis zu den fernen Tagen erstreckt, wo unser Herr im Glanz seiner Majestät und als Richter des Menschengeschlechtes vor uns erscheinen wird.
Europa liegt im Sterben
In der Tat, so ist es. Denn die europäische Gesellschaft liegt im Sterben. Schon die äußeren Glieder von der Kälte des Todes erfaßt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis auch das Herz der Erstarrung anheim gefallen ist. Und wissen Sie, weshalb Europa im Sterben liegt? Es liegt im Sterben, weil es vergiftet worden ist. Es liegt im Sterben, weil es die heilkräftigen Vorschriften nicht beachtet hat, die ihm Gott gegeben hatte, weil es die nährende Substanz des katholischen Glaubens mißachtet und die verderblichen Rezepte der rationalistischen Quacksalber vorgezogen hat. Europa liegt im Sterben, weil es sich über die große und unvergängliche Lebensregel hinweg setzen will, die besagt, daß der Mensch nicht bloß vom Brot lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt. Es liegt im Sterben, weil es nicht begreifen will, daß nicht nur das Eisen die Fähigkeit besitzt, die menschliche Gesellschaft zugrunde zu richten, sondern auch jedes antikatholische Wort, das aus dem Munde der Philosophen kommt. Europa liegt im Sterben, weil es das tödliche Gift des Irrtums zum beherrschenden Element seiner geistigen Nahrung gemacht hat.
Die Gesellschaft ist dem Untergang geweiht
Alles ist falsch, lassen Sie es sich gesagt sein, alles, was Ihnen als unbestreitbare Wahrheit erscheint. Wenn Sie wenigstens noch eine einzige Wahrheit als Ihr Eigentum aufweisen könnten, glauben Sie mir, diese eine und letzte Wahrheit wäre imstande, Ihren Untergang zu verhindern. Aber Ihr Absturz ist so tief, der Schwund Ihrer Kräfte ist so besorgniserregend, Ihre Verblendung ist so vollständig, Ihre Nacktheit so absolut und Ihr Unglück so beispiellos, daß selbst diese eine und letzte Wahrheit Ihnen verloren gegangen ist. Eben deshalb wird die herannahende Katastrophe alles übertreffen, was im Laufe der Geschichte an Katastrophen über die Menschheit gekommen ist. Nicht das Individuum ist dem Verderben geweiht – dieses hat ja stets die Möglichkeit, sich zu retten und sich dem Verhängnis zu entziehen -, sondern die Gesellschaft, diese aber nicht etwa deshalb, weil ihr jeder rettende Ausweg versperrt ist, sondern einfach deshalb, weil sie den Weg nicht betreten will, der zum rettenden Ziele führt.
Der katholische Geist durchdringt nicht mehr die Gesellschaft
Die Gesellschaft ist dem Untergang geweiht, weil der katholische Geist, der einzige Geist, der Kraft und Leben spendet, die Einrichtungen unseres öffentlichen Lebens nicht mehr durchdringt, weder den Unterricht noch die Regierung, weder unsere Gesetze noch unsere Sitten und Gebräuche. Diesen Gang der Dinge zu ändern, das wäre, ich sehe es nur allzu deutlich, ein Unternehmen, das – so wie die Dinge heute stehen – nur noch einer Riesenkraft gelingen könnte. Sicher ist auf dieser Erde keine Macht zu finden, die aus sich allein imstande wäre, diese Aufgabe zu erfüllen. Selbst wenn sämtliche Gewalten dieser Welt sie einmütig in Angriff nehmen und sie mit vereinter Kraft zu Ende führen könnten, selbst in diesem Fall wäre es kaum möglich, die reißende Strömung aufzuhalten… –
aus: Donoso Cortes, Untergang oder Wiedergeburt des Abendlandes? Die europäischen Geschichts-Prophetien des großen spanischen Staatsmannes, 1953, S. 31 – S. 33