Über die verwerfliche Rechtfertigungslehre Luthers
Luther und die andern Neuerer des sechzehnte Jahrhunderts stellten die Rechtfertigung als etwas rein Äußerliches dar, als einen richterlichen Spruch Gottes, wodurch dem gläubigen Sünder in Ansehung der Verdienste Christi nur die Sündenstrafe nachgelassen, die Sünde selbst aber bloß zugedeckt, nicht mehr zur Schuld angerechnet werde. Nach dieser Lehre fände bei der Rechtfertigung keine eigentliche Tilgung der Sünde, viel weniger eine innere Umwandlung und Heiligung statt. Der Gerechtfertigte wäre und bliebe innerlich mit der Sünde befleckt wie vor der Rechtfertigung (Anm.: Leo X. In der Bulle „Exsurge Domine“ verwirft den Satz Luthers: „Leugnen, daß nach der Taufe die Sünde im Kind verbleibe, heißt Paulum und Christum zugleich mit Füßen treten.“), nur würde er fortan von Gott betrachtet, als wäre er gerecht, weil er mit der Gerechtigkeit Christi gleichsam bedeckt und umkleidet sei; und dies, sagen sie, sei so lange der Fall, als der Gerechtfertigte den Glauben bewahre, um dessentwillen ihm die Gerechtigkeit Christi zugerechnet werde.
Wie ungereimt die Rechtfertigungslehre der Reformatoren auch scheinen mag, so bürgen doch zahlreiche, durchaus unzweideutige Stellen, namentlich in Luthers Werken, dafür, daß dieselbe öffentlich gelehrt und gepredigt wurde. Einige hiervon mögen als Belege dienen. –
„Der Glaube“, schreibt Luther (Ausg. Walch XII, 18,28) „ist ein solch Ding, daß, wo er ist, keine Sünde nicht schaden mag.“ Und (VIII. 878), „Gott kann an uns keine Sünde sehen, ob wir schon voller Sünden stecken, ja eitel Sünde sind, inwendig und auswendig, an Leib und Seele, vom Schädel bis zu den Fersen, sondern sieht allein das teure Blut und köstliche Blut seines lieben Sohnes, unsern Herrn Jesu Christi, damit wir besprengt sind. Denn dasselbe Blut ist der güldene Gnadenrock, damit wir angezogen sind, und darin wir vor Gott treten, daß er uns nicht anders sehen kann noch will, denn als wären wir der liebe Sohn selbst, voll Gerechtigkeit, Heiligkeit, Unschuld.“ –
Zu dieser Stelle bemerkt Schwenkfeld, der zuerst Luthers begeisterter Anhänger, in der Folge selbst Sektenführer war: „Das ist Luthers Lehre! Darauf spricht das unbußfertige Fleisch: Deo gratias.“ – An einer andern Stelle vermißt sich Luther zu sagen: „Die rechten Heiligen müssen gute starke Sünder sein… Sie heißen Heilige, nicht daß sie ohne Sünden seien oder durch Werke heilig werden, sondern das Widerspiel, daß sie für sich und mit allen ihren Werken nichts denn Sünder und verdammt sind, aber durch fremde Heiligkeit heilig werden, nämlich des Herrn Jesu Christi, welche durch den Glauben ihnen geschenkt und eigen wird.“ (Jenaer Ausg. VI, 199) –
Wem drängt sich bei dergleichen Lehren nicht der Gedanke auf, den der bereits angeführte Schwenkfeld in ziemlich derber Weise aussprach: „Siehe, wäre das nicht ein feiner Glaube für unsern alten Adam; wenn wir bei unsern fleischlichen Lüsten, Pracht, Hoffart, Geiz, Wucher, Neid, Haß und Ungehorsam Gottes immer bleiben möchten, ja von einer Collaz zur andern gehen und dann gen Himmel fahren könnten? Als ob Gott am jüngsten Tage sagen würde: Kommt her, ihr (bösen) Buben, in den Himmel um Christi meines Sohnes willen.“ (bei Döllinger, Reformation Bd. 1) –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, Anmerkung Nr. 5, S. 488
Luthers einzige Sünde
Luther lehrt an verschiedenen Stellen, der Unglaube sei die einzige Sünde in der Welt, und keine andere könne den Menschen verdammen als der Unglaube allein. Förmlich wird der objektive Unterschied zwischen Gut und Böse aufgehoben im achten Band seiner Werke S. 2730 (Walch. Ausg.)… Eine solche Lehre vortragen, heißt das nicht, allen Sünden und Lastern freien Paß geben? Auch liegen Zeugnisse und Klagen, selbst protestantischer Schriftsteller jener Zeit, in Menge vor, die auf unumstößliche Weise dartun, daß das Volk jenes neue Evangelium zum „Schandfleck alles Bösen, alles Mutwillens in fleischlicher Freiheit gebrauchte, daß es ohne alle Gottesfurcht, ohne Buße dahinlebte und die Sünde für nichts achtete, daß eben jene sich des Glaubens und des Evangeliums am lautesten rühmten, die in ihrem Lebenswandel die gräulichsten Ärgernisse gaben.“ So musste es natürlicherweise kommen. Aber nicht das irre geleitete Volk trug die größte Schuld daran, sondern die Urheber und Prediger jener entsittlichenden Lehre. – –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, Anmerkung Nr. 6, S. 488 – S. 489
Wie verwerflich und gottlos diese Lehre ist, leuchtet von selbst ein; denn danach könnte jemand das schändlichste Lasterleben führen und dabei doch in Gottes Augen als gerecht dastehen, wofern er nur glaubte. Luther selbst schrieb an seinen Freund Melanchthon: „Sündige herzhaft, aber sei herzhafter im Glauben und freue dich in Christo. Von diesem wird uns die Sünde nicht losreißen, wenn wir auch tausendmal in einem Tage Unzucht trieben oder totschlügen.“
Im Gegensatz zu so gräulichen Irrtümern lehrt die katholische Kirche, daß die Rechtfertigung eine innere Reinigung von der Sünde und zugleich eine wahre Heiligung und Erneuerung des inneren Menschen ist, vermöge welcher der Mensch aus einem Sünder in Wahrheit ein gerechter wird.
Wenn bei solch kläglichen Verirrungen des menschlichen Geistes und Herzens die gesunde und reine Lehre von der christlichen Rechtfertigung bis zum heutigen Tage noch erhalten wurde, so hat die Menschheit dieses nur der Wachsamkeit und dem unfehlbaren Lehramt der römisch-katholischen Kirche zu verdanken. (Anm. 6, S. 489) –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 26 – S. 27
siehe auch den Beitrag: Konzil von Trient Über die Rechtfertigung