Das Leben und Leiden und der Tod Jesu
Die Verspottung unseres Heilandes am Kreuz
Matth. 27,39. Die aber vorüber gingen, lästerten Jesus und schüttelten ihre Köpfe – 40. und sprachen: „Ei du, der du den Tempel Gottes zerstörest und ihn in drei Tagen wieder aufbauest, hilf dir selbst: wenn du der Sohn Gottes bist, steige herab vom Kreuz.“ – 41. Gleicherweise spotteten sein auch die Hohenpriester samt den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: – „42. „Andern hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Ist er König von Israel, so steige er nun herab vom Kreuz, und wir wollen an ihn glauben. – 43. Er hat auf Gott vertraut: der erlöse ihn nun, wenn er ein Wohlgefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.“ – 44. Dasselbe warfen ihm auch die Mörder vor, die mit ihm gekreuzigt wurden.
Mark. 15,29. Die aber vorüber gingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Häupter und sprachen: „Ei, der du den Tempel Gottes zerstörest und in drei Tagen wieder aufbauest, – 30. hilf dir selbst und steige herab vom Kreuz.“ – 31. Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten und sprachen untereinander: „Andern hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. – 32. Christus, der König von Israel, steige nun herab vom Kreuz, daß wir es sehen und glauben.“ Auch schmähten ihn die, welche mit ihm gekreuzigt wurden.
Luk. 23,35 Und das Volk stand und schaute. Und die Vorsteher samt ihnen verlachten ihn und sprachen: „Andern hat er geholfen; er helfe sich selbst, wenn er der Christus, der Auserwählte Gottes ist.“ – 36. Es verspotteten ihn aber auch die Soldaten; sie traten hin, reichten ihm Essig – 37. und sprachen: „Bist du der König der Juden, so hilf dir!“ – 39. Einer aber von den Übeltätern, die da hingen, lästerte ihn und sprach: „Wenn du der Christus bist, so hilf dir selbst und uns!“
Zu all den äußern leiblichen Qualen kam auch die geistige des Spottes und der Verhöhnung.
1. Von wem der Heiland verspottet wurde
Wie es scheint, gab es fast niemand in der Umgebung des Heilandes, der ihn nicht verspottete; wenigstens gab es keine Gruppen und keine Abteilungen der Zuschauer, wo sich nicht Spötter fanden. – Viel Volk schaute dem traurigen Schauspiel zu (Luk. 23,35). Der Kalvarienfels lag an der öffentlichen Straße nach Joppe und Cäsarea, und so zogen viele des Weges am Kreuz vorbei, erinnerten sich der Worte, in denen er seine Macht verheißen (Joh. 2,19), schüttelten bei Anblick des Kreuzes das Haupt (Matth. 27,39; Mark. 15,29) zum Zeichen der Verachtung (4. Kön. 19,21; Ps. 108,25; Klagel. 2,15). – auch die Priester und selbst die Hohenpriester ergingen sich in Spott- und Schmähworten (Matth. 27,41; Mark. 15,31). – Ebenso die Ältesten und Schriftgelehrten (Matth. 27,41; Luk. 23,35). – Endlich die Soldaten (Luk. 23,36) und selbst wenigstens einer der Mitgekreuzigten (Matth. 27,44; Mark. 15,32; Luk. 3,39). Von allen Seiten also kommen die Steine des Spottes und der Verhöhnung geflogen, wie es der Prophet vorausgesagt hatte (Ps. 21,8).
2. Worin der Heiland verspottet wurde
So wie er von allen Seiten verspottet wurde, so auch in all seinen Beziehungen, Ämtern und Würden. Er wurde verspottet als Prophet, der gesagt, er werde den Tempel zerstören und wieder aufbauen (Matth. 27,40; Mark. 15,29); er wurde verspottet in seiner Eigenschaft als Sohn Gottes (Matth. 27,40 u. 43), als Wundertäter, der andere heilt (Matth. 27,42; Luk. 23,35; Mark. 15,31); er wurde verspottet in seiner Heiligkeit und in seinem Gottvertrauen (Matth. 27,43); als Messias und König Israels (Matth. 27,42; Mark. 15,32; Luk. 23, 35, 37 u. 39). Wenn er jetzt sich befreie vom Kreuz, riefen sie, dann wollen sie an ihn glauben (Matth. 27,42; Mark. 15,32), und die Soldaten hielten ihm einen Schwamm mit Essig an den Mund, spielten aber nur, wie es scheint, mit ihm und gaben ihm nicht zu trinken (Luk. 23,36). So gab es nichts, das sie nicht zum Spott mißbrauchten.
3. Wie weh dieser Spott tun musste
Spott und Hohn tut immer weh, aber besonders ein solcher. – Es war dieser Spott vor allem eine unsägliche Hoheit und Unmenschlichkeit unter diesen Umständen. Man ließ ihm nicht einmal einen stillen Winkel und einen ruhigen Augenblick zum Sterben. Man muss niemand kränken, um wieviel weniger in Leid und Unglück, in der Todesstunde und unter solch grausigen Umständen (Ekkli. 7,12). – Es war dieser Spott zweitens eine schwarze Undankbarkeit. Man höhnt und verspottet ihn in dem, wofür man ihm ewig hätte danken sollen: für die Offenbarung seiner Gottheit und all die Erweise seiner Macht und Liebe. Jetzt dienen sie nur dazu, um sein Herz zu peinigen. Selbst sein Gottvertrauen wird bespottet. – Endlich ist der Spott hier geradezu Gotteslästerung, und so drückte das Herz des mildesten Erlösers nebst der eigenen Beleidigung auch die Schwere der Beleidigung Gottes. Es offenbart sich eben hierin ganz der Geist dieses harten, unbeugsamen, halsstarrigen und grausamen Volkes. Selbst die Priester halten es in ihrer Wut nicht unter ihrer Würde, mit dem Pöbel in Schimpf und Hohn gemeinsame Sache zu machen. Wirklich, „geworden ist mir mein Eigentum wie ein Löwe im Wald; es erhebt gegen mich die Stimme“ (Jer. 12,8), „und grausam ist die Tochter seines Volkes gleich der Strauß in der Wüste“ (Klagel. 4,3). In den Augenblicken der äußersten Not letzten sie ihren Haß und ihre Wut an dem armen Opfer ihrer Grausamkeit mit den Pfeilen des Hohnes, da sie ihn mit ihren Händen nicht mehr erreichen können. Es sagt aber nichts, er verschloß den Schmerz des Spottes in seinem Herzen, wie ein Tauber, der nicht hört und keine Widerrede kennt (Ps. 37, 14. u. 15). –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes in Betrachtungen Zweiter Band, 1912, S. 395 – S. 398