Heiligenkalender
10. März
Die heiligen vierzig Märtyrer von Sebaste
Licinius, den der Kaiser Galerius zum Mitregenten des oströmischen Reiches ernannt hatte, und auch Kaiser Konstantin der Große als solchen längere Zeit anerkannte, zeigte sich anfangs ganz freundlich gegen die Christen, später aber grausam. Er ließ einen Befehl an seine Statthalter ergehen, alle Christen zu dem Götzendienst zu zwingen oder hinrichten zu lassen. Agricolus, Statthalter in Armenien, machte den Befehl des Licinius bald bekannt und forderte alle Christen vor seinen Richterstuhl. Die ersten, die vor ihm zu Sebaste erschienen, waren 40 tapfere und wohl gestaltete Soldaten von der Stadtbesatzung. Diese erklärten öffentlich, daß sie Christen seien und bereit wären, lieber alle Peinen und Martern auszustehen, als den Glauben an Christus zu verlassen. Ihr Genereal Lysias bemühte sich zwar, sie durch vieles Loben ihrer bisher bezeigten Tapferkeit, durch Versprechen der kaiserlichen Gnade und großer Ehrenstellen, endlich durch Androhung des schmählichsten Todes von ihrem Vorsatz abwendig zu machen. Die christlichen Helden aber erklärten standhaft, hier müßten sie das Gebot Gottes, des Königs aller Könige, höher achten, als den Befehl des Kaisers; um Gottes, um ihrer Seligkeit willen wollten sie Christo getreu bleiben und lieber sterben, als von ihm lassen.
Hierauf ließ sie der erzürnte Statthalter in den Kerker werfen und bot alles auf, um sie bald mit List und Schmeicheleien, bald mit Drohungen und Martern zum Abfall zu bringen. Umsonst: die Helden munterten sich einander selbst zur Standhaftigkeit auf, indem sie sagten: „Haben wir soviel Ungemach ausgestanden im Dienst des Kaisers und für das Heil des Vaterlandes, warum sollen wir nicht dasselbe tun in dem Dienst des höchsten Kaisers Himmels und der Erde zu unserem eigenen Heil?“ Von der Marter bedroht, vertrauten sie ganz dem Herrn, der sie nicht verlassen würde, und riefen Tag und Nacht zu ihm. Christus erfreute sie mit seinem Trost, ja erschien ihnen selbst und sprach: „Der Anfang ist gut; wer aber verharrt bis an das Ende, der wird selig werden.“ Nach einiger Zeit wurde das Urteil über alle 40 gesprochen und sogleich vollzogen. Man schlug mit Steinen auf den Mund eines jeden und führte sie sämtlich gegen Abend bei kältester Winterszeit auf einen gefrorenen See. Da sollten sie, aller ihrer Kleider beraubt, solange sitzen, bis sie den Göttern opferten, oder ihr Leben endigen würden. Doch auch jetzt sollten sie auf die lockendste Weise versucht werden: nahe an dem See war ein Haus mit einem warmen Bad für diejenigen bereitet, welche, der Marter überdrüssig, den Götzen opfern wollten.
Als die christlichen Helden auf dem Kampfplatz angelangt waren, legten sie ihre Kleider ab und betraten furchtlos das kalte Eis des Sees. Daselbst lobten sie Gott und baten ihn flehentlich um Beistand: „40 an der Zahl sind wir auf den See gegangen“, riefen sie. „Herr! Gib, daß wir 40 auch gekrönt, und keiner aus uns seiner Krone beraubt werde. Diese Zahl ist eine Ehrenzahl, welche du durch dein vierzigtägiges Fasten geheiligt hast:“ Nahe bei dem See waren die bestellten Wächter. Einige Stunden waren verflossen. Die christlichen Helden verharrten in dem Lob und in der Anrufung Gottes. Einer der Wächter sah auf einmal, daß die auf dem Eis sitzenden und leidenden Soldaten mit einem hellen Licht umgeben wurden; von dem Himmel herab aber sah er Engel kommen, welche in ihren Händen schön gezierte Kronen hatten und sie auf die Häupter derselben setzten. Er bemerkte jedoch, daß nur 39 Soldaten mit Kronen beehrt wurden. Da sprach er zu sich selbst: Es sind ja 40 Christen auf dem See; wo ist denn die Krone des vierzigsten? Das Geheimnis löste sich bald. Einer aus den 40 christlichen Soldaten kroch von dem Eis an das Land heraus zu dem bereiteten Bad, weil er die Kälte nicht länger erdulden zu können glaubte. Gott ließ diese Unbeständigkeit nicht ungestraft; denn der rasche Wechsel von der eisigen Kälte in die große Wärme verursachte dessen schnellen Tod.
Die 39 Bekenner waren über diesen Abfall sehr betrübt, wurden aber bald wieder erfreut, da sie ihre Zahl durch einen Neubekehrten ergänzt sahen. Und dieser war der obige Wächter. Was er gesehen: der Heldenmut der Christen, ihre wunderbare Krönung durch die Engel des Himmels hatte ihn von der Wahrheit des christlichen Glaubens überzeugt. Daher weckte er die anderen Wächter auf, erzählte ihnen sein Gesicht und rief mit later Stimme: „Auch ich bin ein Christ und will mit den Christen leben und sterben.“ Hierauf legte er seine Kleider ab, begab sich zu den tapferen Bekennern Christi und begehrte inständig, sie sollten Gott für ihn bitten, daß auch er eine solche himmlische Krone erlange. Sein Gebet wurde erhört. Er sah nach kurzer Zeit einen Engel vom Himmel kommen, der ihm eine ebenso schön gezierte Krone brachte.
Als man am folgenden Morgen dem Statthalter berichtete, was die Nacht hindurch geschehen sei, sandte er Wägen ab, um die Bekenner zum Feuertod zu führen. Sie atmeten zwar noch, waren aber ganz kraftlos und starben bald. Den jüngsten, Melito, der noch am meisten Leben zeigte, wollte man zurücklassen, um ihm noch Bedenkzeit zu geben. Da seine Mutter gegenwärtig war, lief sie herbei und ermunterte ihn also: „O mein Sohn, vollende mit deinen Genossen!
Bleibe nicht allein zurück, damit du nicht länger von der Anschauung Gottes zurück gehalten werdest!“ Jetzt half sie ihm auf den Wagen, und er wurde mit den anderen verbrannt um das Jahr 316 den 9. März.
Wie selten sind solche christlichen Mütter, die Christus mehr lieben als ihre Kinder; die, von der natürlichen Liebe zu ihnen nicht verblendet, stark genug sind, sie durch Ernst, Strenge und nötigenfalls selbst durch Strafen von den Sünden abzuhalten und so der ewigen Pein zu entreißen! Ohne Zucht keine Furcht! Der hl. Geist sagt: „Entziehe einem Knaben die Züchtigung nicht … Wenn du ihn mit der Rute schlägst, so wirst du dessen Seele von der Hölle erlösen.“ (Sprichw. 23, 13 u. 14) –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 178-180