Heiligenkalender
16. Mai
Der heilige Johannes Nepomuk Märtyrer
Lange hatte ein frommes Ehepaar zu Nepomuk in Böhmen Maria, die gütige Helferin und Trösterin der Christen, um einen Nachkommen gebeten. Ihr Vertrauen wurde 1340 erfreut durch die Geburt eines Söhnleins, das sie nach dem Vetter Mariä Johannes nannten. Bald nach der Geburt erkrankte das Kind tödlich; die Eltern bestürmten wieder das Mutterherz Mariä und erhielten dessen vollen Gesundheit. Mit doppelter Freude beeiferten sie sich nun, den zweimal geschenkten Johannes für den Dienst Gottes und der Himmelskönigin zu erziehen. Der talentreiche Knabe wuchs heran in engelgleicher Unschuld und Liebenswürdigkeit; sein stilles Wesen, sein freundliches Benehmen, seine aufmerksame Folgsamkeit erregte die Bewunderung Aller nicht weniger, als seine erbauliche Andacht, mit der er täglich am frühen Morgen schon in der Muttergottes-Kirche des Klosters zu Nepomuk ministrierte und betete, und seine Fortschritte, die er in der Schule machte.
Auf der Universität in Prag wurde er unter viertausend Studenten einer der ersten mit der doppelten Doktorwürde der Theologie und des Kirchenrechts beehrt, aber einen weit größeren Ruhm verdiente seine Demut, Unschuld und Frömmigkeit, die er in dieser sittenlosen Stadt durch die oftmalige Kommunion und kindliche Verehrung Mariä bewahrte und vervollkommnete.
Zum Priester geweiht bekleidete Johannes mehrere Jahre das wichtige Amt eines öffentlichen und erzbischöflichen Notars zu solcher Zufriedenheit, daß er nacheinander zum Kanonikus an der Kollegiatkirche Wissehrad und zum Generalvikar des Erzbischofs von Prag ernannt wurde. Gleichzeitig wirkte er auch in der Seelsorge und verkündete das heilige Evangelium mit so ergreifender Macht und Innigkeit, daß nicht bloß sehr viele Zuhörer seinen Predigten ihre Aufmerksamkeit schenkten, sondern auch bußfertig ihr Leben besserten.
Der Ruf und das Lob seiner gottbegeisterten Beredsamkeit bewog den Erzbischof von Prag, ihm die Kanzel in der Teynkirche, der ansehnlichsten der ganzen Hauptstadt, zu übergeben. Nur die heilige Pflicht des Gehorsams vermochte seine Demut, diesen Auftrag anzunehmen. Als Prediger schwang er furchtlos und schonungslos das Schwert des Wortes Gottes gegen die Zügellosigkeit der Großen, gegen die Schwelgerei der Reichen, gegen den Geiz der Bürger und den Dummstolz des Pöbels. Das Feuer seiner Rede drang hinein ins Herz und Mark, und die Schönheit seines priesterlichen Wandels weckte wieder solches Zutrauen, daß die vornehmsten Männer und die reuigen Büßer ihm ihre Gewissen offenbarten.
König Wenzeslaus IV., ein sehr liederlicher Mensch, erhielt von den segensreichen Predigten des Johannes Kunde und berief ihn für die Adventszeit 1380 als Prediger in die Hofkirche. Selbst dieser verkommene, dem Trunk ergebene Mensch wurde gerührt und gebessert durch die Vorträge des Johannes und ernannte ihn zum Lohn, weil er zur Annahme des Bistums Leitomischl oder der sehr einträglichen Propstei Wissehrad nicht zu bewegen war, zu seinem Almosengeber. In diesem Amt war Johannes die Zuflucht der Bedrängten, der Fürsprecher der Armen, der Friedensstifter der Entzweiten, der trostvolle Ratgeber für Hohe und Niedere. Die Königin Sophie. Wenzel s zweite Gemahlin und Tochter des Herzogs Johann von München, nicht minder fromm, als jung und schön, wählte ihn zu ihrem Beichtvater. Diese Wahl war von der gütigen Vorsehung geleitet, weil die Königin bei den schweren Leiden, die sie von ihrem Gemahl zu erdulden hatte, eines so weisen Führers und Trösters bedurfte, der ihren Ekel an der Welt in heldenmütige Liebe zu Gott umbildete.
Während die Königin in der Heiligkeit mit jedem Tage höher empor stieg, sank der König mit jedem Tage tiefer in Schwelgerei, Trunksucht und Grausamkeit. Sophie gab sich alle Mühe, durch Bitten und Ermahnungen ihn zu bessern, hatte aber nur neue Leiden dafür zu erdulden. Ihre stillen Gebete und Tränen vor Gott ärgerten ihn, ihre öfteren Beichten machten ihn argwöhnisch, daß seine Gemahlin eine geheime Sünderin und ihm ebenso untreu sei, wie er es ihr war. Dieser Argwohn brachte seine Schlechtigkeit so weit, daß er vor dem Unerhörten sich nicht mehr schämte und den Johannes zu fragen wagte, was die Königin ihm gebeichtet habe. Für die aufrichtige Anzeige versprach ihm der Bösewicht unverbrüchliches Stillschweigen, Ehrenstellen und Reichtümer.
Johannes, entsetzt über dieses satanische Ansinnen, erklärte ihm freimütig, daß sein Begehren den göttlichen und menschlichen Gesetzen widerstreite und frevle gegen die Barmherzigkeit Gottes, welch dem Sünder die Aussöhnung mit dem Himmel durch das unverletzliche Beichtsiegel wesentlich erleichtere.
Der König, dessen Willkür sonst keinen Widerspruch ertrug, verbarg tückisch seinen Zorn, um sich bei nächster Gelegenheit desto empfindlicher zu rächen. Johannes verstand dieses Schweigen und bereitete sich durch heißes Gebet auf schwere Leiden vor. Bald darauf geschah es, daß auf die Hoftafel ein Kapaun aufgetragen wurde, der dem Gaumen des Kaisers nicht schmeckte; und dies brachte ihn so in Wut, daß er befahl, den Koch an den Spieß zu stecken und über dem Feuer zu drehen, bis er besser gebraten sei als der Kapaun. Keiner der Höflinge wagte, das Ungeheuer um Gnade für den Schuldlosen zu bitten, nur Johannes, welcher gerade bei Hofe war, hatte die Liebe und den Mut dazu. Wenzel rief den „Gevatter“ – so nannte er den Henker, dem er wirklich ein Kind aus der Taufe gehoben und den er beständig um sich hatte, – daß er den „kecken Pfaffen“ in den Turm werfe.
Nach drei Tagen kam ein Bote vom König zum Gefangenen und meldete, es reue ihn seine Übereilung, Johannes wolle ihm verzeihen und die Einladung zur Hoftafel auf morgen annehmen. Johannes erschien; nach der Mahlzeit nahm Wenzel ihn zur Seite und sprach mit schmeichelhafter Freundlichkeit: „Ich habe keine Ruhe, bis du mir die Beichte meiner Gattin offenbarst: stille mein Verlangen, ich will`s dir mit Ehren und Schätzen lohnen; trotzest du aber deinem König in hartnäckigem Ungehorsam, so sei der härtesten Strafen gewärtig.“ Johannes erklärte dem König nochmals die Unverletzlichkeit des Beichtsiegels und ermahnte ihn nachdrücklich, seine sündhafte Neugier zu bezähmen.
Nun legte der Tyrann alle Menschlichkeit ab, befahl dem „Gevatter“ den Widerspenstigen auf die Folter zu spannen, mit Fackeln zu brennen und erbarmungslos zu züchtigen; er selbst schaute vergnügt der Marter zu. Johannes litt mit himmlischer Geduld, nur leise Seufzer: „O Jesu, o Maria!“ stahlen sich von seinen Lippen, aber ungebeugt blieb sein Mut, das frevle Ansinnen des Königs zu verdammen. Endlich ließ er den gräßlich Verwundeten wieder los. Johannes schwieg wie ein Marmorbild über die ausgestandenen Qualen, die erst später an seinem Leichnam offenbar wurden, heilte in der Stille seine Wunden und waltete seines Amtes, wie zuvor. Zugleich rüstete er sich mit allem Eifer auf den nahen Tod, da er Wenzel`s unversöhnliche Grausamkeit kannte. In der Sonntagspredigt vor Himmelfahrt Christi sagte er den Zuhörern, daß sie ihn nach einer kleinen Weile nicht mehr sehen würden, verkündete in prophetischem Geist und mit Tränen der Wehmut das Unheil und den Jammer, womit Unglaube und Ketzerei das teure Vaterland überfluten würden, und nahm Abschied von seinen Zuhörern – jedes Herz ward bewegt, jedes Auge naß.
Inzwischen hatte Wenzel in der Treue, mit welcher Johannes dem Erzbischof von Prag zur Seite stand und die Niederträchtigkeit des Königs, der die Benediktiner-Abtei Kladrau aufheben und für einen seiner Schmeichler in ein Bistum verwandeln wollte, vereitelte, einen Anlass gefunden, an dem verhaßten Beichtvater der Königin seine Rache zu befriedigen. Am Abend vor Christi Himmelfahrt wurde Johannes, der gerade von seiner Wallfahrt zur Mutter Gottes in Alt-Bunzlau um eine glückliche Sterbestunde zurück gekehrt war, zum König gerufen. Dieser tobte den Eintretenden an: „Nun, Pfaff, du musst sterben, wenn du nicht sogleich bekennst, was mein Weib dir gebeichtet; ja ich schwöre, du musst Wasser saufen, wenn du zögerst.“ Johannes schwieg. Der „Gevatter“ musste ihn auf die Folter spannen, grausam peinigen, Wenzel selbst legte Hand an, brannte ihm tiefe Wunden in den Leib – mißhandelte ihn mit Fußstößen – Johannes schwieg. Als die dritte Stunde der Nacht gekommen, wurden des schweigenden Märtyrers Hände, wie ein Rad geflochten, auf den Rücken und die Füße an den Kopf gebunden, ein Stück Holz im Mund befestigt; Schergen trugen den Heiligen auf die Moldaubrücke und stürzten ihn ins nasse Grab.
Die Absicht des Königs, sein Verbrechen mit dem Dunkel der Nacht zuzudecken, vereitelte Gott durch ein großes Wunder. Denn ein himmlischer Lichtglanz und zahllose Sterne, welche die auf dem Wasser schwimmende Leiche umstrahlten, erhellten die Nacht. Die ganze Stadt sah den wunderbaren Schimmer, ohne die Ursache sich erklären zu können; auch die Königin beobachtete ihn von ihrem Zimmer aus und eilte zum König mit der Frage, was doch diese Helle bedeute? Wenzel, blaß vor schrecken und Angst, gab keine Antwort, floh sogleich aus der Stadt und verbarg sich. Der anbrechende Morgen enthüllte das Geheimnis; das Volk fand am Ufer die Leiche seines Lieblings und die Schergen verrieten den Mörder desselben. Ganz Prag weinte und verehrte den Leichnam des hl. Blutzeugen mit den Küssen seines Schmerzes und seiner Liebe. Ohne Furcht vor dem Zorn des Königs wurde der Leichnam mit größter Feierlichkeit in der Domkirche beigesetzt. Böhmen verehrt den heiligen als Landespatron, und die katholische Christenheit ruft ihn an als Beschützer gegen Verleumdungen und als Helfer aus der Wassernot, weshalb sein Bild auf die Brücken gestellt wird.
Im dreißigjährigen Krieg 1620 verdankte das kaiserliche Heer dem Schutz des hl. Johannes, der ihm in der Nacht vor der Schlacht bei Prag erschien, einen glänzenden Sieg, und von dieser Zeit an trug das Haus Österreich immer eine besondere Andacht zu diesem Heiligen. Im Jahre 1719 geschah die feierliche Eröffnung des Sarges des hl. Johannes; der Körper war vollständig verwesen, die Gebeine unversehrt und zusammen hängend, die Zunge aber ganz frisch wie die eines Lebenden; und als man einen Schnitt in dieselbe machte, floß Blut heraus. Im Jahre 1729 nahm ihn Papst Benedikt XIII. in das Verzeichnis der Heiligen auf. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 372 – S. 375