Heiligenkalender
14. Mai
Heiliger Bonifacius Büßer und Märtyrer
Zu Rom lebte eine noch junge, wegen ihres Adels, ihrer Schönheit und großen Reichtümer bekannte Frau mit Namen Aglaë, eine Tochter des Achatius, eines römischen Ratsherrn. Sie war eine Christin, führte aber ein eitles, üppiges, ausgelassenes, und mit einem Worte ein recht unchristliches Leben. Sie hatte einen Haushofmeister mit Namen Bonifacius, welcher ebenfalls dem Namen nach ein Christ war, aber dennoch sich sehr mitleidig gegen die Armen und liebreich gegen die Fremdlinge zeigte. Mit diesem lebte Aglaë viele Jahre in der schlimmsten Weise. Endlich fing diese große Sünderin an, ihren unglückseligen Zustand zu erkennen und die göttliche Strafe zu fürchten. Sie stand von ihren Lastern ab, beweinte mit bitteren Tränen ihre Schandtaten, beichtete selbe reumütig, und begann ein recht bußfertiges Leben. Allen weiblichen Schmuck und die kostbare Kleidung verkaufte sie, von allen Lustbarkeiten der Welt sonderte sie sich ab und die meiste Zeit brachte sie mit Gebet, fasten und anderen Bußwerken zu. Voll Reue, daß sie Bonifacius zur Sünde verführt hatte, begnügte sie sich nicht mit ihrer Bekehrung allein, sondern ermahnte auch Bonifacius, Buße zu tun, mit bestem Erfolg. Er legte eine Generalbeichte ab und vermied jede Gelegenheit zur Sünde; er nahm nur die nötigste Nahrung zu sich, bereute immer sein böses Leben und dankte seinem Gott, daß er ihn nicht in Sünden habe sterben lassen.
Nachdem beide in einem wahrhaft bußfertigen Leben einige Zeit zugebracht hatten, sprach Aglaë zu Bonifacius: „Du weißt, wie schwer wir uns wider Gott versündigt und uns seiner Gnaden unwürdig gemacht haben. Es ist notwendig, daß wir uns um mächtige Fürbitter bewerben. Ich habe mir sagen lassen, daß, wenn man den Leibern der heiligen Märtyrer besondere Ehre erzeigen, man dadurch die Märtyrer selbst ehre und ihrer Fürbitte bei Gott teilhaftig werde, welche nicht anders als mächtig sein kann. Wie wäre es, wenn wir uns bemühten, einen heiligen Leib zu bekommen? Ich wollte ihm zu Ehren eine Kirche bauen lassen!
Bonifacius erfreute sich über diesen Vorschlag; und weil er gehört hatte, daß zu Tharsus in Cilicien die Christen wirklich grausam gemartert, ihre heiligen Leiber aber um teures Geld gekauft würden, entschloss er sich, dahin zu reisen. Aglaë versah ihn mit vielem Geld und gab ihm einige Diener zu seiner Begleitung mit. Als Bonifacius von ihr Abschied nahm, sagte er zu ihr: „Ihr schickt mich, euch den Leib eines heiligen Märtyrers zu bringen; wie wäre es aber, wenn mir Gott die Gnade verliehe, selbst ein Märtyrer zu werden; würdet Ihr auch meinen Leib annehmen, wenn man selben euch zurückbrächte?“ Aglaë antwortete: „Es ist jetzt keine Zeit zu scherzen. Die Märtyrer-Krone gehört nicht für einen so großen Sünder. Gehe hin und tue, was wir gemeinsam beschlossen haben.“ Bonifacius trat die Reise als Büßer an; im Geiste der Buße setzte er sie auch fort, betend, fastend und voll Sehnsucht, sein Leben durch das Martyrium zur vollkommenen Genugtuung für seine Sünden hinzugeben.
Kaum war er zu Tarsus angelangt, so suchte er eine Herberge für seine Diener auf; er selbst ging auf dem Markt und den Gassen umher, um einen Christen zu finden, mit dem er reden konnte. Als er auf den Marktplatz kam, sah er, daß so eben zwanzig Christen wegen des Bekenntnisses Christi gemartert wurden. Einige Zeit stand er unbeweglich und sah der Marter zu. Auf einmal aber empfing er innerlich eine so mächtige Mahnung, Christo zu Liebe zu sterben, daß es ihm nicht möglich war, länger still zu stehen. Er drang mit Gewalt durch das Volk in den Kreis hinein, küsste und umarmte die noch leidenden heiligen Märtyrer und sprach ihnen mit lauter Stimme zu, standhaft zu bleiben. „Der Kampf“, sagte er, „die Mühe ist kurz, die Belohnung, die Ruhe ist ewig. Eure Marter nimmt bald ein Ende, die euch zubereitete Freude nimmt kein Ende, sie dauert ewig.“ Dann setzte er hinzu: „Ich bitte euch, ihr großen Diener Gottes! Seid meine Fürbitter bei Christus und erlangt mir großem Sünder die Gnade, eurer Marter und eures Sieges teilhaftig zu werden.“
Der Landpfleger Simplicius hörte und sah, was Bonifacius geredet und getan; er ließ ihn zu sich führen, fragte ihn, wer er sei, und wie er sich erkühne, sich so zu benehmen. „Ich bin ein Christ“, sprach Bonifacius, „und freue mich, daß diese Christen die Gnade haben, Christo zu Liebe zu sterben; ich wünsche auch mir ein gleiches Glück.“ Der Landpfleger wollte ihm das gleiche Glück ohne Verzug verschaffen. Er gab Befehl, den Bonifacius zuerst mit eisernen Haken grausam zu zerfleischen, dann spitziges Moosrohr zwischen die Fingernägel und das Fleisch hinein zu schlagen, und hierauf geschmolzenes Blei in den Mund zu gießen. Während dieser entsetzlichen Marter wendete der reuevolle Bekenner Christi seine Augen zum Himmel und rief mit lauter Stimme: „Ich sage dir Dank, o Jesus Christus, daß du mich würdigst, dir ein Opfer mit Darbietung meines Leibes und Lebens entrichten zu können. Komm zu Hilfe deinem Diener und stärke ihn mit deiner Gnade.“
Voll Wut ließ nun Simplicius einen großen Kessel mit Pech anfüllen, und da dasselbe ganz zerschmolzen und siedend war, den heiligen Märtyrer hineinstürzen. Dieser machte über sich und den Kessel das heilige Kreuzzeichen. Im selben Augenblick zersprang der Kessel, und das herum spritzende Pech richtete viele aus den Umstehenden sehr übel zu. Jetzt befahl der Landpfleger, Bonifacius zu enthaupten. Bevor der Heilige den Todesstreich empfing, rief er zu Gott auf den Knien: „Herr, gedenke nicht meiner Missetaten. Ich bereue sie von Herzen. Nimm an das freiwillige Opfer meines Lebens, zu dessen Entrichtung du mir so große Gnade gegeben hast. Erleuchte und bekehre alle Umstehenden.“ Also beendigte der christliche Held sein Leben im Jahre 290.
Indessen wussten seine Diener nicht, wo ihr Herr wäre, und warum er so lange nicht zu ihnen zurückkehrte. Sie erkundigten sich an verschiedenen Orten, beschrieben dessen Kleidung, Größe und Gestalt, fragten die Leute überall, ob sie diesen Mann gesehen hätten? Am folgenden Tage sagte ihnen jemand, es wäre ein solcher Herr gestern hingerichtet worden, weil er den christlichen Glauben nicht hätte verleugnen wollen. Die Diener sahen verlegen einander an, gingen endlich an jenen Ort hin, wo die Leiber der heiligen Märtyrer noch lagen, und fanden wirklich den Leib und das abgeschlagene Haupt ihres Herrn. Sie fingen vor Freude und Verwunderung an zu weinen und entschlossen sich, keinen andern als diesen heiligen Leib zu kaufen und nach Rom zu überbringen. Der Kauf geschah um 500 Goldstücke. Der heilige Leib wurde gewaschen, einbalsamiert, gebührend eingehüllt und nach Rom geführt. Aglaë, durch eine göttliche Offenbarung von dem seligen Ende des Bonifacius belehrt, ging mit einigen andern voll Freude den Dienern entgegen, empfing den Leib des Märtyrers mit größter Ehrerbietung und setzte denselben in einem kostbaren Grabmal bei. Darüber erbaute sie eine herrliche Kirche; für sich aber errichtete sie neben derselben eine kleine Wohnung, wo sie noch 15 Jahre in beständiger Buße zubrachte und eines heiligmäßigen Todes starb. Sie gilt als fromme Büßerin. Ihr Gedächtnistag ist der 8. Mai. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 355 – S. 357