Das Kreuz eine mächtige Schutzwaffe

Ein Wegkreuz vor dem Hintergrund steiler Berge

Das Kreuz ist eine mächtige Schutzwaffe

Was ist denn aber das Kreuz für den Christen im besonderen? Einer gibt darauf folgende Antwort:

Kreuze schaun von Bergeshöhn
Auf das Weltgetümmel,
Nennt man ja das Kreuz so schön
Leiter zu dem Himmel.

Kreuze rings am Wege stehn,
Um den Pfad zu weisen,
Pilger, die zum Kreuze gehen,
Werden sicher reisen.

Kreuze in den Häusern stehn,
Jeder muss sie tragen;
Ist der Herr am Kreuz zu sehn,
Darfst du auch nicht klagen.

Kreuze auf den Gräbern stehn,
Hoffnung zu erwecken,
Sind wir mit dem Kreuz versehn,
Kann der Tod nicht schrecken.

Das ist aber lange nicht alles, was das Kreuz dem Christen ist. Darum soll es hier der Reihe nach gesagt werden, was dem Christen das Kreuz ist und sein soll.

Das Kreuz ist vor allem dem katholischen Christen ein kostbares Hausgerät. Forstleute bringen oft an ihrem Haus innen und außen Rehhörner und Hirschgeweihe, Wirte an dem ihrigen Schilder und ähnliche Abzeichen an, damit man daran erkenne, wer in dem Hause wohne, welchen Beruf er habe, welches Geschäft er treibe. Das Abzeichen aber, woran man erkennt, daß ein katholischer Christ in dem Hause wohnt, der als solcher seinen Beruf gewissenhaft ausübt, ist das Kruzifix. Darum gehört das Kreuz in jedes christliches Haus, und sollte unter der Aussteuer, womit junge Brautleute von Eltern, Verwandten und Hochzeitsgästen ausgestattet werden, niemals fehlen, damit man es diesem Hausgerät sofort ansieht, wer in dem Hause wohnt.

Um so weniger sollte das Kreuz in einem christlichen Hause fehlen, als es fürs erste eine mächtige Schutzwaffe gegen alle Feinde des Heiles ist. Dieses Zeichen ehren die Engel und fürchten die Teufel. Es ist Meinung der Gottesgelehrten, daß es Geister gibt, denen Gott den Vollzug der Urteile seiner strafenden Gerechtigkeit, den Vollzug seiner Strafgerichte überträgt, wie es der König David bezeugt, wenn er sagt: „Feuer, Hagel, Schnee, Eis und Sturmwinde richten seine Befehle aus“. Klar wird dies uns gesagt im Buch Sirach, im 39. Kapitel: „Es gibt Geister, die zur Rache erschaffen sind, und durch ihren Grimm die Marter verstärken. Zur Zeit des Verderbens lassen sie ihre Macht aus, und besänftigen wieder den grimm dessen, der sie gemacht hat. Sie frohlocken über seine Befehle, stehen bereit an dem Ort, wo er ihrer bedarf, und übertreten, wenn ihre Zeit gekommen ist, sein Gebot nicht. Hiervon war ich von Anbeginn überzeugt; ich erwog und dachte nach, und hinterließ es schriftlich.“ Wo nun aber diese Geister der göttlichen Rache das Kreuz sehen, da gehen sie schonend vorüber. Denn dasselbe ist ihnen heute noch geradeso verehrungswürdig wie damals, wo auf Gottes Geheiß jener Engel, der „das Zeichen des lebendigen Gottes hatte“, ihnen zurief: „Beschädigt nicht die Erde, noch das Meer, noch die Bäume, bis ich gezeichnet habe die Diener unseres Gottes an ihrer Stirne“.

Das Kreuz ist also eine Schutzwaffe selbst gegen die Geister der göttlichen Rache, mehr aber noch – gegen die Geister der Bosheit. Der Teufel fürchtet das Kreuz, denn das Kreuz hat ihn mit seiner ganzen Macht bankrott gemacht. In der Geheimen Offenbarung steht geschrieben: „Ich sah einen Engel nieder fahren vom Himmel, der hatte den Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in seiner Hand. Und er faßte den Drachen, die alte Schlange, welche ist der Teufel und Satan, und fesselte ihn auf tausend Jahre, und er warf ihn in den Abgrund und verschloß und versiegelte ihn über ihm,, daß er nicht mehr verführe die Völker, bis tausend Jahre vollendet wären, und danach muss er losgelassen werden auf eine kurze Zeit.“ Was ist denn nun aber unter dem Schlüssel des Abgrundes und dem Siegel, womit der Abgrund über dem Teufel versiegelt, und der Kette, womit der Satan gebunden ist, zu verstehen? –

Gerhard von Pleisse erzählt, nach Siegeberg habe man einmal ein besessenes Weib gebracht, um sie aus der Gewalt des besitzenden Geistes zu befreien. In der Kapelle des hl. Michael habe man sie oder vielmehr den geist in ihr über allerlei ausgefragt, und sei dabei auch die Rede auf den in der Hölle gebundenen Luzifer gekommen. Da habe aber der böse Geist durch den Mund des Weibes erwidert: „Toren! Mit welchen Ketten glaubt ihr meinen Meister im Abgrund gebunden, mit welchem Schlüssel verschlossen, und mit welchem Siegel verwahrt? Drei Worte sind es, die im Messbuch stehen, durch diese ist er gebunden, verschlossen und versiegelt.“ Er weigerte sich aber, diese drei Worte auszusprechen und verlangte das Messbuch, um sie zu zeigen. Das Messbuch wurde gebracht und ihm dargereicht; er öffnete es, traf mit dem ersten Griff den Kanon und setzte den Finger auf die Stelle, wo es heißt: „Per ipsum, durch ihn, et cum ipso, und mit ihm, et in ipso, und in ihm.“ Da sind, sagt er, die drei Worte, durch die mein mEister in den Abgrund fest gebannt ist. Diese Worte werden aber vom Priester jedesmal mit drei Kreuzen begleitet und heißen gerade so viel wie jene, die bei der Beschwörung angewandt werden: „Per Deum vivum, durch den lebendigen Gott, per Deum verum, durch den wahren Gott, per Deum sanctum, durch den heiligen Gott“. Daher ist das Kreuz auch eine Schutzwaffe gegen die Geister der Finsternis; wo sie es an einem Hause oder einer Türe oder einem Posten stehen sehen, da gehen die Verderber vorüber, ohne Schaden anzurichten. –
aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz, eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, I. Band, 1896, S. 94 -S. 97

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