Der Rosenkranz ist eine Quelle der Gnade

Ein wunderschönes eingerahmtes Bild der Muttergottes Maria sowie ein Rosenkranz mit einem goldenen Kruzifix

Die Quelle der Gnaden, des Trostes und des Glückes

Der Rosenkranz  – eine Quelle der Gnade

Er ist und bleibt die zudringlichste Bittschrift, die man an das erbarmungsreiche Herz Jesu und das mitleidsvolle Herz Mariä richten kann; diese Bittschrift aber vermag weder jenes, noch dieses unerhört abzuweisen. Liegt also irgendwo ein alter verstockter Sünder am Sterben, so ist es, statt zu meinen, an ihm sei Hopfen und Malz verloren, viel ratsamer, erst noch das Geheimmittel des seligen P. Hofbauer anzuwenden und vorher noch einen Rosenkranz zu beten, ehe man ihn aufgibt und an seiner Bekehrung zweifelt. Der Rosenkranz ist eine Quelle der Gnaden; eine der ersten Gnaden aber, die ihm entquellen, ist die Bekehrung. Sünder aber, hart gesottene, verstockte Sünder gibt es jetzt überall, und zwar im Überfluss; man meint, es sei die Zeit zurück gekehrt, von welcher der König David klagt: „Vom Himmel herab schaut der Herr auf die Menschenkinder, um zu sehen, ob einer Verstand habe und nach Gott frage. Aber alle sind abgewichen, alle sind nichtsnutzig geworden, keiner ist, der Gutes tue, auch nicht einer!“ Am schwersten aber sind jene zu bekehren, denen der Pharisäer im Tempel zu den Augen heraus schaut, die sich für gerecht halten und es nicht sind. Soll also an allen diesen nicht Hopfen und Malz verloren sein, so heißt es für sie tüchtig den Rosenkranz beten und im Rosenkranz ihre verzweifelte Sache an Maria zu bringen.

Vor einigen Jahren starb in einer Stadt am Rhein ein hoch betagter Mann, der seine letzten Jahre nur mit Beten und guten Werken hinbrachte. Das war aber nicht immer so Brauch in seinem Leben. Sein großes Vermögen und die Weltlust führten ihn nach dem Tode seiner Eltern vom rechten Wege ab – die Lasterstraße hinunter. Daher ist er am Ende so verkommen, daß er an Selbstmord dachte. Gott hatte ihm aber eine fromme, mitleidige Schwester gegeben, welcher die Verirrung ihres Bruders unsäglich zu Herzen ging. Sie betete täglich einen Rosenkranz für den unglücklichen Bruder, und betete ihn fünfzehn Jahre lang, ohne einen Erfolg zu erzielen. Soll denn aber dieses lange, beharrliche Gebet umsonst gewesen sein? Sie kann es nicht glauben: „Es ist unmöglich, es kann nicht sein, Maria kann ihn nicht verlassen“. Wie erstaunte sie also, als sie eines Morgens zur Kirche kam und – ihren Bruder darin fand, tief erschüttert und weinend! Was war es aber, das ihn nach so langer Zeit wieder einmal in die Kirche geführt? – Er hatte sich auf den Weg gemacht, um endlich seinen unseligen Entschluss, sich das Leben zu nehmen, auszuführen, er war in der Morgendämmerung zur Brücke gegangen, um sich ins Wasser zu stürzen. Da stieß er mit dem Fuß an etwas und verspürte sogleich eine unwiderstehliche Macht, sich zu bücken und dasselbe aufzuheben. Was war es? – ein Rosenkranz, den jemand auf der Brücke verloren hatte. Kein Wunder also, daß er diesen Rosenkranz mit gar seltsamen Gedanken betrachtete; in seiner Seele wurde auf einmal alles lebendig, seine Kindheit, seine Jugendzeit, das Bild seiner Eltern, die Vorsätze seines Weißen Sonntags, sein abgestorbener Glaube, alles wurde lebendig; auch der vergessene Erlöser und seine barmherzige Mutter Maria; es trieb ihn von der Brück fort und trieb ihn geradewegs zur Kirche, um wieder einmal zu beten. Das war doch aber mehr als ein bloßer Zufall, das war der Segen des schwesterlichen Gebetes, das war der Rosenkranz. Daher rief sie beim Anblick ihres reumütigen Bruders aus:

Nein, o Mutter, weit und breit
Schallt` saus deiner Kinder Mitte,
Daß Maria eine Bitte
Nicht gewährt, ist unerhört,
Unerhört in Ewigkeit!

Heutzutage gibt es ja aber eine ganze Menge Gott vergessener Brüder, die im Strudel der Weltlust zu versinken drohen, voll Ekel am Leben, zu der Melodie sich bekennend:

Vorbei sind die Lebensjahre
Und alles rollte vorbei,
Das Geld und die Welt und die Zeiten,
Und Glaube und Hoffnung und Treu!

Wohl also jenen, denen Gott eine fromme, mitleidige Schwester gegeben, die für sie – den Rosenkranz betet! Dann ist noch nicht alles verloren: der Rosenkranz bewirkt die Bekehrung…

Kein Wunsch aber liegt den Menschen so sehr am Herzen als der, daß alles, was sie unternehmen, ihnen gelingen, zum Glück und Segen ausschlagen möge, vorab das Sterben. Es ist ja auch eine gar bittere Sache, sich selbst ein Grabschrift setzen zu müssen, wie sie sich der Kaiser Joseph II. von Österreich gesetzt: „Hier ruht einer, der mit all seinen Unternehmungen Unglück gehabt.“ Jener also, den der lobenswerte Ehrgeiz treibt, ein „rechter Mann“ zu werden, und jener, der darauf aus ist, alles im Leben und Sterben gut zu machen, so daß man sagen kann: es ist gelungen, soll nur fleißig der Gottesmutter zu Ehren den Rosenkranz beten…

Zu Münnerstadt im Frankenlande hängt in der Pfarrkirche neben dem Muttergottes-Altar ein herrliches Marienbild mit dem Jesuskind; daneben sind Gedenktafeln angebracht und in deren Mitte zwei Kanonenkugeln; die Gedenktafeln sind mit Liederversen zu Ehren der Gottesmutter beschrieben. Das ist alles zum dankbaren Andenken an die wunderbare Rettung des Städtchens im 30jährigen Krieg. Eines Tages kam da der Generalmajor von Rosen heran gezogen, um das mit doppelter Mauer umbaute, mit Türmen, Zinnen und Schießscharten wohl versehene Städtchen, das noch ganz katholisch war, vom nahen Karlsberg aus zu beschießen und zur Übergabe zu zwingen. Da gab`s aber für die Einwohner schwere Not; einen ganzen Tag lang regnete es lauter Kanonenkugeln. Was also tun? Schon gar lange bestand in Münnerstadt eine Bruderschaft, „Zum heiligen Rosenkranz“ genannt; die machte sich in einem Bittgang auf den Weg zu ihrer Schutzpatronin und Helferin in den Nöten, um ihr das Städtlein und seine Bedrängnis ans Herz zu legen. Was war das ein andächtiger Rosenkranz, den diese Bruderschaft dazumal unter dem Krachen der Kanonen gebetet! Da erkannte es aber auch die liebe Mutter Gottes sofort, daß sie ihren Schutzbefohlenen helfen müsse. Denn man hätte ihr ja sonst vorwerfen können: „Wozu habe ich denn meine Freunde, wenn sie mir in der Not nicht helfen wollen?“ oder vielmehr so: „Wozu verehren wir denn Maria als unsere Mutter, wenn sie an uns nicht Mutterpflicht und Mutterliebe üben will?“ Daher erschien sie auf einmal sichtbar über den Mauerzinnen in himmlischem Lichtglanz, in weißem Gewande, umhüllt von himmelblauem Mantel, und sogleich verstummte der Donner der Kanonen, die Soldatenhaufen, die bereits mit Sturmleitern und Pechkränzen anrückten, begannen zurück zu weichen und, wie von geheimnisvoller Gewalt gezwungen, abzuziehen, so daß am andern Tag „meilenweit und meilenbreit rund um Münnerstadt herum“ kein feindlicher Soldat mehr zu sehen und zu hören war. Da gab es aber gar großen Jubel in dem Städtlein, das so plötzlich und unerwartet leicht abkam von seiner Not. Kein Wunder also, daß die Bürger ein Dankfest angeordnet, mit der Bestimmung, daß es für ewige Zeiten gelte und mit feierlichem Bittgang und dem Rosenkranz abgehalten werde. Die Bruderschaft „Zum heiligen Rosenkranz“ aber ließ das Bild der Gottesmutter, wie es segnend über den Mauerzinnen geschaut wurde, in ihr Siegel aufnehmen und siegelt heute noch damit alle Aufnahmescheine. Kein Wunder auch, daß Maria im Frankenlande so hoch verehrt und geliebt wird, wie es aus folgendem Volkslied hervor geht:

O himmlische Frau Königin,
Du aller Welt Beschützerin,
Du Herzogin in Franken bist,
Das Herzogtum dein Eigen ist.
Darum, o Mutter, deine Hand
Halt` über uns im Frankenland!

Maria, dich liebt Franken sehr,
Wo tut ein Land desgleichen mehr?
In Franken an so manchem haus
Sieht ein Mariä-Bild heraus;
Darum, o Mutter, deine Hand
Halt` über uns im Frankenland!

Auf deinen Gruß gibt Franken acht,
Zu Früh, zu Mittag und zu Nacht,
Den Rosenkranz, den haben all`
In Silber, Perlen und Korall;
Darum, o Mutter, deine Hand
Halt` über uns im Frankenland!

Die Bruderschaften ich nicht meld`,
Noch deine Bildstöck` in dem Feld,
Viel` kInder hier mit Herz und Mund
Dich grüßen schier all` Uhr und Stund.
Darum, o Mutter, deine Hand
Halt` über uns im Frankenland!

Das Menschenleben sieht ja aber gar manchmal aus wie ein langer dreißig, ja vierzig-, fünfzig- und sechzig-jähriger Krieg, worin ein feindlicher Generalmajor, eine Hauptleidenschaft, mit allerlei Kriegsvolk von schlechten Wünschen, bösen Begierden und gefährlichen Versuchungen, mit schlimmen Bundesgenossen und Hilfstruppen von Seiten der Augenlust und Fleischeslust und Hoffart des Lebens – an unser schlecht befestigtes, schwaches Herz heran rückt, um die Brandfackel der Begierlichkeit hinein zu schleudern und es zu erstürmen. Wohl also demjenigen, der während dieses das ganze Leben dauernden Krieges und dieser harten Belagerung für sich allein oder mit andern Christen im Bunde geistige Bittgänge zur Helferin in den Nöten, zu Maria, macht und im Rosenkranz-Gebet ihr seine Bedrängnis vor Augen stellt! Sie wird auch ihm zu Hilfe kommen, wie sie dem hart bedrängten Münnerstadt im 30-jährigen Kriege zu Hilfe kam, und er wird es alsbald erfahren, daß der Rosenkranz eine Quelle der Gnade, des Trostes und des Glückes sei.-
aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz, eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, I. Band, 1896, S. 70 – S. 81

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