Das Kreuz ist ein Wegweiser zum Himmel
Das Kreuz ist für den Christen ein Wegweiser zum Himmel. Das ist ja die Bedeutung des Wegweisers, den man an die Landstraße stellt, daß er dem Wanderer die rechte Richtung nach seinem Ziel anzeigt und ihn vor dem Irregehen bewahrt:
Denn Irregehen, o welch traurig Wort,
Wie angstvoll geht das Kind, das arme, dort,
Es sucht und sucht, und kennt sich nirgends aus,
Und weiß nicht heim zum lieben Vaterhaus!
Pilger sind wir ja aber alle auf Erden, Pilger, noch so weit von dem herrn, peregrinamur a Domino, und unser Reiseziel ist der Himmel. Darum gilt uns das Wort des Propheten: „Steh auf und geh, denn hier ist keine Ruh` für dich!“
Wohin, o müder Wand`rer du!
Kehr` heim ins Vaterhaus!
Du findest nirgends deine Ruh`,
Läufst du die Welt auch aus,
Kehr` heim!
Kehr` heim mit deinem Heimweh-Schmerz
In Gottes Friedensschoß,
und häng` nicht an die Welt dein Herz,
Sonst bleibst du heimatlos!
Kehr` heim!
Welches ist denn aber der Wegweiser, der uns die rechte Richtung zu unserm Ziele gibt? – es ist das Kreuz, dieses leibhaftige Sursum corda, stell` himmelwärts dein Herz! Daher ist es eine gar passende Inschrift, die man an diesen Wegweiser zu setzen pflegt: „Pilger, rette deine Seele!“ Sie ist geeignet, gar manchen verlorenen Sohn zur Einkehr und Umkehr und Heimkehr zu bewegen!
Das Kreuz gewährt dem Christen die Bürgschaft eines guten Todes. Bayard, der „Ritter ohne Furcht und Tadel“, wurde beim Rückzug von Mailand, in der Schlacht an der Sesia (1524), von einer Kugel tödlich getroffen. Er sank vom Pferd mit den Worten: „Herr Jesus, ich sterbe!“ Sein Knappe musste ihn an einen Baum anlehnen, aber so, daß er das Gesicht dem Feind zukehrte. Nun verlangte er einen Priester zum Beichten, aber es war keiner zu finden; er verlangte ein Kruzifix, aber es war keines zu haben. Wie also dem sterbenden Ritter seinen letzten Wunsch erfüllen? In diesem Augenblick erinnerte er sich, daß der Knauf seines Schwertes die Gestalt eines Kreuzes habe. Daher befahl er seinem Knappen, sein schert vor ihm in den Boden zu stechen, damit es wie ein Kreuz vor ihm stehe. Und nun stand er da, an den Baum angelehnt, das Gesicht dem Feind zugekehrt, die Augen auf das Kreuz gerichtet, die Hände zum Gebet gefaltet, drei Stunden lang, bis er seinen Geist aufgab. So starb also der „Ritter ohne Furcht und Tadel“. Das ist aber gerade die schönste und beste Stellung, in welcher der Christ sterben soll: die Augen gläubig auf das Kreuz gerichtet, das Gesicht mutig dem Tode zugekehrt, die Hände demütig zum Gebet gefaltet. – Der Kaiser Vespasianus ließ sich in der Todesstunde ankleiden und aufrecht stellen, denn, sagte er, ein Kaiser müsse stehend sterben. Das ist aber noch nicht einmal ausgemacht, ob es Pflicht für einen Kaiser sei, stehend zu sterben: wohl aber ist es sicher, daß ein Christ treu und standhaft im Glauben an Christus sterbe. Wohl also demjenigen, der in seiner Sterbestunde hiervon eine sichere Probe zu geben vermag! Diese bietet aber derjenige, der mit dem Kreuz in der Hand, mit dem kreuz vor den Augen stirbt. Möge darum jeder im Leben sich so zum Kreuz stellen, daß im Sterben ihm die Worte aus der Seele gesprochen sind:
Wenn in der Krankheit Fiebergluten
Auf meinem Bett ich stöhnend lieg`,
Und zähle leidend Stund` um Stunde,
So ungeduldig, krank und siech,
Da blick` ich auf zu jenem Dulder,
Der so viel mehr noch litt als ich,
Und spüre Trost in dem Gedanken:
„Dein Heiland sieht vom Kreuz auf dich!“
… und Wahrzeichen der künftigen Auferstehung
Das Kreuz ist dem Christen das Unterpfand, das Wahrzeichen der künftigen Auferstehung. Was wäre da vieles und schönes zu sagen vom Kreuz auf dem Kirchhof, vom Kreuz auf den Gräbern! Der Gärtner setzt auf jedes Gartenbeet einen Pfahl mit dem Namen der Samenkörner oder Blumenzwiebeln, die sich darin befinden. Das Kreuz auf dem Kirchhof und den Gräbern ist der Pfahl, der da jedem anzeigt, welche Saatkörner in diesem Beet sich befinden: katholische Christen, „gesät in Verweslichkeit, um einstens aufzugrünen in Unverweslichkeit und Herrlichkeit“. – In dem alten Kirchhof zu Augsburg steht auf dem Grab der Jesuiten als Denkmal ein einfaches Kreuz mit zwei Worten: „Vivit, er lebt; resurrecturis, denen, die auferstehen werden, gewidmet“. Das ist zwar eine kurze, aber inhaltsschwere Grabschrift, wie sie nicht schöner und trostreicher auf einem Kirchhof über den Gräbern der Toten stehen kann: Vivit, er lebt, und durch dieses sein Leben, durch seine Auferstehung hat er seine Lehre bestätigt, seine Sendung beglaubigt, seine Wunderwerke besiegelt. Vivit, er lebt, und durch dieses sein Leben hat er sich als wahren Gott bewährt, als den Erlöser der Welt bezeugt, als den Richter der Lebendigen und Toten, als den Seligmacher der Gerechten schon im voraus ausgewiesen. Vivit, er lebt, und zwar als Sieger durch seine Allmacht, als König durch seine Weisheit, als Herrscher durch seine Barmherzigkeit. Vivit, er lebt und belebt, er macht lebendig die geistig Toten und die leiblich Toten; die geistig Toten durch die belebende Kraft seines Blutes, seiner Gnade, seiner Sakramente, die leiblich Toten durch das Wort seiner Allmacht, welches das große Leichenfeld der Erde, diesen ungeheuren Kirchhof, wie Posaunenschall dereinst durchdröhnt, die dürren Gebeine anbläst, zusammen fügt, mit Haut überzieht und Geist und Leben in sie sendet:
Er lebt und will uns Leben sein
Zum innern auferstehungsfest,
Er lebt und wird uns Leben sein
Am großen Weltverjüngungsfest.
Was aber dieses eine inhaltsschwere Wort für Trost und Zuversicht dem gläubigen Christen gewährt, das ersehen wir aus dem herrlichen Ausspruch, womit der große Dulder Job in seinem schweren Leiden seine Hoffnung auf die eigene Auferstehung ausgesprochen: „Wer gibt mir, daß meine Worte aufgezeichnet werden in ein Buch mit eisernem Griffel, und auf ein Täflein von Blei, oder eingehauen werden in einen Fels mit dem Meißel: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt: auch ich werde auferstehen. … Diese Hoffnung ruht in meinem Busen.“ Darum steht kein Denkmal mit solchem Recht und solcher Bedeutung auf dem Kirchhof, auf den Gräbern der Toten, als das Kreuz; denn das Kreuz allein mit seiner lebendig machenden Kraft gestattet uns, auf den Grabstein zu schreiben: Resurrecturis, denen gewidmet, die auferstehen werden; ohne das Kreuz müsste man sagen: Mortuis, denen, die im Tode bleiben: denn ohne das Kreuz keine Auferstehung, kein ewiges Leben. –
aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz, eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, I. Band, 1896, S. 101 -S. 105
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