Heiligenkalender
25. Dezember
Das hochheilige Weihnachtsfest – Freude der ganzen Christenheit
Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen, die eines guten Willens sind“; denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns Wohnung genommen.“ Unendlich ist die Freude der ganzen Christenheit über diese frohe Botschaft jenes gnadenreichen Ereignisses, das sich in der Nacht des 25. Dezembers vollzog, glänzender strahlend als der herrlichste Tag; denn es ist ja jenes Ereignis, dem die Welt viertausend Jahre lang mit heißer Sehnsucht entgegen harrte, und auf dessen Feier die Kirche ihre Kinder durch die vier Adventwochen der bangen Erwartung vorbereitet. Dieses Ereignis ist ein großes Geheimnis, undurchdringlich für die Vernunft, aber süß und milde dem Herzen des Gläubigen; es steht da als die Erfüllung der göttlichen Erbarmungen in der Zeit, als der Gegenstand der Anbetung und Bewunderung in der Ewigkeit und zugleich als die Quelle und das Mittel des ewigen, vollendeten Glückes.
Schon die Wahl des 25. Dezembers für dieses Fest ist von hoher Bedeutung, welche sich in ausdrucksvollster Weise an den Lauf des wohltätigsten Himmelsgestirns, der Sonne, knüpft. Denn wie die Sonne, welche durch ihr Licht und ihre Wärme das Leben der Erde erzeugt und erhält, am 25. Dezember am tiefsten steht, wo sie der allgemeinen Finsternis zu erliegen scheint, aber neues Licht empfängt, um die Finsternis zu besiegen: so ist Jesus Christus „das Licht der Welt“, gerade zu der Zeit geboren worden, wo die Nacht des Götzendienstes die Erde am tiefsten verfinsterte, und hat durch seine Wahrheit und Gnade ein Feuer angezündet, um diese Nacht des Geistes aufzuhellen.
So drückt sich der hl. Gregor von Nyssa aus: „An diesem Tage, welchen der Herr gewählt hat, beginnt die Abnahme der Finsternis, das Licht wächst, und die Nacht wird in ihre Grenzen zurück gedrängt. Gewiß, meine Brüder, ist dies nicht ein bloßer Zufall, auch nicht eine Äußerung fremder Willkür, daß an diesem Tage gerade Derjenige erglänzt, der das göttliche Leben der Menschheit ist: es ist die Natur, welche unter diesem Zeichen denen ein Heilmittel offenbart, deren Auge geschärft ist, und die fähig sind, diesen, die Ankunft des Herrn begleitenden Umstand zu würdigen. Es ist mir, als ob die Natur zu mir spräche. „O Mensch, wisse, daß in all` den Dingen, die du siehst, tiefe Geheimnisse dir geoffenbart werden! Die Nacht – du hast es gesehen – wurde länger und länger; plötzlich scheint eine höhere Hand ihr Halt zu gebieten. Denke an die verhängnisvolle Nacht der Sünde, welche durch alle erdenklichen Missetaten auf ihrem Gipfel angelangt zu sein schien. Heute ist ihre Laufbahn durchkreuzt worden; von diesem Tage an beginnt ihre Niederlage, und bald wird sie vertilgt sein. Betrachte wohl die immer helleren Strahlen der Sonne, die immer höher am Himmel sich erhebt; zugleich siehe, wie das wahre Licht des Evangeliums seine strahlen immer weiter über den Erdkreis ausdehnt.“
Nicht minder bedeutungsvoll ist die Wahl des Ortes, wo Jesus Christus geboren wurde, ein Geheimnis der göttlichen Vorherbestimmung. Aus Bethlehem sollte der Herrscher in Israel hervor gehen, so hatte der Prophet Michäas vorher gesagt, und so haben es die jüdischen Hohenpriester dem Herodes angezeigt. Der Grund, warum gerade diese unbedeutende Stadt David`s jeder andern vorgezogen wurde, liegt in ihrem Namen; Bethlehem bedeutet „Haus des Brotes“. Darum hat das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist, diese Stätte ausgewählt um sich darin zu offenbaren. Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen und sind gestorben; Jesus Christus aber bietet dem Menschen sein Fleisch zum Genuß dar, welches wahrhaft eine speise zum ewigen Leben ist. Die unvergleichliche Jungfrau Maria ist die Arche des Neuen Bundes, welche den Menschen das Brot der Engel darreicht, eine speise, welche den Menschen in Gott verwandelt; denn „Wer mein Fleisch ißt, der bleibt in Mir und Ich in ihm“, sagt Jesus (Joh. 6) Im heiligen Weihnachtsfest naht sich uns Jesus, um bei uns einzutreten, wenn wir Ihn aufnehmen wollen; Er verlangt danach, sich mit Jedem von uns zu vereinigen, wie Er sich mit der menschlichen Natur im Allgemeinen vereinigt hat; Er macht sich zu unserm Brot, damit wir Ihn essen und so nicht mehr selbst in uns leben, sondern Er in uns. Und damit dieses Geheimnis sich ganz sanft und unvermerkt in uns vollziehe, so nähert Er sich in der Gestalt eines gar liebenswürdigen Kindes, um, wenn Er erst einmal von unserm Herzen Besitz genommen hat, darin zu wachsen und zuzunehmen an Alter und Weisheit vor Gott und den Menschen. Hat Er mit seiner Gnade und mit der Speise seiner Liebe uns in sich Selbst verwandelt, so sind wir Eins mit Ihm, dem Sohn des himmlischen Vaters, und werden ebenfalls Söhne desselben Vaters, so daß wir mit dem Liebesjünger Johannes jubeln und frohlocken können: „Seht, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat, daß wir Gotteskinder heißen und sind!“ (1. Joh. 3)
Dieses süße Geheimnis der heiligen Weihnacht stellt uns die Kirche im Evangelium der dritten Messe vor mit den Worten des heiligen Johannes: „Allen aber, die Ihn aufnahmen, hat Er Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden; denen nämlich, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus dem Geblüt, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (Joh. 1) Alle Jene also, welche ihre Seelen gereinigt, welche sich vom Joch des Geblütes und des Fleisches befreit, welche auf Alles verzichtet haben, was sie an den sündigen Menschen knüpft, und welche dann ihr Herz dem fleischgewordenen Worte öffnen: sie alle werden mit Jesus Christus geboren; sie werden aus Gott geboren, sie beginnen ein neues Leben auf Erden, wie der Sohn Gottes selbst in diesem Geheimnis. Aber wer könnte würdig das Geheimnis des Jesuskindes in den Seelen und der kindlichen Seelen in Jesu erzählen?
Der heilige Papst Leo der Große hat es versucht in einer Predigt auf das heutige Fest; er sagt: „Allerdings hat diese Kindheit, deren sich die Majestät des Sohnes Gottes nicht entziehen wollte, nach und nach dem Alter des vollendeten Mannes Platz gemacht und nebst dem Triumph des Leidens und der Wiederauferstehung hat sie so die Reihe der Akte der Demut vollendet, welche das ewige Wort des Vaters aus Liebe zu uns auf sich genommen hatte. Aber die gegenwärtige Festfeier erneuert für uns die Geburt Jesu Christi aus der Jungfrau Maria und, indem wir vor diesem göttlichen Geheimnisse anbetend uns neigen, tritt vor unsere Seele noch der Gedanke, daß es auch unser eigenes Geburtsfest ist, das wir feiern; denn in Wahrheit, die Geburt des Hauptes ist immer auch die Geburt des Körpers. Ohne Zweifel hat Jeder der Berufenen in dem himmlischen Reich seine eigene Stelle und die Kinder der Kirche sind schon durch die Aufeinanderfolge der Zeiten von einander getrennt; nichts desto weniger bildet die Gesamtheit der Gläubigen nur ein einziges Ganze, das aus dem Taufwasser, hervor gegangen, im Leiden mit Christus gekreuzigt worden ist, auferstanden in seiner Auferstehung und nach seiner Himmelfahrt den ihm verheißenen Platz zur Rechten des Vaters eingenommen hat, und gerade so ist diese Gemeinschaft auch mit Christus geboren worden. Jeder Mensch, mager in der Welt der Gläubigen wohnen, wo er will, ist in Christus erneuert. Seine Abstammung ist ganz durchschnitten: er ist als ein neuer Mensch wieder geboren und ist nicht mehr der Sohn seines natürlichen Vaters, sondern derselben Natur wie sein Erlöser, welcher deshalb der Menschensohn geworden ist, damit wir Gottessöhne werden können.“
Die Kirche bringt in diesen heiligen Tagen dem göttlichen Kind den Tribut ihrer demütigen Anbetung. Die Ergüsse ihrer unaussprechlichen Freude, die Huldigung ihrer grenzenlosen Dankbarkeit und die Zärtlichkeit ihrer unvergleichlichen Liebe dar; und nur mit diesem vierfachen Gefühl dürfen wir dem in der Krippe liegenden Emmanuel uns nahen.
Anbetung ist unsere erste Pflicht gegen Gott; aber in dem Geheimnisse der Geburt unseres Herrn trägt Alles dazu bei, diese Pflicht noch mehr zu heiligen. Im Himmel verhüllen die Engel das Angesicht und bekennen ihr Nichts vor dem Throne des Allerhöchsten; aber was sollen wir tun – wir Sünder, da Gott selbst sich uns zeigt, demütig und erniedrigt um unseretwillen? Gewiß, wir dürfen uns nimmer dem göttlichen Kinde nahen, ohne Ihm den Weihrauch herzlicher Anbetung, das Bekenntnis unseres Nichts und demütige Huldigung darzubringen. Das Beispiel und die Vermittlung der allerseligsten Jungfrau hilft uns mächtig in Erfüllung dieser Pflicht; denn Maria war demütig vor Gott, bevor sie Dessen Mutter geworden; und als sie es geworden, war sie noch demütiger vor Gott und ihrem Sohne. Wir sind tausendfach begnadigte Sünder: wie sollten wir nicht an die teure Mutter uns anschmiegen und mit ihr in möglichster Verdemütigung Den anbeten, der aus solcher höhe zu unserer Niedrigkeit herab gestiegen ist!
Freude, übersüße Freude atmet das Geburtsfest unseres Herrn, und die Gott gebührende Anbetung in Demut verträgt sich in bewunderungswürdiger Weise mit der Freude, wozu der erhabene Gesang der Engel „Ehre sei Gott in der Höhe“ uns einladet. Ahmen wir nach die Freude der Hirten, welche in aller Eile und vor Freude zitternd nach Bethlehem kamen: ahmen wir nach die Freude der Weisen aus dem Morgenlande, als sie beim Herausgehen aus Jerusalem auf`s neue den wunderbaren Stern und Wegweiser vor sich sahen. Es ist heute keine Zeit zu trauern oder Tränen zu vergießen, denn „ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, auf dessen Schultern Herrschaft ruht, und sein Name heißt: Wunderbarer, Ratgeber, Gott, starker Held, Vater der Zukunft, Friedensfürst.“ (Is. 9) Der lange Erwartete ist gekommen, um unter uns zu wohnen. Bald genug wird der Tag kommen, wo das holde Kind von heute, zum Manne geworden, der Mann der Schmerzen sein wird; dann werden wir mit Ihm trauern und leiden. Heute aber wollen wir uns freuen seiner Ankunft, heute wollen wir genießen die Anmut seiner Liebkosungen und einstimmen in die Loblieder, welche die himmlischen Heerscharen, um seine Krippe gereiht, Ihm singen.
Mit dieser süßesten aller Freuden vereinigt sich wie von selbst das lebhafte Gefühl des Dankes gegen das Jesuskind, das sich weder durch unsere Unwürdigkeit, noch durch die Erhabenheit seiner Majestät abhalten ließ, eine Mutter unter den Töchtern der Menschen und eine Krippe in einem Stall zu wählen: so sehr glühte sein Herz, das Werk unseres Heiles zu vollbringen, daß Er Alles von sich entfernt hielt, was uns Furcht oder Scheu gegen Ihn einflößen könnte, daß Er vielmehr durch sein eigenes Beispiel der tiefsten Erniedrigung uns den Weg der Demut zeigte, den wir wandeln müssen, um in den Himmel einzugehen, dessen Pforte uns der Hochmut verschlossen hat. Empfangen wir daher mit gerührtem dankbarem Herzen die köstliche Gabe des göttlichen Kindes, das uns erlösen und beseligen wird; in Ihm ist uns Alles geschenkt. (Röm. 8) O unschätzbares Geschenk! Was für einen Entgelt können wir anbieten, der sich mit dieser Wohltat auch nur vergleichen ließe, da wir in der Tiefe unseres Elendes nicht einmal im Stande sind, den Wert derselben zu würdigen.
Aber wenn unser Dank so ganz nicht im Verhältnis steht zu der uns erwiesenen Wohltat, wer soll denn die Schuld einlösen? Die Liebe allein kann es; denn sie, obwohl endlich, wird nicht gemessen und kann immer wachsen. Wer vermag vor der Krippe in Anbetung, Lobpreisung und Danksagung zu knien, ohne ganz von Liebe durchdrungen zu werden. Welche Seele vermag noch der Liebe zu widerstehen, wenn sie mit den Waffen der Schwäche, der Niedrigkeit, der Kindheit angegriffen wird? Die Hirten boten Ihm an, was ihre Armut zu geben vermochte; die Weisen brachten Ihm reiche Geschenke. Die Einen wie die Anderen lehren uns, daß Niemand vor dem Angesicht des göttlichen Kindes erscheinen darf, ohne eine Seiner würdige Gabe mitzubringen: aber beachten wir es wohl, Es verschmäht jede andere Gabe, als diejenige, die zu suchen und zu gewinnen Es gekommen ist – die Liebe. Die Liebe hat Jesus gewogen, vom Himmel herab zu steigen, die Liebe ist sein einziges Verlangen, säumen wir nicht, mit unserer Liebe Ihn zu erfreuen! – Ja mit Anbetung, Freude, Dank und Liebe wollen wir Weihnachten feiern im Hause des Brotes. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 960 – S. 963