Aaron als Mittler und Vorbild Christi im Alten Testament
Um indes solchen unheilvollen Empörungen durch den augenscheinlichsten Erweis der göttlichen Berufung Aarons für immer vorzubeugen, sprach der Herr zu Moses: „Nimm von jedem Anführer der zwölf Stämme einen Stab und schreibe seinen Namen darauf; der Name Aarons aber soll auf dem Stab des Stammes Levi sein. Lege dann sämtliche Stäbe in das heilige Zelt. Welchen von den Anführern ich zum Priestertum erwählt habe, dessen Stab wird grünen.“ Moses tat so, wie der Herr geboten hatte. Als er des andern Tages in das heilige Zelt hinein ging, fand er, daß der Stab Aarons ausgeschlagen und Sprossen, Blüten und Mandeln (1) hervor gebracht hatte. Er trug darauf alle Stäbe vor ganz Israel heraus, und ein jeder der Anführer besah und benahm seinen Stab. Der Herr sagte dann zu Moses:
„Trage den Stab Aarons wieder in das heilige Zelt, damit er da aufbewahrt werde zum Zeichen gegen die widerspenstigen Söhne Israels, und ihre Klagen vor mir verstummen!“ Moses tat es. Das Volk aber war durch das neue Wunder so ergriffen und erschreckt, daß es zu Moses sprach: „Siehe, wir vergehen, wir kommen all um! Wer immer dem Zelt des Herrn naht, wird sterben; sollen wir denn vollends alle vertilgt werden?“ (2)
Aaron, der, mit den Abzeichen seiner hohenpriesterlichen Würde geschmückt, durchs eine Fürbitte das israelitische Volk wieder mit Gott versöhnte, war ein Vorbild Christi, des wahren und ewigen Hohenpriesters, den der hl. Johannes (3) mit einem langen Kleid angetan, die Brust mit einem goldenen Gürtel umgürtet, das Haupt in göttlicher Herrlichkeit strahlend und in der Rechten ein goldenes Rauchfass haltend schaute; der die göttliche und menschliche Natur in sich vereinigend als Erlöser aller Völker die ganze Welt vertrat und fortwährend durchs eine Fürsprache mit Gott versöhnt: „Wenn jemand gesündigt hat, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus den Gerechten, und dieser ist die Versöhnung für unsere Sünden, doch nicht allein für die unsrigen, sondern für die Sünden der ganzen Welt.“ (4)
Im Stab Aarons, der zuvor dürr war, plötzlich aber grünte und Früchte trug und nachher beständig im Allerheiligsten aufbewahrt wurde, erblicken die heiligen Väter ein Vorbild des Kreuzes, das, zuvor ein dürres Holz, in Christus, der sich an demselben anheften ließ, eine göttliche Frucht trug und zugleich die Blüten und Früchte der göttlichen Gnade und jeder Tugend in unendlicher Fülle und Schönheit hervor brachte, wie die Kirche so schön in dem Kreuzhymnus Pange lingua gloriosi lauream etc. singt:
„Teures Kreuz, an Ehr` und Würde * Ist kein Baum des Walds dir gleich;
Laub- und Blüt- und Samen Zierde * Trägt kein Baum, wie du, so reich.
Welche süße, teure Bürde * Holz und Eisen, hängt an euch!“
So ist auch das Kreuz das Symbol des ewigen Hohenpriestertums Christi geworden (5), sein Hirtenstab, mit dem er die Seinigen bis ans Ende der Zeiten leitet. (6)
Endlich betrachtet der hl. Augustin Aarons Stab als ein Vorbild Mariä, der jungfräulichen, mit ihrem göttlichen Sohn innigst verbundenen Mutter Gottes, an der sich erfüllte: „Ein Reis wird hervor kommen aus der Wurzel Jesses, und eine Blume wird aufgehen aus seiner Wurzel.“ (Is. 11, 1)
Anmerkungen:
(1) Es waren sonach Stäbe vom Mandelbaum. In dem Wunder lag zugleich eine sinnbildliche Beziehung auf das Hohepriestertum Aarons, um anzudeuten, daß sein Ursprung und Zweck nicht der Natur angehöre, sondern übernatürlich sei und für ein übernatürliches Leben zu wirken und Früchte zu bringen habe. Der Mandelbaum (hebr. Schakéd, der Wache, weil er zuerst, schon im Januar blüht) deutet auf den Eifer und die Wachsamkeit, womit die Priester Gottes ihres Amtes walten müssen.
(2) Es war dies eine Bitte an Moses, für sie zu beten, daß nicht eine neue Plage sie treffe.
(3) Offb. 1, 13ff; 8, 3.
(4) 1. Joh. 2, 1f.
(5) Hebr. 9, 12.
(6) Mt. 28, 20. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 541 – S. 543