Gnadenorte der hohen Himmelskönigin
Unsere Liebe Frau von Altötting in Niederbayern
Nicht weit vom Inn, in einer der schönsten und fruchtbarsten Gegenden von Niederbayern (*), liegt der niedliche Marktflecken Altötting. – Dahin wallen jährlich mehr als hunderttausend fromme Pilger, um in der heiligen Kapelle U. L. Frau zu beten, zu danken und ihre Gelübde zu lösen. Eine uralte Sage berichtet, daß die Kapelle vorher ein heidnischer Tempel gewesen, den sieben Planeten gewidmet. Soviel ist gewiß, daß der heilige Rupert, welcher um das Jahr 698 n. Chr. Den Herzog Theodo II. mit seinen Verwandten und Kindern in Regensburg getauft, die Kapelle geweiht und dort das berühmte Gnadenbild U. L. Frau, welches er mitgebracht, zur Verehrung aufgestellt habe. (aus: Georg Ott, Marianum Bd. 1)
(*) nun Regierungsbezirk Oberbayern
Das Gnadenbild
Dieses Bild ist aus Holz gearbeitet, 2 Fuß 3 Zoll hoch und mit Farben bemalt. Das Kleid ist rot mit einem vergoldeten Saum, der Mantel, welcher über der Brust mit einer Spange zusammen gehalten wird, weiß, der Kopf mit einem roten Fürstenhut bedeckt. Auf dem rechten Arm hält sie das Jesuskind, in der linken Hand einen goldenen Zepter, aus dessen Spitze eine Lilie, das Sinnbild der Jungfräulichkeit, hervor sproßt. Das Jesuskind ist gleichfalls mit einem roten Kleidchen angetan und hält in der rechten Hand eine blaue Kugel, das Sinnbild der Weltherrschaft, die linke Hand erhebt es gegen das Angesicht der göttlichen Mutter, gleich als wollte es dazu auffordern, zu ihr um Hilfe zu flehen. Die Gesichtszüge des Gnadenbildes kann Niemand in der Nähe betrachten, ohne durch den himmlischen Sinn, der aus ihnen spricht, gerührt zu werden. Durch das hohe Alter und den Rauch der Wachskerzen und Lampen sind Gesicht und Hände mehr braun als fleischfarben. Da das Bild mit prachtvollen Gewändern bekleidet ist, so kann man nur Gesicht und Hände der eigentlichen Statue erblicken.
Das Gnadenbild steht auf einem silbernen Altar hinter einer Glastafel in einem gleichfalls silbernen Tabernakel, den der fromme Kurfürst Maximilian I. von Bayern im Jahre 1645 anfertigen ließ. Rings um denselben breitet sich ein aus Silber angefertigter Thronhimmel aus, welcher die allerheiligste Dreifaltigkeit darstellt, wie durch sie Maria als Königin gekrönt wird. Zu beiden Seiten des Tabernakels stehen zwei Engel mit Inschriften in den Händen. Neben dem Altar kniet auf der Epistelseite aus Silber abgefertigt, 41 Pfund schwer, auf einem silbernen Kissen der junge Erbprinz Maximilian Joseph, nachher Kurfürst Maximilian III. von Bayern. Da dieser als Kind scher erkrankt war und die Ärzte alle Hoffnung auf Genesung aufgaben, gelobte sein Vater, der Kurfürst Karl Albrecht, eine Statue von purem Silber, so schwer das sei, nach Altötting zu schenken, welches Gelübde er denn auch nach erfolgter Genesung erfüllte.
Die Gnadenkapelle
Vor dem Gnadenaltar, in der ursprünglichen alten Kapelle brennen beständig fünf Lampen, unter denen die mittlere kleine sehr kunstvoll gearbeitet, von Silber, vergoldet und mit Edelsteinen geziert, ein Geschenk des hochseligen Papstes Pius IX. ist. Diese Lampe wurde am Maria- Himmelfahrts-Fest 1854 durch den damaligen päpstlichen Nuntius von München, de Luca, überbracht und mit der größten Feierlichkeit aufgehängt. Vor dem Eingang in die innere Kapelle brennt gleichfalls eine Lampe. In der Kapelle sind die Herzen mehrerer hohen fürstlichen und königlichen Personen aufbewahrt. Auch wurde hier am 13. Juli 1864 das Herz des am 10. März desselben Jahres verstorbenen Königs Maximilian II. von Bayern zwischen den Herzen der Kurfürsten Max Joseph III. und Karl Theodor beigesetzt. Ferner verdient noch besonders erwähnt zu werden das hier beigesetzte Herz des berühmten Generals Graf von Tilly. Sein Leichnam wurde 1653 nach Altötting gebracht und in der Gruft der jetzigen Tillykapelle beigesetzt.
Ferner sind auf beiden Seiten der Kapelle an den Wänden in vier Glasschränken viele kostbare Weihgeschenke aufbewahrt, während die übrigen wertvolleren Opfergaben in einer besonderen Schatzkammer neben der Pfarrkirche sich befinden. Das geheimnisvolle Dunkel, welches in der Gnadenkapelle herrscht, macht auf den Eintretenden einen ergreifenden Eindruck. (*)
An diese Gnadenkapelle wurde sodann im Jahre 1464 von Sigmund, Graf zu Schratenbach, Erzbischof von Salzburg, zu dessen Diözese damals Altötting gehörte, ein Anbau mit einem Türmchen gemacht. Dieser Anbau ist 36 Fuß lang und 23 !/2 Fuß breit, hat 6 Fenster und 2 Eingänge. Um die ganze Kapelle herum befindet sich ein bedeckter Gang, dessen Wände mit unzähligen Votivtafeln behängt sind.
(*) Ja, es sind schon mehrere außerordentliche Beispiele vorgekommen, daß Sünder, die gerade nicht in frommer Absicht hierher kamen, beim Eintritt in die Kapelle und beim Anblick des Gnadenbildes auf geheimnisvolle Weise mächtig ergriffen und zur Buße und Bekehrung angetrieben wurden. (Ott, Marianum)
Flucht des Gnadenbildes
Aus den ersten Jahren nach der Entstehung der Kapelle ist über die Verehrung des Gnadenbildes urkundlich wenig bekannt. Gegen Ende des achten und zu Anfang des neunten Jahrhunderts unter den bayerischen Herzögen der Agilolfinger und den karolingischen Kaisern wurde dieselbe zuerst berühmt. Bayerische Chronisten erzählen, daß Kaiser Karl der Große 803 von Salzburg sich nach Ötting begeben und dort dem Vogelfang, der Jagd und der Fischerei obgelegen haben. Häufiger hielt sich sein Urenkel Karlmann, der älteste Sohn des Kaisers Ludwig des Deutschen, daselbst auf. Er ließ an der Stelle der jetzigen Pfarrkirche ein Benediktinerstift mit einer großen Stiftskirche zu Ehren der Mutter Gottes Maria und des hl. Apostels Philippus erbauen, welchem Stift er durch Urkunde vom 24. Februar 876 die heilige Kapelle, die Abtei Matsee und den Hof zu Buch nebst allen Einkünften schenkte. Dadurch ward dem dringenden Bedürfnis der immer mehr zunehmenden Wallfahrt genügt.
Als um das Jahr 892 die Ungarn zuerst in Deutschland einfielen, kamen sie 910 auch nach Ötting, wo sie den ganzen Ort, den kaiserlichen Palast, die Stiftskirche samt dem Kloster und alle übrigen Gebäude zerstörten. Merkwürdiger Weise blieb aber sowohl jetzt, als in den folgenden Jahren die Kapelle von den Brandschatzungen derselben verschont. Im Jahre 1228 ließ Herzog Ludwig I. von Bayern die zerstörte Stiftskirche zu Ehren Mariä und der hl. Apostel Philippus und Jakobus wieder aufbauen und errichtete ein Chorherrenstift für zwölf Priester, denen ein Dechant und ein Propst vorstand.
Die Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts übte ihren Einfluss auch auf diese Gegend Bayerns aus, weshalb Herzog Wilhelm V. 1591 von dem damaligen Ordensgeneral der Gesellschaft Jesu Claudius Aquaviva mehrere Priester dieser Gesellschaft begehrte, welche er sodann in Altötting einsetzte, damit sie dort und in der Umgegend, vorzüglich durch Missionen, am Seelenheil der Gläubigen arbeiteten.
Als im Jahre 1632 die schwedische Armee in Bayern verheerend einfiel, flüchtete man das Gnadenbild nebst dem Schatz in das feste Schloss Burghausen und von da auf Veranlassung der Gemahlin Maximilians I. nach Salzburg, von wo es jedoch am 25. November nach Altötting zurück gebracht wurde. Am 5. Juni 1648 musste es jedoch wieder nach Salzburg geflüchtet werden und wurde dort in der Kirche der Franziskaner auf dem Hochaltar zur Verehrung aufgestellt. Auch jetzt konnte es bereits am 22. Oktober desselben Jahres wieder zurück gebracht werden.
Die Verehrung
Nach Beendigung des 30jährigen Krieges nahm die Wallfahrt so zu, daß selbst die vermehrte Zahl der Jesuitenväter und die Priester des Kollegiatstiftes nicht genügten, die geistigen Bedürfnisse der Pilger zu befriedigen. Deshalb wurden 1653 auch die Franziskaner nach Altötting berufen, deren Zahl 1687 auf 26 angegeben wird. Maximilian Philipp, Maximilians I. zweiter Sohn kam 1653 mit seinem Bruder, dem Kurfürsten Ferdinand Maria, dessen Gemahlin und seiner Mutter und sodann mit letzterer wiederholt 1660 und 1664 nach Altötting. Die Gemahlin Maximilians Philipp, Mauritia Febronia de la Tour, Tochter des Herzogs von Bouillon wallfahrtete häufig dorthin. Im Jahre 1669 opferte sie einen ganzen Ornat von Silberzeug; 1679 zwei für die Bilder Mariä und des göttlichen Kindes eigenhändig mit Gold erhaben gestickte und mit vielen tausend Perlen besetzte Kleider, 1690 gemeinschaftlich mit ihrem Gemahl ein goldenes, gegossenes Doppelherz mit 16 großen geschnittenen und 10 kleineren Diamanten. Im Jahre 1694 kam diese Fürstin zweimal und im Jahre 1705 fast ohne alle Begleitung zu Fuß dahin. Sehr oft pilgerte der Kurfürst Maximilian Emanuel nach Altötting, 1680 und 1682 verrichtete er die Wallfahrt zu Fuß und 1690 sogar zweimal. Seine Geschenke zeichnen sich durch Wert und Geschmack aus, unter ihnen sein Bildnis von Silber, Krone und Zepter von Gold und mit vielen Diamanten geziert. Zur Dankbarkeit für den Beistand Maria`s in den ungarischen Feldzügen opferte er im Jahre 1691 vier goldene, eine Elle hohe Altarleuchter, wovon jeder in drei emaillierten Feldern gewonnene Schlachten und eroberte Festungen, dann seine und der kurfürstlichen Familienglieder Bildnisse darstellt. Ihr Wert ist auf 18000 Gulden angegeben.
Ein harter Schlag für die Wallfahrt war die Aufhebung der Gesellschaft Jesu im Jahre 1773 und sodann die im Jahre 1803 erfolgte Säkularisation aller bayerischen Klöster. Das Franziskaner-Kloster wurde den Kapuzinern als lebenslänglicher Zentral-Wohnsitz angewiesen, da sie aber keine neuen Mitglieder aufnehmen durften, so nahm ihre Zahl immer mehr ab, weshalb am 1 Mai 1827 das Institut der weltlichen Wallfahrts-Priester ins Leben trat, welche mit den Kapuzinern die Seelsorge für die Wallfahrer übernahmen. Dieses dauerte bis zum Jahre 1841, in welchem der Bischof Heinrich von Passau den Entschluss faßte, Priester aus der Kongregation des allerheiligsten Erlösers nach Altötting zu berufen. –
aus: Aegidius Müller, Das heilige Deutschland, Bd. 2, 1888, S. 97 – S. 98
Wallfahrer in Altötting
Es ist rührend zu sehen, wie oft um das heilige Pfingstfest auf allen Straßen, Wegen und Stegen zahllose Scharen von Wallfahrern mit Kreuz und Fahnen singend und betend daher ziehen, dann noch müde von der Reise und triefend von Schweiß und Regen, voll Zerknirschung und Andacht nieder fallen vor dem Gnadenbild und ihr Herz in rührendsten Gebeten und Anempfehlungen vor der Gnadenmutter ausgießen. Es ist ungemein erbaulich zu sehen, wie diese Pilger nach langen Gebeten die heilige Gnadenkapelle verlassen, nicht um eine Herberge zu suchen und ihre müden Glieder zu stärken, (denn viele wallen oft aus weiter Ferne nur bei Brot und Wasser nach Altötting), sondern in den Kirchen die Beichtstühle aufzusuchen und daselbst stundenlang des Augenblicks zu harren, wo sie ihre Beichten, die häufig Generalbeichten sind, mit großer Zerknirschung und Reue ablegen. Wessen Herz sollte nicht gerührt werden, der diese Wallfahrer sieht, wie sie, nachdem sie ihrer Andacht Genüge geleistet, draußen vor der heiligen Kapelle auf dem bloßen Boden kniend, ihre Bündel auf dem Rücken und denWanderstab in der Hand, voll der heiligsten Gefühle unter Tränen Abschied nehmen von der Gnadenmutter, aus deren heiligsten Mutterherz sie Trost, Rat, Ruhe, Stärke und Hilfe empfangen haben.-
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 110 – Sp. 112
Bildquellen
- altotting-352874_640: pixabay