Von der Verehrung des heiligsten Herzens Mariä
Wer Jesum liebt, der liebt auch Seine heilige Mutter, und wer die Mutter liebt, der liebt auch Jesum. Dies war der gewöhnliche Spruch der gottseligen Armella, mit welchem die Gesinnungen aller frommen Christen übereinstimmen; es ist also höchst billig, daß wir auch das herz Mariä der seligsten Jungfrau verehren; dieses heiligste Herz ist nach dem Herzen Jesu würdigste Gegenstand unserer Liebe; dieses Herz ist unschuldig, von aller Sünde rein, mit allen Tugenden geziert, und von göttlicher Liebe ganz entzündet; es ist das Herz unserer Mutter, die uns innigst liebt und sehnlichst verlangt, von uns geliebt zu werden und die auch alle unsere Anmutung und Liebe verdient. Durch die Ehre, welche wir dem Herzen der Mutter erweisen, werden wir zugleich das herz des Sohnes ehren; denn, wie der heilige Bernhard sagt: alles Lob, das der Mutter gegeben wird, gehört dem Sohne zu. Ja, die Andacht zum heiligsten Herzen Mariä wird eines der besten Mittels sein, in der Andacht zum göttlichen Herzen Jesu zuzunehmen; durch das Herz der Mutter werden wir den Zutritt zum Herzen des Sohnes finden; wir wollen die Gnade suchen, und wir wollen selbe durch Maria suchen, sagt der heilige Bernhard.
Der geistreiche Pater Colombiere hatte sich vorgenommen, Alles durch Maria von Gott zu begehren. Bei meinen Andachtsübungen zu Maria der seligsten Jungfrau“, spricht wer, „habe ich mich entschlossen, Nichts von Gott in meinem gebet zu begehren, ohne durch die Fürbitte Mariä darum anzuhalten. Eben dieses haben so viele andere Verehrer Mariä getan. Wenn wir der Ermahnung des heiligen Bernhard und dem Beispiel dieser frommen Diener Mariä folgen, werden auch wir den Nutzen erfahren; oder wie könnten wir von Jesu abgewiesen werden, wenn uns Maria Ihm vorstellt? Wie könnte Er uns die himmlischen Schätze Seines Herzens verschließen, welche Er so begierig austeilt, wenn Maria bei Ihm für uns bittet?
Dieses hat ohne Zweifel die ersten Verehrer des göttlichen Herzens Jesu bewogen, daß sie zugleich das heiligste Herz Mariä besonders ehrten; sobald die Andacht zum göttlichen Herzen Jesu bekannt wurde, wurde auch die Andacht zum heiligsten Herzen Mariä verbreitet. Die erste Kirche, welche zu Coutances in der Normandie zur Ehre des göttlichen Herzens Jesu eingeweiht war, wurde zugleich dem heiligsten Herzen Mariä gewidmet, und unter dem Schutz dieser beiden heiligsten Herzen eine Bruderschaft errichtet, welche Papst Clemens X. mit Ablässen begnadigte. So wurden nachher noch mehrere Bruderschaften teils unter dem Schutz des Herzens Mariä allein, teils zur Ehre beider heiligsten Herzen errichtet, welche die römischen Päpste zur Beförderung dieser Andacht bestätigten, und mit Ablässen versahen. In mehreren Bistümern und von einigen Ordensgeistlichen wird auch ein besonderes Fest vom heiligsten Herzen Mariä gehalten. Die Verehrer des heiligsten Herzens Mariä können zu diesem Zweck etwa den ersten Sonntag im Juni, oder den Sonntag nach der Himmelfahrt Mariä, oder einen andern Tag nach Belieben wählen, und um ihre Liebe gegen das heiligste Herz Mariä desto mehr zu zeigen, vor oder nach diesem von ihnen selbst gewählten Tage eine neuntägige Andacht vornehmen; die Übungen für eine solche Andacht können kürzer oder länger sein, wie es Jedem der Eifer eingibt, oder die Umstände erlauben.
Der wegen seines Eifers und besonderen Frömmigkeit so berühmte Heinrich Maria Boudon, Erzdiakon zu Evreux, dessen geistreiche Schriften allgemein hoch geschätzt werden, war Maria der seligsten Jungfrau vorzüglich zugetan; im Jahre 1654 den 5. Mai, beim Antritt seines wichtigen Amtes legte er Maria der seligsten Jungfrau feierlich seine Huldigung ab, und übergab sich und sein Amt in das Herz Mariä; diese feierliche Huldigung erneuerte er 1674 am Fest der Verkündigung Mariä, und 1680 am Fest Mariä Himmelfahrt. Die Übereinstimmung so vieler Gläubigen in Verehrung des heiligsten Herzens Mariä und die Bestätigung der römischen Päpste selbst zeigt zur Genüge an, wie heilig diese Andacht ist, und was man sich von derselben versprechen darf.
Was oben von den Beweggründen, den Mitteln und der Weise etc. das göttliche Herz Jesu zu ehren, ist gesagt worden, kann zum Teil auch hier dienlich sein, und der andächtige Leser wird in vielen Stücken von dem göttlichen Herzen Jesu die Anwendung auf das heiligste Herz Mariä leicht machen können. Statt einer weitläufigeren Einleitung will ich hier einige Stellen aus dem heiligen Bernhard anführen, ich zweifle nicht, was dieser heilige Lehrer und besondere Verehrer Mariä zu ihrem Lob geschrieben hat, werde dienlich sein, den Eifer in der Andacht zu Maria zu beleben, das Vertrauen zu vermehren, und die Liebe zu einer so liebevollen Mutter noch mehr zu entzünden. –
aus: Johannes Croiset SJ, Die Andacht zum göttlichen Herzen unseres Herrn Jesu Christi, 1836, S. 254 – S. 256