Unsere Liebe Frau von Rosenthal

Eine Prozession christgläubiger Katholiken zu einem Gnadenort der Muttergottes Maria

Gnadenorte der hohen Himmelskönigin Maria

Unsere Liebe Frau, die Gottesmutter Maria, sitzt, umringt von vielen Heiligen, in der Mitte, ihren Sohn Jesus auf dem Schoß, eine Lilie in der linken Hand; unter ihr ist das Häuschen zu sehen, daß von Engeln zum Gnadenort Loreto getragen wird

Unsere Liebe Frau von Rosenthal in der sächsischen Oberlausitz

Im Königreich Sachsen, in Mitte des Protestantismus, steht seit Jahrhunderten wie eine Rose unter den Dornen der viel besuchte Gnadenort der Lieben Frau, Rosenthal. – Dieser Wallfahrtsort gehört unter das Patronat des uralten Jungfrauen-Klosters Maria-Stern vom Orden der Zisterzienser.

Bernard, Herr von Kamentz und Bischof vom Meissen, begab sich eines Tages zur Erholung auf die Jagd, und geriet mit seinem Pferd in einen Sumpf, aus dem er sich nicht mehr durch eigenen Kräfte heraus arbeiten konnte. In großer Lebensgefahr nahm er seine Zuflucht zu Gott, dem Allmächtigen, durch die Fürbitte der jungfräulichen Mutter Maria und gelobte ihr zu Ehren hier ein Kloster zu erbauen, wenn er Rettung fände. Nachdem er die ganze Nacht im Sumpf zugebracht, und sich ihm kein Ausweg zeigte, siehe, da erblickte er vor Sonnen-Aufgang über seinem Haupt einen glänzenden Stern in einer strahlenden schleierartigen Wolke. In diesem Augenblick wird auch der Boden unter den Füßen fester und endlich konnte der Bischof sich mit dem Pferd empor heben und der Gefahr entgehen.

Nach Hause zurück gekehrt vergaß er seines Gelübdes nicht und im Jahre 1264 legte er nicht ferne von dem Ort, wo er aus so großer Gefahr errettet worden, den Grund zu einem Kloster für Jungfrauen aus dem Orden der Zisterzienser zu Ehren der L. Frau, des hl. Johannes und der hl. Ursula, und nachdem 20 Jahre daran gebaut worden, wurden die Gottgeweihten Jungfrauen in dasselbe eingeführt. An dem Ort, wo er Rettung fand, ließ der Bischof eine Kapelle erbauen, welche immer in hohen Ehren gehalten worden. Das Kloster aber erhielt den schönen Namen Maria-Stern. Es hat die gewaltigsten Stürme überstanden, unter dem Schutz der Gottesmutter mitten unter dem allgemeinen Abfall vom heiligen katholischen Glauben zu den Zeiten Luthers, Christo und seiner heiligen Kirche die Treue bewahrt und steht heute noch in schönster Blüte umgeben von sieben Pfarreien, deren Bewohner, von dem alten Volk der Wenden abstammend, ebenfalls den heiligen katholischen Glauben bewahrt haben. – In einiger Entfernung nur vom Kloster liegt das Dorf und die schöne Wallfahrtskirche Rosenthal, an welcher zwei Priester aus dem Zisterzienser-Kloster Asegg angestellt sind.

Der Ursprung dieses Wallfahrtsortes geht bis in die Zeiten Kaisers Karl des großen zurück. Bekanntlich sah sich dieser Kaiser, den die Kirche unter die Heiligen zählt, gezwungen, gegen die wilden, der Abgötterei hartnäckig anhangenden Sachsen, welche sengend und brennend seine Länder verheerten, Krieg zu führen. Wohl wußte er, daß as Christentum dieses wilde Volk bändigen und zum Frieden und zur Ordnung führen könnte, auch versuchte er es, dasselbe mit dem Glauben an Jesus bekannt zu machen; allein vergeblich. Mit dem Schwert in der Hand musste er in das Sachsenland eindringen und die besiegten Bewohner unter das Joch Christi beugen. Drei und dreißig Jahre dauerte der Kampf, bis endlich der Sachsenfürst Wittekind und mit ihm auch das Volk den christlichen Glauben annahm. Während dieses Kampfes geschah es, daß ein Feldherr des Kaisers ein Lager aufschlug an dem Ort, wo jetzt das Pfarrdorf Ostra steht. Da sah man zur selben Zeit eine Matrone von königlicher Majestät das Lager umwandeln, und nachdem die Soldaten abgezogen waren, sah man dieselbe Matrone von himmlischer Schönheit öfters die Flur, wo das Lager stand, umgehen. Nun geschah es eines Tages, daß der Edelmann Lucian von Sernan an diesem Ort eine Jagd hielt, und ebenfalls die Matrone sah. Dieser wollte wissen, der wie Matrone sei, gab dem Pferd die Sporen, eilte ihr nach, konnte sie aber nicht erreichen; immer blieb ein Raum zwischen ihm und der Matrone, so schnell er auch ritt. Als er sie nun bis zu einem kleinen Hügel oberhalb Rosenthal verfolgt hatte, bemerkte er eine Linde, wo die Matrone seinen Augen entschwand, und als er seine Augen zur Linde erhob, sah er an derselben eine Statue der allerseligsten Jungfrau. – An dieser Linde hatte wahrscheinlich, wie eine alte Sage erzählt, ein Soldat aus dem oben erwähnten Lager das heilige Bild befestigt.

Das Bild stellt die heilige Jungfrau mit dem Kindlein Jesus auf dem linken Arm vor; in der rechten Hand hält sie eine Birne; das Kindlein hält in beiden Händen einen Apfel; das Antlitz der heiligen Jungfrau ist höchst anmutig, aber braun: sie ist mit einem purpurnen mit Lilien durchwebten Mantel bedeckt, unter welchem ein gelbliches mit Blumen durchwirktes Kleid ihren Leib umhüllt. Die Statue ruht auf einem marmorartigen Gestell von Holz. –

Der Edelmann staunte über das an der Linde befindliche heilige Bild, ehrte es hoch und ließ alsbald über dasselbe eine Kapelle von Holz errichten. – In kurzer Zeit kamen Andächtige, zeigten dem Bild ihre Verehrung und riefen die Himmelsmutter um ihre Fürbitte an und nicht vergeblich. Ihre Bitten wurden erhört; immer mehrere Andächtige kamen im Laufe der zeit, und man sah sich endlich genötigt, eine größere Kapelle aus Stein zu erbauen, und dies geschah nun im Jahre 1537 auf Kosten der Äbtissin des Klosters Maria-Stern, in dessen Besitztum die Kapelle lag. – Die Jungfrauen des Klosters hielten das heilige Bild hoch in Ehren, und man erzählt, daß sie sogar das wundertätige Bild in ihr Kloster übersetzen wollten, aber zu ihrer Verwunderung fanden, daß das heilige Bild immer wieder durch eine geheime Macht zur Linde getragen wurde.

Als die Irrlehre Luthers auch in die Gegend von Maria-Stern einzudringen suchte, fand sie bei den Bewohnern keinen Eingang. Die frommen Wenden ließen sich ihren heiligen Glauben nicht rauben; die liebe Mutter Gottes, welche sie kindlich verehrten, ließ sie nicht der Ketzerei zur Beute werden, und noch heut zu Tage ertönen ihre schönen Lieder zu Ehren der Himmelskönigin in der großen, geräumigen Kirche, welche zu Ende des vorigen Jahrhunderts gebaut wurde.

Von Priestern des Zisterzienser-Ordens wird alle Sonn- und Feiertage regelmäßig der Gottesdienst mit Hochamt und Predigt daselbst gefeiert, die Predigten müssen aber vorherrschend in wendischer Sprache gehalten werden. Obwohl das gut katholische Wendenvolk das ganze Jahr eifrig zur Muttergottes von Rosenthal pilgert, so geschieht dies doch besonders zahlreich und feierlich am Osterdienstag, Pfingstdienstag, Mariä Heimsuchung und Mariä Geburt. An diesen Tagen ziehen die katholischen Gemeinden aus der Umgegend, ihre Seelsorger an der Spitze alle nach Rosenthal, und zwar die Pfarrgemeinde von Maria-Stern, von Crostwitz, Ralbitz, Nebelschütz, Ostra, Radibor, Bautzen und aus Preußen die Pfarrgemeinde Wittichenau, ebenfalls wendisch. Es ist ein wahrhaft erhebender Anblick, wenn die meisten dieser Prozessionen mit Kreuz und Fahnen und ihren Liebfrauen-Statuen, von Jungfrauen getragen, an genannten Tagen zwischen 8 und 9 Uhr unter feierlichem Glockengeläute von allen Seiten her in Rosenthal einziehen. Beim feierlichen Gottesdienst erschallen dann, vom Klang der Orgel begleitet, mit lauter (sozusagen tausendfältiger) Stimme die wendischen Loblieder zur Ehre Gottes und seiner glorwürdigen Mutter, ebenso Nachmittags bei der Vesper, wo das Gnadenbild auch zum Küssen gereicht wird.

Diese Liebe, Verehrung und Andacht des guten Wendenvolkes zur jungfräulichen Muttergottes in Rosenthal findet man aber leicht begreiflich, wenn man weiß, wie viele und große Gnaden hier schon jene empfangen haben, welche mit Vertrauen zur mächtigen heiligen Jungfrau um Hilfe gefleht haben. –

Wie schon gesagt, ist Rosenthal rings von Protestanten umgeben, welche leider die liebe Mutter Gottes nicht kennen und verehren. Doch die wunderbaren Erhörungen und Heilungen, die fortwährend zu Rosenthal geschahen und noch geschehen, bewegen viele Protestanten, in ihren Nöten ebenfalls ihre Zuflucht zur seligsten Jungfrau zu nehmen, und – wunderbar! Auch ihre Bitten fanden und finden Erhörung. Auch auf sie, ihre verlorenen Kinder, die sich von ihrem liebevollsten Mutterherzen losgerissen haben, sieht sie doch noch mit barmherzigen Augen herab und kommt ihnen zu Hilfe. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 2663 – Sp. 2668

Tags: Maria

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