Heiligenkalender
7. Februar
Selige Mutter Maria von der Vorsehung (Eugenie Smet)
Gründerin der „Helferinnen der Armen Seelen“
(25. März 1825 – 7. Februar 1871)
Selig gesprochen am 26. Mai 1957
Die einzige Seligsprechung des Jahres 1957 galt einer Klosterfrau und Stifterin einer Kongregation: Mutter Maria von der Vorsehung, Gründerin des Instituts der Armen-Seelen-Schwestern, gebürtig in Loos, einem Vorort von Lille in Nordfrankreich. Ihr Leben beleuchtet in eindrucksvoller Weise einige Glaubens-Wahrheiten, deren lebendigeres Erfassen auch für uns von großer Bedeutung wäre.
Schon ihr Klostername erinnert an die wohl zu wenig lebendig geglaubte Tatsache der göttlichen Vorsehung: nichts geschieht, ohne daß Gottes Allwissenheit und Weisheit darum wüßte, ohne daß seine Allmacht den Lauf der Dinge in der Hand behielte, und nichts, ohne daß er in seiner Güte und Liebe Gründe hätte, das zuzulassen, was zu verhindern jederzeit in seiner absoluten Macht wäre. Und jene, die folgerichtig an das unendlich weise, mächtige und liebende Walten der göttlichen Vorsehung glauben, werden sie auch in einer persönlichen und besonderen weise erfahren.
Eugenie Smet vertraut auf die Vorsehung Gottes
Gerade Maria von der Vorsehung hat in hervorragender Weise aus dem Glauben an diese Wahrheiten gelebt und vielfach eine gleichsam handgreifliche Bestätigung derselben erfahren. Schon als sie Schülerin bei den Klosterfrauen vom Heiligsten Herzen in Lille war, sagten ihre Gefährtinnen von ihr, sie wisse durch ihr gläubiges Vertrauen auf die göttliche Vorsehung geradezu Wunder im Kleinen zu erlangen, wie beispielsweise folgende Begebenheit zeigt: In ihrer großen Liebe zum Altarssakrament wollte Eugenie in der Kapelle immer möglichst nahe beim Altar sein. Nun waren aber bei einem bestimmten Fest die vordersten Bänke jenen vorbehalten, die ein weißes Kleid trugen; Eugenie jedoch hatte es bei ihren Eltern in Loos, und es war keine Zeit mehr, schriftlich darum zu bitten. Da wandte sie sich an die Vorsehung mit der Bitte, ihr doch rechtzeitig das Kleid zu besorgen, und sie versprach: „Im Fall der Erhörung will ich in meinem ganzen Leben alles von der göttlichen Vorsehung erwarten, von einer Stecknadel angefangen bis zum Himmel selbst.“ Und wirklich, als sie am Abend in den Schlafsaal kam, fand sie auf dem Bett ihr weißes Kleid. – Ihrem Versprechen getreu hat sie dann auch viel wichtigere und größere Dinge vertrauend von der Vorsehung Gottes erbeten und erwartet. Als sie später dem Erzbischof von Paris von ihrem Vorhaben sprach und dieser sich wunderte, daß sie Pläne mache, noch bevor sie ein Haus zur Verfügung habe, erwiderte die Selige: „Wenn Gott, dem alle Häuser von Paris gehören, mir eines gäbe, fänden Sie das außergewöhnlicher als die Tatsache, daß er mich einen Priestertreffen ließ, der sich mit den gleichen Gedanken trug wie ich selbst?“ – Worauf der Erzbischof entgegnete: „Ja, Kind, der Glaube, der Berge versetzt, baut auch Häuser. Sagen Sie es laut in Paris, daß Sie den Kopf und das herz des Erzbischofs auf Ihrer Seite haben!“ – Tatsächlich fand sie bald ein Haus, als sie, im Vertrauen auf die Vorsehung, durch Straßen von Paris ging und schließlich vor einer Tafel stand: „Haus verkäuflich“.
Ihre Liebe zu den Seelen im Fegefeuer
Noch eine zweite Glaubens-Wahrheit hat Eugenie Smet schon als Kind – und dann immer mehr in ihrem Leben – tief erfaßt: daß es nämlich Seelen, viele Seelen gibt, die zwar in der Gnade Gottes, doch nicht ganz geläutert und rein aus diesem Leben geschieden sind, Seelen also, die Gottes Liebe bald an seiner Herrlichkeit teilnehmen lassen möchte, die seine Gerechtigkeit aber noch fern halten muss und für die seine Heiligkeit wie zu einem verzehrenden Feuer wird: die Seelen im Fegefeuer. Als die etwa siebenjährige Eugenie mit einigen Gefährtinnen nach Schmetterlingen jagte und, wie immer bei ihren ungewöhnlich reichen Anlagen des Geistes und des Willens, die geborene Anführerin im Spiel war, hielt sie plötzlich im Lauf ein, blieb stehen und sagte nachdenklich zu den Gespielinnen, die sie umringten: „Aber wenn eines unserer kleinen Geschwister in einem feurigen Kerker gefangen wäre und wir nur ein Wort zu sagen brauchten, um sie aus dem Gefängnis zu befreien, sollten wir dieses Wort dann nicht sagen? Dies ist aber mit den Armen Seelen der Fall. Sie befinden sich in einem Gefängnis von Feuer; wir können sie daraus befreien, und wir kümmern uns nicht darum!“ – Dies war offensichtlich ein erster Lichtstrahl der Gnade, der ihre kommende Berufung andeutete. Sie selbst legte sich darum schon als Mädchen freiwillig kleine Opfer auf, um den armen Seelen Erleichterung zu bringen, und sie schrieb auch an eine Freundin: „Verdoppeln wir unsere Gebete, um die Armen Seelen zu befreien! Ich möchte das Fegefeuer leer machen!“
Gebete und Opfer für die armen Seelen
Die beiden genannten Wahrheiten verschmolzen in ihrer Seele bald zu einer wundersamen Harmonie: Eugenie wollte für den lieben Gott, der so vorsehend und liebend für sie sorgte, auch von ihrer Seite gleichsam eine „Vorsehung“ werden, indem sie ihm durch ihre Gebete und Opfer viele Seelen zuführe, nach deren Beseligung seine Liebe verlangt. Immer mehr beschäftigte sie dann der Gedanke: In der Kirche gibt es Gemeinschaften, um den verschiedensten Nöten des christlichen Volkes abzuhelfen. Sollte es da nicht auch eine Genossenschaft geben, die sich besonders der Hilfe für die verstorbenen widmet? 80000 Menschen sterben jeden Tag, und wer opfert sich für diese „Armen Seelen“? – Um sicher zu sein, daß diese Gedanken von Gott kämen, bat sie beim eucharistischen Segen am 1. November 1853: „Wenn du es bist, mein Herr und Gott, der mir diese Andacht einflößt, dann füge es, daß mir eine Freundin beim Verlassen der Kirche vom Fegefeuer spreche.“ Und während sie die Stufen vor der Kirche hinab stieg, sprach eine Bekannte sie an mit den Worten: „Eugenie, während das Allerheiligste ausgesetzt war, faßte ich den Vorsatz, zusammen mit dir in diesem Monat November für die Armen Seelen zu beten und zu opfern.“ – Noch nicht zufrieden mit dieser Bestätigung, ließ sie auch den heiligen Pfarrer Vianney von Ars um Rat fragen, und dieser erklärte ihr mehrfach: ihr Vorhaben sei „ein Gedanke der Liebe aus dem Herzen Jesu, und es sei ein Werk, das Gott seit langem wünsche.“
Gründung des Institutes der Armen-Seelen-Schwestern
Die Vorsehung Gottes zeigte Mutter Maria durch die Bitten, die man ihr vorlegte, den Weg zur konkreten Verwirklichung ihres Vorhabens. Da man sie gleich um den Beistand und die Pflege für eine arme Kranke ersuchte, faßte Mutter Maria von der Vorsehung, die am 27. Dezember 1856 ihre ersten Ordensgelübde abgelegt hatte, den Zweck ihres Institutes in die Worte zusammen: „Wir wollen uns den Ärmsten und Verlassensten in dieser und in der anderen, jenseitigen Welt widmen.“ Der Genugtuungs-Wert aller guten Werke, welche die Glieder der streitenden Kirche auf Erden, mit Christus durch die Gnade und Liebe vereint, hienieden üben und verrichten können, soll durch die „Helferinnen des Fegefeuers“ (oder Armen-Seelen-Schwestern) den Seelen der „leidenden Kirche“ zugewendet werden, damit diese bald in der „triumphierenden Kirche“ die allerheiligste Dreifaltigkeit für immer verherrlichen können und damit so die Erfüllung eines liebenden Wunsches des Erlöser-Herzens beschleunigt werde. – Auch in diesem Plan der Seligen liegt eine tiefe, für alle Christen geltende Weisheit, die selbst der heilige Pfarrer von Ars hervorhob, als er davon hörte. „Es ist Gott“, so ließ er der Stifterin schreiben, „der es Ihnen eingegeben hat, für die Befreiung der Seelen des Fegefeuers zu arbeiten durch die Übernahme der Werke der Barmherzigkeit. Auf diese Weise verwirklichen Sie voll und ganz den Geist unseres Herrn, indem Sie gleichzeitig seinen leidenden Gliedern auf Erden und denen im Fegefeuer Hilfe und Erleichterung bringen.“
Durch Vermittlung des Paters Basuiau SJ, der später Missionar in China wurde, erhielt die Genossenschaft die Regeln des heiligen Ignatius von Loyola, und in dem Jesuiten-Pater Petrus Olivaint fand Mutter Maria von der Vorsehung einen Seelenführer und geistlichen Vater, der sie hoch schätzte und ihre Großmut anspornte, aber ihr auch in ihren vielen und schweren Leiden bis zuletzt gleichsam ein tröstender Engel war. Es traf sich darum gut, daß die Seligsprechung der Gründerin der Armen-Seelen-Schwestern gerade auf den 26. Mai, den Todestag des Paters Olivaint (1871) fiel, dessen Seligsprechung – zusammen mit anderen „Märtyrern der Commune“ – übrigens zu erwarten ist.
Jesus spornt Eugenie Smet zur Leidensliebe an
Gott hat Mutter Maria von der Vorsehung als Opfer für die Seelen seiner Liebe angenommen. Zuweilen wurde ihr dies auch ausdrücklich durch innere Worte bestätigt. Als sie 1858 den Heiland um die Liebe zum Opfer bat, vernahm sie die Antwort: „Nur mit meinem Kreuz wirst du sie haben.“ In ähnlicher Weise spornte sie der Herr öfter zur Leidensliebe und zum Vertrauen an, wenn er sie Worte wie die folgenden vernehmen ließ: „Ich liebe dich im Leiden. – Deine Aufgabe besteht darin, zu leiden. – Du erleidest dein Fegefeuer und das der anderen. – Deine Leiden werden dein Lohn sein. – Liebe deine Leiden; sie sind der Unterpfand der Herrlichkeit, die sie den Armen Seelen schenken werden und die du mir die ganze Ewigkeit hindurch geben wirst, wenn du mir treu bist. – Wenn du wüßtest, welche Gnade ein immer währendes Leiden ist! – Ich schenke dir das Brot der Starken, nämlich das Brot der Prüfung. – Ohne diese beständige Bitterkeit hättest du das Paradies schon auf Erden gefunden. – Ich dürste nach deinen Leiden für die Armen Seelen. Rechne auf mich! – Du gehörst mir! – Verlaß dich auf mich. Ruh an meinem herzen! Ich kenne dich. – Ich allein bin Zeuge deines Leidens. – Ich weiß, daß du leidest, und ich habe Mitleid mit denen, die leiden.“
Über manche, scheinbar weniger schwere Opfer der Selbstverleugnung hat Mutter Maria selbst zuweilen mit feinem Lächeln erzählt: „Von den Dingen, die Gott nicht beleidigen, waren doch fünf immer Gegenstand meiner Furcht, nämlich: meine Familie zu verlassen – eine Ordens-Gemeinschaft gründen zu müssen – den notwendigen Unterhalt für meine Töchter nicht gesichert zu haben – Schulden zu machen – krebskrank zu werden. Und durch Gottes Gnade sind alle diese fünf Dinge über mich gekommen.“ – Außer den mit jeder Gründung verbundenen Prüfungen, Entbehrungen und Schwierigkeiten, dem Versagen der ersten Gefährtinnen und dem Verlust so mancher unentbehrlich scheinender Stützen waren es vor allem seelische und auch körperliche Leiden, die sie beten ließen: „Jedermann sagt mir, daß mein Äußeres das Glücklich-Sein verrate und offenbare…, und niemand ahnt meine inneren Leiden; doch du, o Jesus, weißt es, welche Kreuzigung ich erleide… Kalvaria ist ganz in mir, und ich kann nicht mehr.“ – Pater Olivaint erklärte ihr: „Sie werden von diesem Zustand nicht befreit werden; dies wäre auch nicht gut, denn Ihre Leiden bewahren Sie in der Demut.“ Die Schwestern des Hauses aber stellten fest: „Sie allein gewahrt es nicht, daß sie die Freude, das Leuchten und Leben des Hauses ist.“
Ihr Heimgang zu Gott
Dazu litt sie schon seit 1856 an Brustkrebs, hatte aber zehn Jahre lang niemand etwas davon gesagt. Und inmitten der gräßlichen, brennenden Schmerzen ihrer letzten Monate konnte sie nur noch flüstern: „Mögen meine Leiden, o mein Gott, dir meine Liebe sagen!“ Oder schließlich noch dieses Gebet: „O mein Gott, du siehst, ich kann nicht mehr; aber ich kann noch sagen, für die Vergangenheit: daß ich dich liebe; für die Gegenwart und für alle meine Leiden: daß ich dich liebe; für die Zukunft: daß ich dich liebe und dich immer lieben will in der Erwartung, daß ich dich dann ewig lieben werde.“
Am 9. Januar 1871 spendete Pater Olivaint ihr die Heilige Ölung, und am 7. Februar 1871 verschied sie, erst 45 Jahre. – Die von ihr gegründeten „Helferinnen der Armen Seelen“ setzten ihr Beten und Opfern fort in den meisten Ländern Europas (auch in Österreich und der Schweiz), in Amerika und bis vor kurzem in China. –
aus: Ferdinand Baumann SJ, Pius XII. erhob sie auf die Altäre, S. 362 – S. 366