Das Kreuz und der Halbmond
Das Pontifikat von Papst Innozenz X. (regierte von 1644 bis 1655)
Am 15. September 1644 wurde der Kardinal Johann Baptist Pamfili zum Papst erwählt und nahm den Namen Innozenz X. an. In Rom 1574 geboren, trat er frühzeitig in den kirchlichen Dienst und fand mancherlei Verwendung, bis ihm Urban VIII. 1627 zum kardinal ernannte. Seine Wahl, über die Adel und Volk lauten Jubel bezeugte, verdankte er der allgemeinen Achtung, die er wegen seiner Gelehrsamkeit, Geschäftsgewandtheit und musterhaften Lebensführung genoss. Nichts desto weniger wird dieser Papst noch heute von den Gegnern der katholischen Kirche vielfach verunglimpft, obschon der protestantische Geschichtsschreiber Ranke viel zu seiner Ehrenrettung beigetragen hat. Als weltlicher Regent wie als katholisches Oberhaupt machte er sich sehr verdient. Er erleichterte die Lasten der Untertanen, schränkte die Hofhaltung ein, verwendete große Summen zur Zeit einer Hungersnot in Rom für Herbeischaffung von Getreide, hielt die Vornehmen an, ihre Schulden den Handwerkern und Bürgern zu bezahlen und bestimmte den Wirten die Brot- und Weinpreise für die Zeit des Jubiläums 1650, damit die Pilger vor Übervorteilung geschützt würden. Ebenso verwaltete er in würdiger Weise sein Oberhirtenamt. Er trat noch energischer als sein Vorgänger gegen die Lehre des Jansenius auf, indem er fünf Sätze aus dessen Buch „Augustinus“ namentlich anführte und verwarf (1653). Er unterstützte die Venetianer und Malteser-Ritter im Kampf gegen die Türken, sowie die Irländer in der Verteidigung des katholischen Glaubens. Unter ihm wurde der Dreißigjährige Krieg durch den die katholische Kirche und ihre Rechte arg verletzenden „westfälischen Frieden“ beendet (1648).
Innozenz protestierte gegen die Vereinbarungen, durch die der Kirchenraub als erlaubt erklärt und der vollzogene Diebstahl geistlicher Güter legitimiert wurde. Die Bitterkeiten, die durch diesen Friedensschluss ihm bereitet wurden, versüßte ihm die Rückkehr mehrerer protestantischer Fürsten Deutschlands, so des (Prinzen) Ulrich von Württemberg (1651), des Herzogs Johann Friedrich von braunschweig-Lüneburg, des Landgrafen Ernst von Hessen.
Innozenz starb am 7. Jänner 1655. Als er sein Ende nahe fühlte, ließ er drei Tage lang alle Türen seines Palastes offen stehen, daß jedermann ihn sehen und die Nichtigkeit aller irdischen Größe betrachten könne. Über die Schrift, auf welche die Verdächtiger dieses Papstes in ihren Angriffen sich stützen, einen wahren Schmähroman, schreibt der eingangs angeführte Protestant Ranke: „Wir können getrost sagen, daß kein Wort davon wahr ist.“ –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, III. Band, 1907, S. 577 – S. 578
Daher verdient der heilige Vater auch vollauf Lob, welches ihm ein Protestant spendet, wenn er schreibt: „Innozenz war ein Mann von ungewöhnlichen Eigenschaften. Als päpstlicher Gesandter in Spanien und Kardinal hatte er sich tadellos gezeigt. Als Papst bewahrte er diesen Ruf. Dieser Eifer in allen Geschäften ist um so rühmenswerter, weil Innozenz erst im hohen Alter zum Hirten der Christenheit gewählt worden war. Seine Hauptsorge war, in Rom die Ordnung zu erhalten. Er suchte seine Ehre darin, daß während seiner Regierung Personen und Eigentum geachtet, die Untergebenen von den Vorgesetzten nicht misshandelt und die Schwachen von den Mächtigen nicht bedrückt wurden.“
Unter diesem Papst wurde der dreißigjährige Krieg beendet. Im Oktober des Jahres 1648 schloss man nämlich den Frieden, der für Deutschland ein Glück und ein Unglück zugleich war. Ein Glück, weil endlich das verarmte und verwilderte Volk Ruhe bekam; ein Unglück aber, weil Deutschland von da an seinen früheren Glanz und seinen Einfluss verlor, die schönen Provinzen Elsass und Lothringen vom römischen Kaiserreich getrennt wurden. Es gereicht dem Papst zur besonderen Ehre, daß er allein gegen diesen Frieden seine Stimme erhoben hat und die Ungerechtigkeit und die Erniedrigung des unglücklichen Deutschen Reiches nicht billigte.
Auch Papst Innozenz gestattete seinen eigenen Verwandten zu viel Einfluss auf die Regierungs-Angelegenheiten. So unbescholten der heilige Vater auch war, durch die Teilnahme seiner staatsklugen Schwägerin an den Regierungs-Geschäften entstand doch viel Missstimmung.
Trotzdem aber ist das Lob gerechtfertigt, das ein Schriftsteller dem Papst erteilt, wenn er schreibt: „Innozenz gehört zu den erfahrensten Päpsten, welche in diesen Jahrhunderten regiert haben. Er besaß einen Geist und eine Gerechtigkeits-Liebe, die ihn würdig machten, auf dem erhabensten Richterstuhl der Welt zu sitzen; denn je gerechter jemand ist, desto mehr verdient er zu herrschen.“
Gegen Ende des Jahres 1654 fiel Innozenz in eine gefährliche Krankheit. Sogleich ließ er einen Priester rufen und bat ihn, bei ihm zu bleiben, bis er den Todeskampf vollendet habe. Dann teilte er große Geldsummen an die Armen aus und empfing hierauf die heiligen Sterbesakramente. Kurz vor seinem Tod ließ er die Kardinäle vor sich kommen und ermahnte sie, einen guten Nachfolger zu wählen, der besonders die Irrlehre der Jansenisten in Frankreich unterdrücken würde. Dann fingen die Kardinäle an, die Lauretanische Litanei zu beten; während derselben starb Papst Innozenz am 7. Januar des Jahres 1655. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 654 – S. 657