Aphorismen aus dem Tagebuch des P. Rinn SJ
IV. Vorbereitung zum Gericht
„Die Engel werden ausgehen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten scheiden.“ Matth. 13, 49.
Fliehe also jetzt schon aus der Mitte des Bösen, das dich durch Schmeicheleien der Sinne oder durch eitles Menschenlob auf jene Seite verlocken will.
Aber wenn du jetzt auch in der Mitte der Gerechten lebst, bist du darum noch nicht sicher. Die Engel, die besser unterscheiden, als die Menschen, werden kommen, und sich weder durch das Kleid, noch durch den Namen, noch durch Verstellung täuschen lassen.
Vorbereitung zum Gericht. Nichts kann dir mehr am Herzen liegen, als dies Geschäft. In Bezug auf dies Allerwichtigste soll dir kein Opfer zu schmerzlich, keine Anstrengung zu schwer, keine Entbehrung, kein Leiden zu groß sein.
Alles muss darnach geschätzt werden, inwiefern es dir in jenem Gericht zu bestehen verhelfen kann.
Die Punkte dieser Vorbereitung fallen mit jenen der Vorbereitung zum guten Tod zusammen; denn der Tod ist ein guter oder böser, je nachdem das Gericht, das auf ihn folgt, gut oder böse ist. Im Besonderen gelten als Vorbereitung auf das Gericht folgende vier Stücke:
I. „Wenn wir uns selber richten würden, würden wir nicht gerichtet werden.“ (1. Kor. 11, 31.
Was heißt sich selbst richten? Es heißt:
1. Alles aufrichtig beichten;
2. genugtun so viel wir können;
3. freiwillige Strafen auf sich nehmen;
4. mit zerknirschtem Herzen um Verzeihung bitten;
5. und wenn wir Alles getan haben, was wir können, uns „für unnütze Knechte“ halten; – Luk. 17, 10. –
6. das Leben in heilsamer Trauer zubringen. – So macht es der Zöllner im Tempel.
II. „Richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet werden; verdammt nicht, und ihr werdet nicht verdammt werden. Vergebt, und es wird euch vergeben werden; – – und mit welchem Scheffel ihr ausmeßt, wird euch eingemessen werden. „Luk. 6, 37 u. 38.
III. „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Matth. 5, 7.
Übe auf das Eifrigste die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit, und tue es mit der Meinung für Jesus. Denn der da kommende Richter spricht: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist.“ Matth. 25, 35.
IV. Die Liebe zum Bilde des Gekreuzigten, denn dieses Zeichen wird dann beim Gericht erscheinen.
Wenn wir hier mit ihm leiden, werden wir dort mit ihm verherrlicht werden. Wir werden nicht gerichtet werden, sondern werden selber richten, sogar die Engel“ wir werden dem Richter ähnlich sein.
„Der Diener, der den Willen seines Herrn weiß, – – – und nicht tut, wird viele Schläge erhalten.“ Luk. 12, 47.
O Jesus! Du meine einzige Hoffnung, bei dir, in deinem Blut ist reichliche Erlösung. Tantus labor non sit cassus!!!
Es ergriff mich ganz besonders die neue Erleuchtung: Schrecklicher Gedanke: wenn Jesus, dessen Schönheit und Lieblichkeit ich hier so oft zu sehen wünsche, von dem mich jene Worte des hl. Johannes: vidimus eum quasi unigenitum a Patre plenum gratiae et veritatis, – immer so sehr bewegten, – den ich so oft in der hl. Kommunion empfing mit dem Verlangen und der seligen Hoffnung, ihn einst ohne Schleier zu sehen, – wenn dieser Jesus, – da meine Seele das erste Mal ihn erblicken wird, mit heiligem Zorn der göttlichen Gerechtigkeit, – mit der hl. Rache verschmähter göttlicher Liebe mit strafendem Auge mich ansehen würde! –
aus: Friedrich Rinn SJ, Die ewigen Wahrheiten der geistlichen Übungen des heiligen Ignatius von Loyola, 1878, 1. Bd., S. 58 – S. 59