A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T Ü V W Z

Synedrium

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Synedrium

Dankbarkeit der Juden gegen die Päpste: Der Sanhedrin im Jahr 1883 Enzyklopädie

Synedrium bezeichnet zunächst eine Sitzung einer Versammlung, die über öffentliche Angelegenheiten berät, ist daher seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. auch Name für bestimmte politische Körperschaften und ihre Versammlungen in der späteren Gräzität namentlich Gerichtshof bzw. Gerichtssitzung. In dieser Bedeutung wurde es übernommen vom Neuen Testament und von Josephus wie als Lehnwort von der rabbinischen Literatur sowohl zur Bezeichnung der der aus 23 Mitgliedern bestehenden Lokalgerichte (vgl. auch Mt. 10,17; Mk. 13,9) und verwaltende Körperschaften der jüdischen Gemeinden in aller Welt als auch des Hohen oder Großen Rates in Jerusalem.

Die Mischna führt das Synhedrin auf Moses zurück (Nm. 11,16); doch fallen seine wirklichen Anfänge erst in die Zeit der Neuorganisation unter Esdras und Nehemias nach dem Exil, als neben dem persischen Statthalter für den Rest der Selbstverwaltung, der den Juden blieb, „Älteste“ eingesetzt wurden (Esr. 5,5 u.9; 6,7 u. 14; 10,8), die (vgl. Neh. 5,17; 11,1) beständig in Jerusalem wohnten. Daraus hat sich der aristokratische Senat entwickelt, erstmals in einem Erlass Antiochus`III. (bei Josephus, Antiqu. XII 3,3) erwähnt und für die Zeit der Makkabäer-Fürsten Judas (1. Makk. 7,33; 2. Makk. 1,10; 4,44; 11,27), Jonathan (1. Makk. 12,6) und Simon (1.Makk. 13,36; 14,20 u. 28) bezeugt.

Unter den Hasmonäern gewann der sadduzäische Priesteradel darin maßgebenden Einfluß und wahrte ihn auch gegenüber der seit Alexander Jannäus und Salome Alexandra beständig wachsenden Macht der pharisäischen Schriftgelehrten. Eine beträchtliche, durch Cäsar 47 vor Christus wieder beseitigte Macht-Beschränkung erfuhr das Synedrium infolge der Teilung des jüdischen Staates durch Gabinius (57-55; Josephus, Antiqu. XIV 5,4). Unter der autokratischen Herrschaft Herodes` des Großen, der sich aber 47/46 noch vor ihm verantworten musste (ebd. XIV 3-5), trat das Synedrium ganz zurück.

Seitdem Judäa 6 nach Christus eine prokuratorische römische Provinz geworden, bildete es dessen höchste einheimische Behörde für die religiösen Angelegenheiten wie für die Verwaltung und Rechtsprechung mit eigener Polizeigewalt (vgl. Mk. 14,43; Apg. 4,3 u. 17f), soweit diese nicht den niederen Lokalgerichten unterstand oder die Römer sie sich selbst vorbehielten. Auch das Recht, Vergehen abzuurteilen, auf denen nach jüdischen Recht Todesstrafe lag, stand ihm zu. Doch bedurften Todesurteile der Bestätigung des römischen Prokurators (Joh. 18,31; Mk. 15,1; Josephus, Bell. Jud. II 8,1).

Bei der ohne diese erfolgten Steinigung des hl. Stephanus liegt entweder wie bei der des Herrenbruders Jakobus (Josephus, Antiqu. XX 9,1) Kompetenzüberschreitung oder tumultuarische Volksjustiz vor. Räumlich hat sich der Machtbereich des Synedriums, seitdem Judäa römische Provinz war, nicht über dieses Gebiet hinaus erstreckt. Doch wurden seine Anordnungen auch von den auswärtigen Gemeinden als verbindlich anerkannt (vgl. Apg. 9,2; 22,5; 26,12). Die Kompetenz zur Aburteilung Jesu ergab sich aus Jesu Aufenthalt in Jerusalem zu jenem Zeitpunkt.

Nach dem Neuen Testament, der für die römische Zeit ergiebigsten Quelle, zerfielen die Mitglieder des Synedriums in 3 Klassen (vgl. z.B: Mk. 8,31; 11.27; Mt. 27,41):

a) die regelmäßig an 1. Stelle (Mk. 14,55; Apg. 22,30 u.ö.), manchmal (Mk. 14,10; 15,3 u. 10 u.ö.) allein genannten und den maßgebenden Einfluss besitzenden „Hohenpriester“ (Apg. 4,5 u. 8; Josephus, Bell. Jud. II 17,1), worunter weder die abgesetzten Hohenpriester und ihre Verwandten, noch die Vorsteher der 24 Priesterklassen, sondern die Oberpriester des Tempels in Jerusalem zu verstehen sind;

b) die fast ausschließlich der pharisäischen Partei angehörigen Schriftgelehrten als die eigentlichen Gesetzeskundigen;

c) die Ältesten, die weder Priester noch Schriftgelehrte waren, wohl Angehörige angesehener Adelsfamilien, politisch den Sadduzäern nahestehend. Die Aufnahme in das Synedrium erfolgte vermutlich durch Kooptation (vgl. Mischna, Sanh. IV 4); die Mitgliedschaft war bei dem aristokratischen Charakter des Synedriums wahrscheinlich lebenslänglich. Nach der in diesem Punkt wohl glaubwürdigen Mischna (Sanh. 1 6; Schebuoth II 2) bestand das Synedrium nach dem Vorbild des von Moses eingesetzten Ältestenrates (Nm. 11,16) aus 70 Mitgliedern und dem jeweiligen Hohenpriester, der den Vorsitz führte und das Synedrium berief.

Dass sich das Synedrium beim Prozess Jesu im Palast des Hohenpriesters versammelte (Mk. 14,53ff), war eine Ausnahme zufolge der ungewöhnlichen Situation. Jesus (Mk. 14,63f) und Stephanus (Apg. 6,13ff) wurden vom Synedrium als Gotteslästerer, Petrus und Johannes als Volksverführer (Apg. 5,17-40), Paulus (Apg. 23) und Jakobus (Josephus, Antiqu. XX 9,1) wegen Gesetzesübertretung abgeurteilt. Der Streit, ob der Prozess Jesu vor dem Synedrium legal war, wird dadurch hinfällig, dass nachweisbar wenigstens ein Teil der Angaben der Mischna (Sanhedrin und Makkoth) ungeschichtlich und nach dem Bild des späteren Synedriums der Schriftgelehrten geschaffen ist. –

Im jüdischen Krieg wurde das Synedrium bald von den Zeloten beiseite gedrängt (Josephus, Bell. Jud. IV 3,1ff). Mit dem Fall Jerusalems (70 n. Chr.) hörte es zu bestehen auf (Mischna, Sota IX 11), damit auch der Sadduäismus. Wohl bildete sich unter Leitung des Jochanan ben Zakkai in Jamnia ein neues „Großes Synedrium“, ausschließlich aus Gesetzeslehrern. Aber es besaß keine politische Vollmachten mehr, sondern nur eine moralische Autorität, die bei den religiös Gesinnten allerdings sehr hoch war. Das pharisäische Schriftgelehrtentum übernahm damit endgültig die religiöse Führung des Judentums.

Dieses Synedrium wechselte mehrmals den Sitz; zuletzt war es in Sepphoris und (seit ca. 225) in Tiberias. Erst in der späteren Kaiserzeit erhielten seine Patriarchen umfassende Vollmachten. 415 wurde der letzte, Gamaliel (VI?), durch Kaiser Theodosius II abgesetzt, womit die geistige Führung Israels vollständig an die babylonischen Juden überging. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX, 1937, Sp. 940 – Sp. 943

Weitere Informationen siehe Wikipedia: Stichwort Sanhedrin

Bildquellen

Tags: Judentum
Buch mit Kruzifix
Rabbi
Buch mit Kruzifix
Gamaliel

Weitere Lexikon-Einträge

Buch mit Kruzifix

Hohepriester

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Hohepriester Hohepriester. An der Spitze des levitischen Priestertums stand der Priester zur Unterscheidung von den einfachen Priestern genannt „der Hohepriester“, „der Priesterfürst“, auch „der gesalbte Priester“, weil jeder Hohepriester mit dem heiligen Öl gesalbt…
Buch mit Kruzifix

Hermes

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Hermes Hermes, Georg, Philosoph und Theologe, *22.4.1775 zu Dreierwalde (Westfalen), †26.5.1831 zu Bonn. I. Leben. Hermes studierte in Münster 1792-97, wo ihn der von Kant abhängige Exjesuit Fr. Überwasser und die Werke Stattlers beeinflussten.…
Buch mit Kruzifix

Vigilantius

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Vigilantius Vigilantius, Häretiker zu Anfang des 5. Jahrhunderts, war zu Calagurris (jetzt Casères) im südlichen Gallien als der Sohn eines Wirtes geboren und wurde in seiner Jugend zur Führung desselben Geschäftes, das der Vater…
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Joseph von Arimathäa In der Mitte ist Josef von Arimathäa dargestellt, wie er den Leichnam Jesu hält Joseph von Arimathäa, im Neuen Testament ein reicher und frommer Israelit, dem das Vorrecht zufiel, Jesu die…
Buch mit Kruzifix

Petrus Martyr von Verona

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Petrus Martyr von Verona Petrus Martyr, hl., OP, nach seinem Geburtsort Verona auch Veronensis genannt, * ca. 1205. Obwohl Sohn häretischer Eltern und in solcher Umgebung aufwachsend, war er schon als Knabe treu katholisch…

Weitere Lexikon-Beiträge

Buch mit Kruzifix

Sodoma

Heilige Schrift AT
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Sodoma Sodoma, Hauptort der 5 Städte (Pentapolis) im Siddim-Tal, Wohnort des Lot (Gn. 13,12), wurde wegen widernatürlicher Unzucht („sodomitische“ Sünde, Sodomie; vgl. Gn. 19,4-9) zugleich mit Gomorrha, Adama und Seboim von Gott „umgekehrt“ und in einem Feuer-, Salz- und Schwefelregen verbrannt (Gn. 19,21-25) – ein Strafgericht, bei dem sich…
Buch mit Kruzifix

Hohepriester

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Hohepriester Hohepriester. An der Spitze des levitischen Priestertums stand der Priester zur Unterscheidung von den einfachen Priestern genannt „der Hohepriester“, „der Priesterfürst“, auch „der gesalbte Priester“, weil jeder Hohepriester mit dem heiligen Öl gesalbt wurde (vgl. Ex. 29,29; Lv. 8,12). Er unterschied sich von den Priestern 2. Ranges auch…
Buch mit Kruzifix

Archelaus

Antike
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Archelaus Archelaus, Sohn Herodes’ des Großen, hatte mit seinem Bruder Antipas eine Samariterin Namens Malthace zur Mutter und war gleich diesem seinem Bruder in Rom erzogen worden (Jos. Antt. 17, 1, 3; 10, 1). nach dem zweiten Testament des Herodes (in dem ersten hatte er Antipas zum alleinigen Erben…
Buch mit Kruzifix

Schriftgelehrte

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Schriftgelehrte Jüdische Schriftgelehrte am Grab des Propheten Ezechiels Schriftgelehrte (Schreiber, Sekretäre) sind Juden, die sich berufsmäßig mit der Erforschung des Gesetzes beschäftigen. Als eigener Stand gesetzeskundiger Lehrer und Richter erscheinen sie seit Esdras, der den Späteren stets als Vater und Vorbild der Schriftgelehrsamkeit galt. Esdras war noch Priester und…
Buch mit Kruzifix

Israel

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Israel Israeliten, das vom Patriarchen Jakob mit dem Beinamen Israel abstammende semitischen Volk, welches etwa seit 1230 v. Chr. Palästina bewohnte. Die Selbstbezeichnung bildet offenbar gegenüber dem Namen Hebräer, der nur im Mund von Ausländern oder zur Unterscheidung von diesen gebraucht wird, den Ehrentitel als Nachkommen des großen gemeinsamen…
Buch mit Kruzifix

Gaonat

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Gaonat Gaon (=Excellentia, vielleicht nach Ps. 47, 5) Amtstitel, den zunächst die Rektoren zu Sura, später auch und, nachdem diese Akademie eingegangen war, ausschließlich die zu Pumbedita führten. Wann der Titel in Gebrauch kam, ist nicht sicher, nach Scherira seit 589. Ihre Würde war halb erblich. Sie hatten von…
Consent Management Platform von Real Cookie Banner