Die heilsamen Lehren des heiligen Erzengels Raphael
1. Man lese die heilsamen Lehren, welche der heilige Raphael selbst gegeben, und welche der jüngere Tobias empfangen hat, wie und zu welchem Ziele und Ende man den Ehestand antreten, und was man besonders vorher vermeiden solle. Denkwürdig sind jene Worte, womit er die Ursache erklärt, warum die sieben Männer der frommen Sara in der ersten Nacht von dem Satan erwürgt wurden. Der Teufel erhielt über sie Gewalt, weil sie nur zur Befriedigung der Geschlechtslust sich verehelichten, um die heilige Sara von diesen Wollüstlingen zu befreien. Noch vielmehr Gewalt hat er über jene, die unter dem Vorwand der künftigen Ehe arge Sünden begehen, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, weil sie vorgeben, sie wären Eheleute vor Gott! Was ist aber zu erwarten von jenen, über welche der Teufel Gewalt hat? Können wohl solche Menschen sich selbst Glück und Segen in ihrem Ehestande auf dieser Welt, oder in jener die ewige Seligkeit versprechen, wenn sie nicht streng Buße tun? Wie töricht und sündhaft handeln jene, welche ohne die kirchliche Trauung als vermeintliche Eheleute zu leben wagen!
2. Aus der zweiten Unterweisung, welche der heilige Raphael sowohl dem alten als jungen Tobias gegeben, lerne
a. daß man Gott für die von ihm empfangenen Wohltaten danken und ihn loben und preisen solle;
b. wie angenehm Gott, wie heilsam dem Menschen das Gebet, Fasten und Almosengeben sei. Wer diese drei guten Werke eifrig vollbringt, der ist weit glückseliger als ein Mensch, der für sich die größten Schätze von Gold und Silber sammelt; denn weder Gold noch Silber kann jemand von dem ewigen Tode erretten, oder von Sünden reinigen und so selig machen; wie nach Aussage des Engels das Almosen und andere gute Werke den Menschen durch Erlangung der Bußgnade erretten und reinigen.
c. Bedenke, was der heilige Raphael von jenem Menschen spricht, der eine Sünde begeht: „Er ist der Feind seiner Seele“, die er doch nächst Gott am meisten lieben sollte. Er schadet ihr mehr, als alle Menschen und alle höllischen Geister ihr schaden können; und weil er ein Feind seiner Seele ist, so ist er auch ein Feind seines Leibes; denn wenn die Seele verloren geht, wo kommt der Leib hin? In den Himmel gewiss nicht.
d. Lerne, daß die guten Werke, welche ein Mensch verrichtet, von den heiligen Engeln Gott aufgeopfert werden. Endlich merke wohl, warum der fromme Tobias mit der Blindheit von Gott heimgesucht worden ist. „Weil du Gott angenehm warst“, spricht der heilige Raphael, „so war es notwendig, daß die Trübsal dich bewährte.“ Die Widerwärtigkeit, welche den Frommen zustößt, ist eine Probe der Tugend, nicht ein Zeichen des göttlichen Zornes“, spricht der heilige Papst Gregor.
3. Die Eltern der Sara gaben ihr beim Abschied die schönsten Lehren. Der Vater Raguel sprach: „Sie soll ihre Schwiegereltern ehren, das Gesinde regieren, das Haus verwalten und sich selbst tadellos betragen.“ (Tobias 10, 13) –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 853 – S. 854