Hatte Jesus jüdisches oder heidnisches Blut?

 Hatte Christus jüdisches oder heidnisches Blut?

IV.

Auf einen besonderen Einwand gegen die Gottheit Christi will ich etwas näher eingehen. Es geschieht aus einem zweifachen Grund. Erstens hat die national-sozialistische Weltanschauung mit dem Satz: Christus war ein Jude, diesen Christus aus der Welt schaffen wollen oder Ihm wenigstens im deutschen Volk den Boden unter den Füßen entziehen zu können geglaubt. Aber zweitens gehe ich auch deshalb näher auf diesen Einwand ein, weil er uns Gelegenheit gibt zu einer näheren Erklärung der Inkarnation Christi, sowie sie in den Jahrhunderten der christologischen Streitigkeiten heraus gearbeitet wurde und wie sie heute noch die unwandelbare Lehre des Christentums darstellt.

An der Tatsache, dass Christus aus dem Geschlecht und dem Volke der Juden hervorgegangen ist, lässt sich gar nicht zweifeln. Auf jene Phantastereien, die Ihn auf germanischen Ursprung zurückführen wollen, Konstruktionen, die selbst ein H. St. Chamberlain in seine Grundlagen des 19. Jahrhunderts als wissenschaftliches Ergebnis eingebaut hat, wollen wir gar nicht eingehen, denn sie verraten zu sehr die Tendenz und werden durch alle vier Evangelien widerlegt, denen wir mindesten denselben geschichtlichen Wert zubilligen müssen wie den heidnischen Schriftstellern auch.

An vielen Stellen den Alten Testamentes wird Christus der Sohn Davids genannt, ein Nachkomme aus dem königlichen Geschlecht Davids. Zwei Ahnenpässe Christi sind uns aus den Evangelien überliefert, der eine bei Matthäus, Vers 1-17 des ersten Kapitels und bei Lukas, Vers 23 – 38 des dritten Kapitels.
An diesen Urkunden ist gar nicht zu rütteln und die Tatsache ist unleugbar: Christus kommt aus dem jüdischen Volke. Das Judenvolk hegte politische Messias-Erwartungen und war stark im Diesseits verankert. Diesen Geist lehnt Christus ab und bekämpft ihn mit dem Erfolg, dass er aus dem Volke der Juden ausgestoßen und dem schmählichen Tod am Kreuze überliefert worden ist…

Das Faktum der Abstammung Jesu aus dem jüdischen Volke ist nicht zu leugnen. Aber es verblaßt gegenüber einer anderen Tatsache. Neben den beiden Ahnenpässen, die Matthäus und Lukas uns überliefert haben, steht ein dritter Ahnenpass Christi beim Apostel Johannes, und zwar ist es die Einleitung seines ganzen Evangeliums, das mit den Worten anhebt:
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort… Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“ (Joh. 1,1 u. 14)
Dieser Ahnenpass Christi ist ausgestellt vom dreifaltigen Gott selbst und bezeugt die göttliche Sohnschaft Christi.

Um die Tatsache und um die Formulierung des Inhaltes dieses Ahnenpasses, dieser frohen Botschaft für die ganze Schöpfung, ist innerhalb der christlichen Kirche der größte Kampf entbrannt, der jemals geführt werden musste. Im 4., 5. und 6. Jahrhundert haben Arius und andere Häretiker, wie Nestorius und Eutyches, aus Christus einen Menschen zu machen versucht, der nur Mensch und nicht Gott sein sollte. Diese christologischen Kämpfe gingen um das Wesen des Christentums überhaupt, denn mit der Gottheit Christi stürzt das ganze Gebäude zusammen. Mit Hilfe aller orientalischen und okzidentalischen Spekulationen und mit Hilfe des Studiums der heiligen Schriften fand das Schriftwort: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ eine Formulierung, die bis heute ihre Gültigkeit hat und die nie mehr geändert werden wird.

Näherhin ist der Inhalt des Satzes der folgende:
Die eine Person in Christus ist die göttliche und sie ist Träger zweier Naturen, einer göttlichen und einer menschlichen. Wie in uns die eine Person den Leib und die Seele als ihre beiden Teile trägt, so ist in Christus das eine „Ich“ Träger einer göttlichen und einer menschlichen Natur.

Wir stellen in Christus ein Dreifaches fest:
1. Ein „Ich“, das heißt eine Person, nicht eine göttliche und eine menschliche, sondern nur eine und zwar eine göttliche, die Zweite aus der Dreifaltigkeit.
2. Die göttliche Natur mit all ihren Vollkommenheiten. Sagt daher Christus von Sich aus, Er sei allmächtig, so sagt Er das vom göttlichen Ich und von der göttlichen Natur, nicht aber von Seiner menschlichen Natur aus, denn durch Seine menschliche Natur ist Er nicht allmächtig.
3. Die menschliche Natur mit ihren beiden Komponenten: Leib und Seele. Sagt Christus von Sich aus, Er sei müde oder durstig, so sagt Er das vom göttlichen Ich, von der göttlichen Person, aber nicht von der göttlichen Natur aus, sondern nur von der menschlichen Natur.

Das vorausgesetzt, kommen wir auf den Einwand zurück, dass Christus deshalb nur ein Mensch sei, weil er Jude ist.
Kommt Seine göttliche Person aus dem jüdischen Erbgut? Keineswegs, denn diese göttliche Person präexistierte von Ewigkeit her.
Kommt Seine menschliche Person aus der jüdischen Erbmasse? Keineswegs, denn nach dem oben Gesagten ist Christus keine menschliche, sondern eine göttliche Person, die aber zwei Naturen trägt.

Daß die göttliche Natur nichts mit jüdischem Erbgut zu tun hat, ist selbstverständlich, denn diese Natur ist ja ewig, weil göttlich.

Was ist aber mit der menschlichen Natur? Mit der Seele? Mit dem Leib?
Nach der Lehre der christlichen Philosophie und Theologie wird die Seele unmittelbar von Gott jenen leiblichen Voraussetzungen ein-erschaffen, die durch die Verbindung des männlichen Prinzips mit der weiblichen Zelle auf der Werdestätte des Lebens zustande kommt. Christi Seele ist daher wie jede andere Seele aus Gottes Hand hervorgegangen.
Es bleibt also noch der Leib Christi. Er wurde ohne Mitwirkung eines Mannes im Schoße der Jungfrau aus ihrem Blute gebildet, stammt daher aus jüdischer Erbmasse, wenigstens in Bezug auf die Mutter…
Im Übrigen ist hier noch eines zu bedenken. Nach kirchlicher Lehre, die auf sicherem Fundament der Überlieferung steht, kam die Mutter Christi mit der Fülle der Gnade, d. h. ohne die Erbsünde zur Welt. Die Folge davon war die Freiheit von allen Unvollkommenheiten der Rasse und des Blutes. Aus dem ganz reinen und fehlerlosen Blute Mariens wurde jener heilige Leib durch den Heiligen Geist gebildet, der ganz Gott angehören sollte, und der dann auf dem Altar des Kreuzes die Opfergabe der ganzen Menschheit wurde für das Heil der Welt.

Das mag genügen als Kommentar zu jener Tatsache, dass Christus aus dem Volke der Juden kam. Vor diesem Ratschluss Gottes beugen wir uns und sehen darin durchaus kein Hindernis für Christi Gottheit, denn sie ist zu deutlich bezeugt durch den Ahnenpass bei Johannes. –
aus: Benedikt Reetz, Christus, die große Frage, Vortrag gehalten vor der Gemeinschaft der katholischen Akademiker in Graz am 8. Mai 1946, S. 33 – S. 37

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