Grundsätze der Toleranz und Gewissensfreiheit

Tiara des Papstes, Bischofsstab, Schlüssel

Pius XII. über die Grundsätze der Toleranz und Gewissensfreiheit

Papst Pius XII. sitzt in seinen päpstlichen Gewändern auf seinem Papststuhl, über ihm das päpstliche Wappen, die Hände hat er auf den Beinen liegen, er hat die Augen geschlossen.

Auszug aus einer Ansprache an die Mitglieder der Sacra Romana Rota vom 6. Oktober 1946

Die Gerichtsbarkeit in Glaubenssachen

Das Gericht zum Schutz des Glaubens

2728 Unter den Gütern, für deren Verteidigung die kirchlichen Gerichte (sowohl die der Diözesan-Bischöfe als die des Heiligen Stuhles) im Laufe der Geschichte – manchmal streng – eingetreten sind, muss der Glaube hervorgehoben werden, der das Fundament des ganzen übernatürlichen Lebens ist. Das Gericht, dessen Sache die Verteidigung des Glaubens ist (d. h. das Heilige Offizium), ist deshalb ein rechtmäßiges Organ der Gerichtsgewalt der Kirche, insofern die Kirche eine vollkommene religiöse Gesellschaft ist. Es ist die Pflicht dieses Gerichtes, von Rechts wegen gegen jeden Angriff, der eines ihrer wichtigsten Lebensgüter bedroht, vorzugehen. Die Vergehen der Häresie und der Apostasie konnten und können die Kirche nicht gleichgültig oder untätig lassen. Ohne Zweifel hat im Laufe der Jahrhunderte das Gericht, dem die Verteidigung des Glaubens übertragen ist, Formen und Methoden anwenden können, die sachgemäß eigentlich nicht erfordert waren, die aber ihre Erklärung aus den eigentümlichen historischen Umständen finden. Es wäre jedoch falsch, daraus einen Beweis gegen die Rechtmäßigkeit dieses Gerichtes selbst ziehen zu wollen.

Die Gegner des Glaubensgerichtes

2729 Wir wissen wohl, daß der Name dieses Gerichts (Das Heilige Offizium trug früher den Namen „Inquisition“) bei nicht wenigen Menschen unserer Zeit Anstoss erregt. Es sind jene, deren Denken und tiefstes Fühlen unter dem Zauber einer Lehre stehen, die jede Idee von Übernatur und Offenbarung ausschließt und der menschlichen Vernunft die Kraft, die Welt zutiefst zu begreifen,, und das Vorrecht, das ganze Leben zu beherrschen, zuspricht und in der Folge die völlige Unabhängigkeit des Menschen von jeder autoritären Bindung fordert. Wir kennen die Quelle, die Förderer, die Entwicklung dieser Doktrin. Wir wissen um ihren Einfluss auf das intellektuelle, moralische, soziale Leben, auf die Wirtschaft und die Politik, aber auch um ihre Katastrophen im Lauf der Geschichte der letzten Jahrhunderte, insonderheit der letzten hundert Jahre. Ihre Vertreter berufen sich auf den Grundsatz der „Gewissensfreiheit“, der „Toleranz“ in den Belangen des geistigen, besonders des religiösen Lebens. Und doch hatten sie selber, kaum zur Macht gekommen, allzu oft nichts Eiligeres zu tun, als die Gewissen zu verletzen und dem katholischen Teil des Volkes ein Zwangsjoch aufzuerlegen, ganz besonders bezüglich dessen, was die Rechte der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder anbelangt.

Die Grundsätze der Toleranz und Gewissensfreiheit

2730 Wenn nach dem Urteil des modernen Gewissens die Reaktion gegen die Glaubensdelikte in den vergangenen Jahrhunderten manchmal die gerechten Grenzen überschritten zu haben scheint, dann zeigt anderseits heutzutage die menschliche Gesellschaft in dieser Beziehung im allgemeinen eine übertriebene Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit. Die immer häufigeren Begegnungen und die Vermischung der verschiedenen Konfessionen in den Grenzen desselben Volkes haben die Staatsbehörden veranlaßt, den Grundsatz der „Toleranz“ und der „Gewissensfreiheit“ zu befolgen. Es gibt in der Tat eine politische, bürgerliche und gesellschaftliche Toleranz gegenüber den Anhängern anderer Bekenntnisse, die auch für die Katholiken in solchen Verhältnissen eine sittliche Pflicht ist.

2731 Die Kirche selbst hat im Can. 1351 des Kirchlichen Gesetzbuches dem Grundsatz Gesetzeskraft verliehen: „Ad amplexandam fidem catholicam nemo invitus cogatur“ – „Niemand darf gegen seinen Willen zur Annahme des katholischen Glaubens gezwungen werden.“ Dieser Kanon, der die Worte Unseres großen Vorgängers, Leos XIII., in der Enzyklika Immortale Dei vom 1. November 1885 wiedergibt, ist der Widerhall der von der Kirche seit den ersten Jahrhunderten des Christentums vorgetragenen Lehre. Es genüge, das Zeugnis von Lactantius anzuführen, das ungefähr in den Jahren 305 bis 310 geschrieben wurde: „… Zwang und Überwältigung sind nicht notwendig, da die Religion nicht aufgezwungen werden kann. Die Willigkeit muss mehr mit Überredung als mit Züchtigung herbei geführt werden… So werde denn niemand von uns gegen seinen Willen zurück gehalten, denn wer der Frömmigkeit und des Glaubens entbehrt, ist für den Gottesdienst unnütz… Nichts ist nämlich so freiwillig wie die Religion. Ist der Geist des Opfernden widerspenstig, dann ist sie bereits aufgehoben und nichtig…“ (Divinae institutiones, V 19; Corpus Script Eccles. Lat., XIX 463 – 465. Der Text ist im Original lateinisch zitiert.)

Angebliche Zwangsbekehrungen in Kroatien

2732 Wenn nun gerade vor wenigen Tagen laut Presseberichten in einem sehr traurigen Prozess vom Staatsanwalt behauptet worden ist, daß auch der Papst die sog. „Zwangsbekehrungen“ gebilligt habe, und dazu, was noch schwerwiegender wäre, aus nationalistischem Imperialismus, so haben Wir das Recht und die Pflicht, eine solche falsche Anklage zurück zu weisen. Und damit Unsere Aussage nicht der nötigen Dokumentation ermangele, erachten Wir es als angezeigt, Euch ein Pro-Memoria Unseres Staatssekretariates vom 25. Januar 1942 zur Vorlesung zu bringen, als Antwort auf ein Gesuch der jugoslawischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl, die Konversions-Bewegung betreffend, womit, wie übrigens die Gesandtschaft selber ausdrücklich anerkannte, weder der Heilige Stuhl noch der katholische Episkopat in Kroatien etwas zu tun hatten. Hier also der Text des Pro-Memoria:

2733 „In Bezug auf die Note der Königlichen Gesandtschaft von Jugoslawien beim Heiligen Stuhl vom 9. Januar 1942 hat das Staatssekretariat Sr. Heiligkeit die Ehre, derselben Gesandtschaft folgendes zur Kenntnis zu bringen:
Gemäß den Grundsätzen der katholischen Lehre muss eine Konversion das Ergebnis nicht äußeren Zwanges, sondern innerer Zustimmung zu den von der katholischen Kirche gelehrten Wahrheiten sein. Deswegen nimmt die katholische Kirche die Erwachsenen, die in sie eintreten oder zu ihr zurück kehren wollen, nur unter der Bedingung in ihren Schoß auf, daß sie sich völlig der Tragweite und der Folgen des Schrittes bewußt sind, den sie ausführen wollen. Deswegen musste die Tatsache, daß plötzlich eine große Zahl von kroatischen Andersgläubigen verlangte, in die katholische Kirche aufgenommen zu werden, den kroatischen Episkopat, dem natürlich die Verteidigung und die Wahrung der katholischen Interessen in Kroatien zukommt, aufs lebhafteste beschäftigen. Ohne diese Tatsache offiziell, weder direkt noch indirekt zu Protokoll nehmen zu wollen, erachtete der Episkopat es als seine Pflicht, den zuständigen Stellen in aller Form in Erinnerung zu bringen, daß die Rückkehr der Andersgläubigen deren voller Freiheit überlassen sein muss, und zugleich für die kirchlichen Behörden die ausschließliche Vollmacht zu fordern, die Anordnungen und Anleitungen in Konversions-Angelegenheiten zu geben. Wenn alsbald ein bischöfliches Komitee gebildet wurde, mit dem Auftrag, alle diesbezüglichen Fragen zu entscheiden, so geschah das gerade zu dem Zweck, daß die Konversionen im Einklang mit den Grundsätzen der katholischen Lehre die Frucht der Überzeugung und nicht des Zwanges seien. Ebenso wenig unterließ es der Heilige Stuhl seinerseits, die genaue Beobachtung der kanonischen Vorschriften und diesbezüglichen Anweisungen zu empfehlen und einzuschärfen.“ (Der Text des Pro-Memoria ist im Original französisch.)

Die Normen der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Glaubenssachen

2734 Um den Faden Unserer Untersuchung wieder aufzunehmen: Wir müssen noch beifügen, daß das kirchliche Gericht in der Ausübung seiner Jurisdiktion nicht die Normen der bürgerlichen Gerichte übernehmen kann. Die katholische Kirche ist, wie Wir schon gesagt haben, eine vollkommene Gesellschaft, die zum Fundament die unfehlbar von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit hat. Was dieser Wahrheit entgegen steht, ist notwendig ein Irrtum, und dem Irrtum können objektiv nicht die gleichen Rechte zuerkannt werden wie der Wahrheit. Somit haben die Glaubensfreiheit und die Gewissensfreiheit in der Wahrhaftigkeit des sich offenbarenden Gottes ihre wesentlichen Grenzen, Wir sagen: ihre wesentlichen Grenzen, wenn überhaupt Wahrheit nicht gleich Irrtum sein soll und wenn das gesunde Gewissen im Menschen wirklich die Stimme Gottes ist. Daraus folgt, daß ein Glied der Kirche nicht ohne Schuld die einmal erkannte und angenommene katholische Wahrheit leugnen oder zurückweisen kann. Und wenn die Kirche, nachdem sie die Tatsache der Häresie oder der Apostasie festgestellt hat, dieses Glied der Kirche straft, zum Beispiel, indem sie es aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausschließt, so bleibt sie streng im Bereich ihrer Vollmacht und wahrt sozusagen ihr Hausrecht. –
aus: Utz OP/Groner OP, Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius XII., Bd. II, 1962, S. 1353 – S. 1357

siehe auch den Beitrag: Papst Pius XII. über die religiöse Toleranz

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