Zurechtweisungen der Modernisten

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Pius X. über die Zurechtweisungen der Modernisten

nach der Enzyklika Pascendi Dominici gregis des hl. Pius X.

Pius X. in weißer Papstkleidung sitzt auf dem päpstlichen Stuhl, die Arme auf den Stuhllehnen, im Gesicht ist ein leichtes Lächeln zu sehen

§ 8. Praktische Folgerungen und kirchliche Entscheidungen

158. Was müssen dann die Modernisten denken, wenn die religiöse Autorität sie zurechtweist?

„Hieraus sieht man leicht ein, warum die Modernisten sich so sehr wundern, wenn sie zurechtgewiesen oder bestraft werden. Was ihnen zur Schuld angerechnet wird, das halten sie für eine heilige Gewissenspflicht. Die Bedürfnisse des Bewusstseins kennt niemand besser als sie, weil sie mit denselben näher in Berührung stehen als die kirchliche Obrigkeit. Alle diese Bedürfnisse vereinigen sie gleichsam in sich: deshalb fühlen sie sich verpflichtet, öffentlich zu reden und zu schreiben. Die Autorität möge sie tadeln, wenn sie will, sie finden ihre Stütze im Bewusstsein ihrer Pflichterfüllung und aus innerster Erfahrung wissen sie sich des Lobes würdig, nicht der Zurechtweisung.“

159.Wie verhalten sie sich, wenn sie von der Kirche verurteilt werden?

„Sie wissen auch, daß Fortschritt nicht ohne Kampf, Kämpfe nicht ohne Opfer sein können; sie seien also selbst die Opfer, wie die Propheten und Christus. Sie sind auch der Autorität nicht böse, wenngleich sie hart behandelt werden; sie geben gern zu, daß diese ihres Amtes walte. Nur dies bedauern sie, daß man gar nicht auf sie höre; denn so wird der Fortschritt der Geister verzögert.“

160. Bewahren sie dabei doch einige Hoffnung?

Ja. „Es wird ganz gewiß eine Stunde kommen, das Zögern aufzugeben; denn die Gesetze der Entwicklung können wohl aufhalten, nicht aber durchbrochen werden.“

161. Halten sie vielleicht ein in der Verfolgung ihres Zieles?

„Deshalb gehen sie den betretenen Weg weiter, gehen voran trotz aller Zurechtweisung und Verurteilung; ihre unglaubliche Verwegenheit bergen sie unter dem Schleier einer erkünstelten Ergebenheit. Zum Schein beugen sie zwar ihren Nacken, aber mit Hand und Herz verfolgen sie nur desto kühner das unternommene Werk.“

162. Warum unterwerfen sie sich scheinbar und brechen nicht offen mit der Kirche?

„Dies wollen und tun sie mit kluger Berechnung: teils weil sie dafür halten, man müsse die Autorität anregen, nicht vernichten; teils weil sie in der Kirche bleiben zu müssen glauben, um das Kollektivbewusstsein allmählich umzuändern. Während sie aber dies behaupten, beachten sie nicht, wie sie dadurch eingestehen, daß das Kollektivbewusstsein nicht mit ihnen übereinstimmt, und daß sie somit kein Recht haben, sich als dessen Wortführer aufzuwerfen.“

§ 9. Kirchliche Entscheidungen

163. Wie wird also das Endurteil der modernistischen Lehren lauten?

„So darf also, Ehrwürdige Brüder, nach den modernistischen Lehren und Treibereien nichts Beständiges und nichts Unveränderliches in der Kirche sein.“

164. Haben die Modernisten auch Vorläufer gehabt?

„In dieser Ansicht hat es ihnen an Vorläufern nicht gemangelt und von jenen hat unser Vorgänger Pius IX. schon geschrieben: ‚Diese Feinde der göttlichen Offenbarung preisen auf das höchste den menschlichen Fortschritt und möchten ihn in kühner und gotteslästerischer Weise auch in die katholische Religion einführen, als wäre die Religion nicht Gottes-, sondern Menschenwerk oder irgend eine philosophische Erfindung, die auf menschliche Weise vervollkommnet werden könnte’“. (Enzykl. Qui pluribus vom 9. Nov. 1846)

165. Bieten die Modernisten eine neue Lehre über die Offenbarung und das Dogma? Oder ist sie schon verurteilt?

„Die Lehre der Modernisten besonders über die Offenbarung und das Dogma ist nichts Neues; sie ist dieselbe, die Pius IX. im Syllabus schon ausgesprochen und verurteilt hat: ‚Die göttliche Offenbarung ist unvollkommen und daher einem beständigen und unbeschränkten Fortschritt unterworfen, der dem Fortschritt der menschlichen Vernunft entsprechen muss.‘ (Syllabus, 5. Prop.)

Noch feierlicher ist sie vom Vatikanischen Konzil in folgenden Worten verurteilt: ‚Die Glaubenslehre, wie sie Gott geoffenbart hat, ist nicht wie eine philosophische Erfindung dem menschlichen Geist zur Vervollkommnung übergeben, sondern ist wie ein göttlicher Schatz der Braut Christi anvertraut zur treuen Bewahrung und unfehlbaren Erklärung. Deshalb ist auch derjenige Sinn der heiligen Dogmen immer festzuhalten, den die heilige Mutter, die Kirche, einmal erklärt hat, und nie ist von ihm abzuweichen unter dem Schein und Namen eines höheren Verständnisses.’“ (Konst. Dei Filius, 4. Kap.)

166. Will die Kirche dadurch den Fortschritt unserer Kenntnisse, selbst in Glaubenssachen, hindern?

„Dadurch wird der Fortschritt unserer Kenntnisse, auch in Glaubenssachen, nicht nur nicht gehindert, sondern vielmehr unterstützt und gefördert. Deshalb fährt dasselbe Vatikanische Konzil fort: ‚Es wachse also und schreite mächtig voran das Verständnis, die Wissenschaft, die Weisheit der einzelnen wie der Gesamtheit, des einzelnen Menschen wie der ganzen Kirche, im Laufe der Zeiten und Jahrhunderte; aber nur in ihrem Bereich, nämlich in demselben Dogma, im gleichen Sinne und gleicher Ansicht.’“ (ebenda) –
aus: J.B. Lemius Obl. M. J., Der Modernismus Sr. H. Papst Pius X. Pascendi dominici gregis, 1908 S. 49 – S. 52

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