Gesetzbuch der lateinischen Kirche
Der Papst und diejenigen, welche nach dem Kirchenrecht an seiner Gewalt Anteil haben.
Gesetzbuch CIC Die Jurisdiktionsgewalt des Papstes
Kanon 218
§ 1.
Als Nachfolger des hl. Petrus im Primat hat der Bischof von Rom nicht nur einen Ehrenprimat, sondern auch die höchste und vollständige Jurisdiktionsgewalt über die ganze Kirche. – Diese Jurisdiktionsgewalt umfaßt nicht nur den Glauben und die guten Sitten, sondern auch alle Dinge, die sich auf die rechtliche Ordnung und Regierung der Kirche auf dem ganzen Erdkreis beziehen.
Die in diesem und in den folgenden Paragraphen enthaltenen Wahrheiten wurden in der vierten Sitzung des Vatikanischen Konzils definiert, sie sind also Glaubenslehre. (1)
Wenn dem Bischof von Rom diese Gewalt zugesprochen wird, so wird damit nur gesagt, daß jetzt diese Gewalt tatsächlich mit dem Bischofssitz von Rom verbunden ist. Ob diese Verbindung auf göttlichem Recht beruht und ob sie unabänderlich ist, wird nicht gesagt. (2)
Unter Ehrenprimat versteht man das Recht auf besondere Ehrenbezeichnungen, die keinem andern zukommen.
Aus der Tatsache, daß der Papst die höchste Jurisdiktionsgewalt hat, folgt, daß von seinen Entscheidungen und Befehlen an keine höhere Instanz, nicht einmal an ein allgemeines Konzil appelliert werden kann (vgl. Kan. 2332).
Weil der Papst die vollständige Jurisdiktionsgewalt hat, gibt es in der Kirche keine Jurisdiktionsgewalt, die nicht auch der Papst hätte. Damit ist aber nicht gesagt, daß es außer der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt keine andere Jurisdiktionsgewalt in der Kirche gibt, noch daß alle Jurisdiktionsgewalt, die sonst noch in der Kirche ist, ihren Ursprung einzig und allein in der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt hat. (3)
Über Jurisdiktionsgewalt vgl. die Erklärung zu Kan. 196. – Über Jurisdiktionsgewalt in Glaubenssachen vgl. auch Kan. 1322ff.
(1) D-B 1823, 1831. Über den Beweis vgl. die Dogmatiker und Apologeten, z.B. Goebel, Katholische Apologetik, S. 284ff., S. 401 ff.
(2) Wernz-Vidal, De Personis n. 404, nota 4.
(3) Vermeersch-Creusen, Epitome I. n. 295.
§ 2.
Diese Jurisdiktionsgewalt ist eine bischöfliche und ordentliche Gewalt, die von jeder menschlichen Gewalt unabhängig ist und sich unmittelbar sowohl auf die Kirchen im einzelnen wie insgesamt, als auch auf alle die einzelnen Hirten und Gläubigen bezieht.
Diese Gewalt wird eine bischöfliche Gewalt genannt, weil der Papst in ähnlicher Weise der eigene Oberhirt der ganzen Kirche ist, wie der Bischof der Oberhirt seiner Diözese ist.
Diese Gewalt ist eine ordentliche Gewalt, weil sie kraft göttlichen Rechtes mit dem Amt verbunden ist.
Unabhängig von jeder andern menschlichen Gewalt übt der Papst seine Jurisdiktion aus, da er von keiner kirchlichen oder weltlichen Macht rechtlich gehindert werden kann und keiner menschlichen Macht, auch keiner staatlichen, Rechenschaft geben muss. Vgl. Kan. 1556.
Unmittelbar ist diese Gewalt einerseits, weil der Papst, weil der Papst sie direkt von Christus empfangen hat, nicht durch Bewilligung der Bischöfe oder durch Übertragung der Kirche, und andererseits, weil der Papst unmittelbar mit Ausschluß der Mittelglieder in allen Fällen entscheiden kann. Vgl. Kan. 1569.
Was demnach die gültige Ausübung dieser Macht anbelangt, so wird sie nur beschränkt durch das Naturrecht, das positiv göttliche Recht, sowie den Zweck der Kirche.
Damit der Papst diese Gewalt aber auch erlaubter Weise ausübe, muss er in Übereinstimmung mit dem Sittengesetz handeln.
Kanon 219
Mit Annahme der gültig vollzogenen Wahl erlangt der Papst kraft göttlichen Rechtes die höchste und volle Jurisdiktionsgewalt.
Da der Papst mit der Annahme der Wahl seine Jurisdiktions-Vollmachten erhält, ist eine Weihe, wenn er nicht Priester sein sollte, nicht nötig, noch wird irgendeine Bestätigung oder Krönung erfordert. – Die auf göttlichem Recht beruhenden Weihegewalten kann aber auch der Papst nur durch Empfang der entsprechenden Weihe erhalten. Vgl. hierzu die Erklärung von Kan. 210, 108 §2.
Für die Wahl des Papstes sind die Bestimmungen maßgebend, die sich finden in der von Pius XII. am 8. Dezember 1945 erlassenen Konstitution „Vacantis Apostolicae Sedis“.
Kanon 220
Diejenigen wichtigeren Angelegenheiten, die schon ihrer Natur nach oder wenigstens durch die positive kirchliche Gesetzgebung dem Papst reserviert sind, werden „causae maiores“ genannt.
Derartige „causae maiores“ vgl. z.B. in Kan. 215, 222, 1323 §2, 1376, 1557 §1, 1962.
Kanon 221
Eine etwaige Abdankung des Papstes ist gültig, ohne daß sie von den Kardinälen oder andern Personen angenommen wird.
aus: Heribert Jone O.F.M.Cap., Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones I. Band Allgemeine Normen und Personenrecht, 1950, S. 251-253