Gnadenorte unserer himmlischen Himmelskönigin
Unsere Liebe Frau vom Sieg in Rom – Ein wundertätiges Liebfrauenbild
(St. Maria della Vittoria)
Unter den zahlreichen Liebfrauen-Kirchen in Rom ist eine der besuchtesten die Kirche St. Maria vom Sieg, welche die Barfüßer-Karmeliten erbauten, und in welcher sie den Gottesdienst besorgten. Hier wurde bis zum Jahr 1833 ein wundertätiges Liebfrauen-Bild hoch verehrt, welches bei einem Brand zu Grunde ging. Hier in dieser Kirche werden noch jetzt die Tage des Sieges bei Lepanto und bei Wien über die Türken gefeiert; hierher haben katholische Fürsten erbeutete Waffen und Fahnen, die sie den Feinden des Kreuzes abnahmen, gesendet, und der Liebe Frau zum Zeichen ihres Dankes für ihre Fürbitte zu Füßen gelegt.
Das Gnadenbild, welches in hoher Verehrung stand, kam im Jahre 1620 in diese Kirche. Damit aber hatte es folgende Bewandtnis.
Als im Jahre 1620 Pfalzgraf Friedrich V. wider den Kaiser rebelliert, sich zum König von Böhmen aufgeworfen, zu Prag die Huldigung eingenommen, und fast ganz Böhmen zum calvinischen Glauben gebracht hatte, sogar, daß diejenigen, so zuvor gut katholisch gewesen, durch diese falsche Lehre also verführt wurden, daß sie die Kirchen entweihten, die Altäre umrissen, und die Bilder der Heiligen auf allerlei Weise verunehrten, da ward der Kaiser Ferdinand der Andere genötigt, sich wider diesen Feind zu erheben, und ihm die böhmische Krone wieder abzunehmen. Deswegen sammelte er ein Kriegsheer, verlangte von den katholischen Reichsfürsten Hilfe und setzte den Bayernherzog und Kurfürsten Maximilian zum Generalismus über die kaiserliche und Reichs-Armee. Dieser fromme, der Mutter Gottes ganz ergebene Bayernfürst nahm den gottseligen Pater Dominikus von Jesu Maria, aus dem Orden der Barfüßer-Karmeliten, mit sich, welcher zur selben Zeit mit vielen Wunderzeichen leuchtete, und von Allen für einen heiligen Mann gehalten wurde. Mit diesem frommen Pater und den beiden Armeen zog der Herzog nach Böhmen, die Stadt Prag zu belagern, und den unrechten König daraus zu vertreiben. Als er nun eine Stadt nach der andern eingenommen und unweit Prag im Schloss Strakonitz sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, wurde der fromme Pater Dominikus durch den Geist innerlich angetrieben, in das Schloss zu gehen und dasselbe zu besichtigen. Nachdem er verschiedene Zimmer durchgesehen, kam er in eines der unteren Gewölbe und fand allda eine Haufen allerlei zerbrochener und zertrümmerter Bilder, und unter diesen eine Tafel, anderthalb Schuh hoch und einen Schuh breit, ohne Rahmen und voll Staub und Kot.
Diese gemalte Tafel säuberte der gute Pater mit großem Fleiß, und als er sie rein geputzt hatte, sah er ein schönes, anmutiges Bildnis der Mutter Gottes, die mit gefalteten Händen und geneigtem Haupt vor dem Christuskind, das nackt vor ihr auf der Erde lag, demütig kniete, und sich freundlich zu demselben neigte. Der heilige Joseph stand hinter der Mutter Gottes mit einem Stock in der Rechten und einer Laterne in der Linken. Auf der linken Seite der Mutter Gottes, nahe bei dem Christkindlein, standen zwei Hirten, welche das Kindlein zu besuchen gekommen waren, und einer von denselben deutete mit dem Finger auf das liebe Kindlein. Als indessen der fromme Pater dieses liebliche Bild andächtig beschaute, wurde er gewahr, daß der lieben Mutter Gottes und dem heiligen Joseph, wie auch den beiden Hirten die Augen ausgestochen waren: das Kindlein aber, so seine Äuglein noch hatte, seine blinde Mutter ganz beweglich ansah.
Darob fing der gute Priester bitterlich zu weinen an, und die Mutter Gottes ohne Unterlass auf ihre ausgestochenen Augen küßend, sprach er: „Ach du liebe Mutter Gottes! Wer hat doch deine freundlichen Augen ausgestochen? Welches grausame Herz hat sich erblinden gemacht? Nun kann ich ja vor diesen deinem lieben Bild nicht sagen: „Eja, unsere Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen zu uns! Denn eine gottlose Hand hat die dieselben aus lauter Bosheit ausgestochen!“
Während dieser gute Pater das verunehrte Bild mit seinen Tränen benetzte, ward ihm von einem Engel geoffenbart, daß diese Unbild der heiligen Mutter Gottes und dem heiligen Joseph durch gotteslästerliche calvinische Hand mit einem Dolch wütend geschehen sei. Darob ward Dominikus vom tiefsten Schmerz ergriffen und von solchem Mitleid bewegt, daß er zu Gott schrie und seiner höchsten Majestät die große Unbild, so seinen allerheiligsten Eltern, ja ihm selbst in diesem Bildnis geschehen war, innniglich beklagte. Er bat auch auch Gott inständig, er wolle sich würdigen, seine und seiner Mutter Feinde zu Schanden zu machen, und zu deren größerer Schmach seiner heiligsten Mutter Ehre in diesem Bild zu erhöhen und auszubreiten.
Er tat auch ein ernstes Gelübde, daß er, so viel an ihm wäre, diesem lieben Bild, wie auch der Mutter Gottes, die darin so gröblich verunehrt worden, alle mögliche Ehre antun, und sich befleißen wolle, daß dasselbe möchte von anderen verehrt werden.
Gleich nach getanem Gelübde offenbarte ihm der allmächtige Gott, daß die katholische Armee die Feinde aufs Haupt schlagen und die Schmach, so die Calvinisten diesem Bild angetan hätten, wieder gerächt würde. Ja, er wurde versichert, daß dieses Bild vor der ganzen Welt zu großem Ansehen gelangen, mit vielen Zeichen und Mirakeln leuchten, und der höchste Gott samt seiner werten Mutter auf vortreffliche Weise würden verehrt werden.
Hierauf nahm er das Bild und ging zu dem Herzog von Bayern, wie auch zum General Tilly, und zu allen Generälen und Offizieren, zeigte ihnen das liebe Bild, erklärte ihnen mit weinenden Augen, was für eine große Unbild die Calvinisten demselben angetan hätten, und bat sie durch die Liebe Jesu, Mariä und Josephs, sie möchten diese, der Mutter Gottes zugefügte Schmach rächen, und wider die gotteslästerlichen Calvinisten mit großem Mut streiten, indem er sie der Hoffnung versicherte, das liebe Christkindlein und seine gebenedeite Mutter und der heilige Joseph würden ihnen beistehen, und hingegen den Calvinisten die Augen verblenden. Darnach wickelte er das heilige Bild in einen seidenen Überzug und trug es allezeit mit größter Ehrfurcht bei sich.
Als nun die Schlacht beginnen, und jeder Offizier aus dem Kriegsrat zu seinem Posten gehen sollte, gab Pater Dominikus allen und jedem das liebe Marienbild zum Küssen und vertröstete sie durch Beistand Jesu und Mariä des Sieges. Während das kaiserliche Heer langsam gegen den Feind anrückte, sank Dominikus, betend für den Sieg, in Verzückung. Eine halbe Stunde lang fochten beide Armeen mit einander, und konnte noch Niemand wissen, wohin der Sieg sich neigen würde. Aber bald griffen die Calvinisten den rechten Flügel der Kaiserlichen so heftig an, daß dieselben zur Flucht sich wandten, und die Feinde schon Viktoria riefen. Herzog Max sah, mit kühnem Auge über das Schlachtfeld streifend, die unglückliche Wendung, und rief zum betenden Dominikus: „Wie nun, o Freund! Die Unseren fliehen, der Feind will siegen!“
Da fuhr der fromme Pater aus seiner Verzückung empor und rief: „Es ist nicht möglich, daß wir verlieren; denn der Gott der Heerscharen ist mit uns!“ Hierauf verlangte er ein Pferd, und er, 62 Jahre alt, abgezehrt durch Alter und Schwachheit, besteigt das Schlachtross, und mit Max einreitend ins Kampfgewühl wie ein frisch blühender Jüngling, ein Kruzifix in der Hand, sein liebliches Marien an dem Hals, mitten in den feindlichen Kugelregen, fliegt durch alle Regimenter wie ein Blitz und schreit ihnen zu: „Euer, euer ist der Sieg, ihr Streiter Gottes!“ Neuerdings stürmen die Katholiken ein, das Bild der allerseligsten Jungfrau in der Hauptfahne voraus mit der Losung: „Heilige Maria!“
Indessen hört Dominikus nicht auf, die Soldaten anzueifern, und sowohl die Feinde als auch die Unsrigen sehen etliche himmlische gewaffnete Männer vor ihm stehen, welche mit aller Macht in die Feinde setzen, und mit Schwertern in sie hauen. Man sah und hörte auch deutlich, daß sowohl aus dem Kruzifix wie aus dem Marienbild helle Blitze und Strahlen ausgingen und feurige Kugeln, gleichwie aus zwei Rohren hervor schossen, und unter dem Feind gewaltigen Schaden taten, ob welcher Wunderzeichen die Feinde so erschraken, daß sie zitternd und bebend davon flohen, und Alles, was sie hatten, im Stich ließen. Als erwarben die Katholiken einen herrlichen Sieg zum Heil des Reiches und der Kirche.
Ob dieses Wunders entstand nicht allein bei Pater Dominikus, sondern auch bei den Offizieren und Soldaten eine solche Ehrerbietung und Andacht zu diesem Marienbild, daß sie es mit großer Liebe und Andacht küßten, und ihm den Namen St. Maria de Viktoria gaben.
Maximilian, der große Fürst, erkannte ebenfalls die große Gnade, so ihm durch dies Bild widerfahren war, darum ließ er es hernach herrlich einfassen und zieren; der römische Kaiser ließ ihm eine überaus köstliche Krone machen, und dieselbe gar kunstreich über das Bild anheften. Es ward auch überall, wohin es Pater Dominikus auf seiner Durchreise brachte, zu München und zu Wien von Allen mit großer Ehrerbietung empfangen, und mit sonderlicher Andacht verehrt. Hierauf nahm es Pater Dominikus mit sich nach Rom, wo es in feierlicher Prozession in die Kirche der Karmeliten getragen und zur Verehrung ausgesetzt wurde, bei welcher Gelegenheit dann Papst Paul V. der Kirche den Namen St. Maria della Viktoria gab. (Kaltenbäck, Kirchenlexikon, Beda Weber, Tirol etc.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1132 – Sp. 1135