Selige Michelina von Pesaro Witwe

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Heiligenkalender

19. Juni

Die selige Michelina von Pesaro

Michelina oder Michaela, zu Pesaro im Kirchenstaat geboren, stammte aus einem adeligen, reichen Hause und erhielt eine feine, aber keine religiöse Erziehung. Voll Talent, Witz und Lebhaftigkeit lernte sie mit allem Fleiß durch Zierlichkeit in der Kleidung, durch Feinheit in ihren Bewegungen und durch Anmut in ihrem Benehmen der noblen Welt zu gefallen, durch Singen, Musizieren und Tanzen in den Gesellschaften sich hervor zu tun – nur Eines lernte sie nicht, Gott kennen und lieben. Ihr Äußeres war adelig, ihr Inneres gemein.

Michelina`s Wohlgestalt und Liebreiz fand Beifall und schmeichelhafte Huldigung bei ihres Gleichen, die nur für einen schönen Körper, aber nicht für eine gottliebende Seele sich interessierten. Angebetet von zahlreichen Werbern gab sie, noch nicht dreizehn Jahre alt, einem reichen Jüngling die Hand zum Ehebund und wurde eine so galante, weltlich gesinnte Frau, wie sie ein Prunk und Gesellschaft liebendes Fräulein gewesen war. Sie erfüllte tadellos – ihr Ehrgeiz sorgte schon dafür – die häuslichen Pflichten als Gattin und Mutter, verschloß ihr Auge nicht vor dem Elend der Armen und ihr Ohr nicht vor dem Jammer der Leidenden; aber nicht Gott und Himmelslohn, sondern nur das natürliche Mitgefühl und das Lob der Menschen war die Triebfeder ihres Lebens.

In der Blüte ihres Alters, im zwanzigsten Jahr öffnete sich ein dunkles kaltes Grab, um die Leiche ihres jungen Mannes aufzunehmen und sie an die schauerliche Vergänglichkeit des Erdenglückes ernstlich zu erinnern; aber das Grab schloß sich, die Erinnerung daran verwischte sich, und die schöne, reiche Witwe hielt es ganz mit dem Lebenden: sie spannte mit Geschick ihre Netze aus, um für ihren lebhaften Geist und ihr leeres Herz die Freuden und Vergnügen einzufangen, – jedoch ohne erquickt, geschweige satt zu werden. Nur ein Gedanke, nur eine Sorge – ihr einziges Kind – bewahrte sie vor dem Versinken.

Damals kam eine fremde Frau und Pesaro; sie sagte nicht, woher sie komme, wer sie sei, sie nannte sich Sira; sie trug das Kleid des Dritten Ordens des hl. Franziskus, schien sehr arm, lebte sehr fromm und zeigte bei aller Demut und Bescheidenheit eine edle Würde. Michelina fühlte eine besondere Ehrfurcht gegen diese Fremde und nahm sie in ihr Haus auf. Diese schöne Liebestat war der Anfang ihrer Bekehrung. Denn diese arme Bettlerin sollte das Glück der reichen Witwe werden. Die beiden so ungleichen Frauen wurden täglich vertrauter, und die frommen Gespräche der Sira wirkten wie sanfte Strahlen der Gnade auf das empfängliche Herz der Michelina, das sich jedoch nicht so leicht erobern ließ. Denn die lebensfrohe Witwe hing allzu sehr an ihrem Gold und Silber, an den kostbaren Gewändern und süßen Unterhaltungen, als daß der Sira Reden von der Nichtigkeit der irdischen Schätze, von der Vergänglichkeit der irdischen Schätze, von der Vergänglichkeit der sinnlichen Freuden und deren trostlosem Verschwinden in der grauenvollen Nacht der Ewigkeit ihren Leichtsinn mit den ersten Angriffen schon hätten besiegen können. Indessen gelang es doch Großes: Michelina fing an zu beten; das Gebet reinigte ihre weltlich gesinnten Augen und bereitete sie zur Buße und zur ernstlichen Rückkehr zur Gott vor. Und der Allerbarmende kam ihr zu Hilfe, nahm ihr das einzige Kind und löste so das stärkste Band, welches sie an die Welt fesselte und die Wirkung der Gnade hinderte.

Nun diente auch sie ganz dem Herrn, legte das Kleid des Dritten Ordens an, gebrauchte ihr Vermögen nur, um die Not der Armen mit erfinderischer Liebe zu mildern.
Diese unerklärliche Veränderung in der putz- und genußsüchtigen Witwe machte im Kreise der Verwandten und Bekannten ein gewaltiges Aufsehen; sie flüsterten Allerlei, schüttelten die Köpfe, lachten über die Irrsinnige und ärgerten sich an der Überspannten; sie ergrimmten zunächst über die Sira und wollten diese Verführerin, „diese Schänderin ihres Adels“, mit Ruten zur Stadt hinaus peitschen; – aber sie war verschwunden, Niemand wußte wohin. Dann bestürmten sie Michelina, von diesem auffallenden Benehmen und abgeschmackten Frommtun abzustehen, weil dadurch die ganze Familie in ein übles Gerede komme; – aber sie wollte nur noch Gott allein und nicht mehr den Menschen gefallen. Voll Zorn und Ärger verschrien sie die gottliebende Büßerin für eine Närrin, legten ihr Ketten an und sperrten sie in einen Turm. Michelina blieb standhaft, betete Tag und Nacht und dankte dem Herrn für diese schmerzlichen Leiden.

Nach einiger Zeit wieder in Freiheit gesetzt, erschöpfte sie mit werken der Barmherzigkeit ihr Vermögen gänzlich, fristete ihr Leben nur noch vom Almosen und ertrug mit fröhlicher Demut die Vorwürfe und Schimpfworte, die sie vor mancher Tür statt eines Stücklein Brotes empfing. Ganz arm an zeitlichem Besitz war sie dennoch reich an Mitleid, Hilfe und Trost gegen Alle; viele Sünder und Sünderinnen befolgten ihre Ermahnungen zu einer vollständigen Lebensbesserung, viele Kranken wurden durch ihr Gebet gesund, und Viele starben durch ihren Beistand eines sehr schönen Todes.
Schon vorgerückt im Alter hatte sie die Freude, sich einem Pilgerzug nach Jerusalem anzuschließen und an dem Grab des Erlösers die Sehnsucht ihrer Liebe zu Ihm zu stillen. Bald nach der Rückkehr von dieser Wallfahrt endigte sie auch ihre irdische Pilgerfahrt und ging, sechsundfünfzig Jahre alt, ein in die selige Ruhe des Herrn, am 19. Juni 1356. Wegen der großen Wunder, durch die sie im Leben und nach dem Tod leuchtete, hat Papst Klemens XII. im Jahre 1737 ihre öffentliche Verehrung bestätigt. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 469-471

Tags: Heilige

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