Das Zeitalter der Revolutionen
Das Pontifikat von Papst Klemens X. (regierte von 1670 bis 1676)
Er war (…) am 13. Juli des Jahres 1590 in Rom geboren und stammte aus einer alten, adeligen Familie. Er hatte elf Päpste den Heiligen Stuhl besteigen und zehn sterben sehen. In seiner Jugend hatte der würdige Greis die Rechtswissenschaft studiert, aber auf einmal die weltliche Laufbahn verlassen und sich dem Priesterstand gewidmet. Sehr bald erhielt er eine Anstellung beim päpstlichen Gesandten in Polen. Papst Innozenz X. ernannte ihn zum Gesandten für das Königreich Neapel, wo er wegen seines klugen Benehmens bei allen Parteien in großem Ansehen stand. Wegen seiner Tüchtigkeit in diesem Amt wurde er im Jahre 1627 Bischof von Camerino und blieb dort bis zum Jahr 1666. Die folgenden Päpste übertrugen dem Bischof Altieri die einflussreichsten Ämter.
Das Vertrauen belohnte dieser vollauf, indem er alle Geschäfte mit größter Umsicht besorgte. Kein Auftrag, der vom Papst kam, war ihm zu mühevoll. Niemals hatte er sich trotz seines hohen Alters geweigert, eine Gesandtschaft zu übernehmen, eine weite Reise zu machen, ein anstrengendes Amt zu verwalten, wenn es galt, der Kirche zu nützen. Nur die oberste Regierung der Kirche lehnte er ab, indem er sagte: „Brüder, achtet auf meine achtzig Jahre!“ Indessen ließen die Kardinäle diese Entschuldigung des würdigen und erfahrenen Greises nicht gelten, und so bestieg Altieri den heiligen Stuhl als Klemens X.
Sein Name „Klemens“ d. h. gütig entsprach seinen menschenfreundlichen Eigenschaften und zeigte an, daß der Papst nur fortsetzen wollte, was sein seliger Vorgänger angefangen hatte. Damit sein Geschlecht nicht aussterbe, nahm er eine altrömische Familie an Kindesstatt an. Getadelt wurde an diesem Papst, daß er einen großen Teil seiner Amtsgeschäfte dem herrschsüchtigen und stolzen Neffen Kardinal Paluzzo überließ. Diese erregte so große Unzufriedenheit, daß man in Rom zu sagen pflegte: „Wir haben zwei Päpste, einen rechten und einen falschen.“ Für den Türkenkrieg bestimmte der heilige Vater die Hälfte seiner Einnahmen. Alle entbehrlichen Steuern des päpstlichen Hofes und des Staates schaffte er ab. Sein Privateinkommen wendete er dem städtischen Leihhaus in Rom zu, aus dem arme Bürger, ohne Zins Kapitalien aufnehmen konnten. Papst Klemens bewies seine große Friedensliebe besonders dadurch, daß er in Grenzstreitigkeiten zwischen Savoyen und Genua eine Aussöhnung zustande brachte. Die Polen wurden durch die Türken hart bedrängt, da sich auch die Ungarn mit diesen Feinden der Christenheit verbunden hatten. Der Papst suchte vor allem die Großen des polnischen Reiches mit ihrem König zu versöhnen. Dann sandte er ihnen reichliche Hilfsgelder und erlebte dafür die große Freude, daß im Jahr 1674 die Polen einen großen Sieg über die Türken erfochten.
Im folgende Jahr wurde Italien von einem großen Erdbeben heimgesucht. Der heilige Vater tat in seiner Freigebigkeit alles, um die entstandene Not zu lindern. In Rom baute der Papst ein großes Haus für Pilger, errichtete den Palast Altieri und verschönerte den Petersplatz durch zwei große Brunnen. Gegen seine Untertanen war er gerecht und gütig. Aber auch dieser würdige, weise, milde und nachgiebige Papst konnte die Kirche nicht im Frieden regieren; denn der französische König Ludwig XIV. fing auch mit ihm Streit an und gab vor, daß der Papst zu wenig Rücksicht auf Frankreich nehme. Deswegen rächte er sich, indem er wider alles Recht einen Teil des Einkommens aller erledigten kirchlichen Bistümer und Pfarreien unter dem Titel „Dem König gehöriger Anteil“ für sich in Anspruch nahm. Auf diese Weise wollte der König sich mit jenen Geldern bereichern, welche fromme Gläubige den Kirchen geschenkt hatten.
Leider war die französische Geistlichkeit so schwach, daß sie sich einen solchen Eingriff in ihre Rechte gefallen ließ. Darum erhob der greise Papsts eine Stimme und hielt dem König seinen Kirchenraub vor. Auf das hin zahlte König Ludwig aus dem Kirchenvermögen seinen Soldaten die Pensionen aus, ließ dagegen kein Geld mehr aus Frankreich nach Rom kommen.
Bereits hatte der Streit zwischen Rom und Paris eine große Heftigkeit angenommen, als Gott den 86jährigen Papst am 22. Juli des Jahres 1676 in die Ewigkeit abrief. Zum Heil und Wohl der Kirche hatte Klemens viel gewirkt. Er hatte die seltene Freude, eine russische Gesandtschaft in Rom zu sehen, da ein russischer Fürst den heiligen Vater bitten ließ, ihm den Kaisertitel zu verleihen. Aber Papst Klemens gewährte die Bitte nicht, da es nur einen Kaiser in Europa geben sollte, nämlich den römisch-deutschen Kaiser. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 669 – S. 671