Wie die Kranken mit den heiligen Sakramenten versehen werden
Gefährlich Kranken kommt die Kirche nicht nur durch die heilige Ölung zu Hilfe, sondern auch durch die Sakramente der Buße und des Altars. Mit diesen drei Sakramenten wird der Kranke „versehen“ – das heißt versorgt, ausgerüstet – für den Fall des Todes.
1. Beim Versehen eines Kranken soll im Krankenzimmer ein weiß gedeckter Tisch stehen, davor womöglich ein Schemel zum Knien für den Priester. Auf dem Tisch soll sich befinden: ein Kruzifix mit zwei brennenden Kerzen, ein Glas mit etwas Weihwasser, ein kleines Glas mit ganz wenig gewöhnlichem Wasser, ein Teller mit sechs nussgroßen Kügelchen aus Baumwolle (Watte) und mit etwas Salz, ein Handtuch.
Der Kranke soll sich durch Gewissens-Erforschung und Reue vorbereiten. Völlige Nüchternheit vor der heiligen Kommunion wird von gefährlich Kranken nicht verlangt.
2. Wenn der Priester mit dem allerheiligsten Sakrament das Zimmer betritt, knien die Angehörigen des Kranken nieder und beten Jesus im Sakrament an. Der Priester erteilt mit dem Allerheiligsten den Segen und kniet dann ebenfalls nieder. Hierauf besprengt er den Kranken mit Weihwasser, um ihm von Gott wahre Reue zu erbitten. Dann verlassen die Angehörigen das Zimmer, und der Priester hört die Beichte des Kranken. Es ist ratsam, daß der Kranke in dieser Beichte sage, wie er sich in seinem ganzen Leben gegen Gott verhalten hat. Besonders soll er darauf achten, ob er etwa schon ungültig gebeichtet und es noch nicht gut gemacht hat. Wenn der Kranke nicht mehr sprechen kann, soll er durch An-die-Brust-Schlagen oder durch ein anderes Zeichen seine Sünden bekennen und seine Reue kund geben.
Nachdem der Kranke gebeichtet hat, betreten die Angehörigen wieder das Zimmer, und der Priester spendet dem Kranken die heilige Kommunion als „Wegzehrung“.
Darauf erteilt er ihm die Krankenölung. Er salbt nämlich den Kranken an den Werkzeugen der fünf Sinne, an Augen, Ohren, Nase, Mund, Händen und Füßen mit dem heiligen Krankenöl, das der Bischof am Gründonnerstag feierlich geweiht hat, und spricht dabei: „Durch diese heilige Salbung und seine liebreiche Erbarmung vergebe dir der Herr, was du durch Sehen – durch Hören – durch den Geruch – durch den Geschmack und durch Reden – durch Berührung – durch deine Schritte und durch sinnliche Begierden gesündigt hast!“ Der Priester verrichtet auch mehrere Gebete um die Genesung des Kranken. – Der Kranke soll bei der heiligen Ölung Vertrauen auf Gott und Ergebung in den Willen Gottes erwecken. Dies deutet der Priester an, indem er dem Kranken vor der heiligen Ölung das Kruzifix zum Kuss reicht.
Nach der heiligen Ölung erteilt der Priester dem Kranken für die Sterbestunde einen vollkommen Ablass. Um diesen zu gewinnen, muss der Kranke die Leiden der Krankheit und selbst den Tod von Gott geduldig als Buße für seine Sünden annehmen und vertrauensvoll den Namen Jesus anrufen.
3. Wenn der Kranke die heiligen Sakramente würdig empfangen hat, kann er dem Tod und dem Gericht getrost entgegen sehen. Er ist mit Gott ausgesöhnt, der Heiland ist mit seiner Liebe bei ihm, bleibt bei ihm und geht mit ihm in die Ewigkeit hinüber.
Es verlasse sich aber ja niemand darauf, ein sündhaftes Leben schließlich durch den Empfang der heiligen Sakramente gutmachen zu können! Denn sehr viele sterben unversehens ohne die heiligen Sakramente, und würdig empfangen vor dem Tode gewöhnlich nur solche die Sakramente, die ein christliches Leben geführt haben.
4. Die Kranken selbst erkennen meistens die Gefährlichkeit ihres Zustandes nicht. Da ist es nun die Pflicht ihrer Angehörigen, sie an den Empfang der heiligen Sakramente zu mahnen. Die Angehörigen mögen sich von der Erfüllung dieser Pflicht ja nicht durch die Furcht abhalten lassen, den Kranken „aufzuregen“. Denn der Empfang der heiligen Sakramente dient dem Kranken vielmehr zur größten Beruhigung und zum größten Trost. Noch törichter wäre die Furcht, der Kranke müsse sterben, wenn er die heiligen Sakramente empfange. Denn gerade der Empfang der heiligen Sakramente ist oft der Anfang der Genesung. Wenn die Angehörigen des Kranken nicht wissen, wie sie den Kranken zum Empfang der heiligen Sakramente veranlassen sollen, mögen sie den Seelsorger bitten, den Kranken zunächst zu besuchen. – Einen gefährlich Kranken den Empfang der heiligen Sakramente zu vermitteln, ist die größte Wohltat, die ihm seine Freunde erweisen können. Vielleicht erretten sie ihn dadurch vor der Hölle und eröffnen ihm den Weg zum Himmel.
5. Kranken soll man auch sonst geistlichen Bestand leisten, indem man ihnen, ohne aufdringlich zu werden, aus Erbauungs-Büchern, z. B. aus einer Heiligenlegende, vorliest und ihnen kurze Gebete vorspricht. Besonders soll man ihnen Glauben, Hoffnung und Liebe und das Reuegebet vorbeten.
Welche Sakramente sollen wir in gefährlicher Krankheit empfangen?
(201) In gefährlicher Krankheit sollen wir die Sakramente der Buße und des Altars und die Krankenölung empfangen.
Wer hat die Pflicht, für das Versehen der Kranken zu sorgen?
(202) Die Pflicht, für das Versehen der Kranken zu sorgen, haben in der Regel die Angehörigen oder Bekannten des Kranken.
Wie soll sich der Kranke auf das Versehen vorbereiten?
(203) Der Kranke soll sich auf das versehen vorbereiten durch Gewissens-Erforschung und Reue, vertrauen und Ergebung. –
aus: Johann Ev. Pichler, Der Weg zum Leben, Katholisches Religionsbuch, 1919, S. 373 – S. 377