Gläubige Anerkennung des Lehramtes

Foto des katholischen Theologen und Neuscholastiker Johann Baptist Heinrich

Gläubige Anerkennung des Lehramtes  – Seine Notwendigkeit (Fortsetzung §. 85)
aus der Dogmatik von J. B. Heinrich

II. Auf Grund der durch Gottes freien und höchst kongruenten Ratschluss getroffenen Einsetzung eines kirchlichen Lehramtes, zur Bewahrung und Verkündigung der in Christus und seinen Aposteln zur Vollendung gekommenen christlichen Wahrheit, ergibt sich für den Menschen eine doppelte Notwendigkeit zur gläubigen Anerkennung dieses Lehramtes und seiner Lehraussprüche: die necessitas praecepti und die necessitas medii:

1. In der Lehre vom Glauben haben wir gesehen, dass wir das Wort Gottes im Glauben nicht nur deshalb für wahr halten, weil es wahr ist, sondern auch weil Gott, unser Schöpfer, Herr und Vater, uns die Unterwerfung unter sein wahrhaftiges Wort gebietet und als die ihm schuldige Huldigung der Vernunft von uns fordert, daß deshalb der Glaube wesentlich Gehorsam ist. (Vgl. Bd. 1, §. 56, II, S. 562ff. und §. 59, II. B., S. 637 bis 641)

Indem aber Gott das kirchliche Lehramt einsetzte und beauftragte, nicht nur in seinem Namen und an seiner Statt die göttliche Wahrheit uns vorzulegen, sondern auch den Glauben an dieselbe uns zu gebieten, hat er uns verpflichtet, aus Gehorsam gegen ihn der Lehrverkündigung und den Lehrentscheidungen der Kirche nicht nur äußerlichen Respekt, sondern innerlichen Glaubensgehorsam zu leisten. Das ist im geschriebenen und ungeschriebenen Wort Gottes mit höchster Klarheit und mit allem Nachdruck ausgesprochen. Kraft seiner höchsten Macht und Autorität sendet er die Apostel, um in seinem Namen den Menschen das Evangelium nicht nur kund zu machen, sondern ihnen auch, unter Verheißung ewigen Lohnes und Androhung ewiger Strafe, den Glauben an dasselbe zu gebieten und sie dazu anzuhalten.

Wer daher sie verachtet, verachtet ihn und den Vater, und macht sich der ewigen Strafe würdig. Demgemäß haben auch die Apostel und alle ihre Nachfolger sich nicht nur als Lehrer, sondern als Abgesandte Gottes betrachtet, die in seiner Autorität den Gehorsam des Glaubens gebieten. Es ist demnach eine unabweisbare Pflicht für jeden, wie das von Christus eingesetzte Lehramt selbst, so auch alles, was es uns in Christi Namen zu glauben und zu halten gebietet, gläubig anzuerkennen. Das ist die necessitas praecepti. Nur unverschuldete Unwissenheit kann Nichterfüllung dieser Pflicht subjektiv entschuldigen, nimmer aber die objektive Geltung des Gebotes und der daraus resultierenden Pflicht aufheben.

2. Allein nicht nur kraft des positiven Gebotes, sondern auch als unerlässliches Mittel ist der Glaubensgehorsam gegen das kirchliche Lehramt notwendig, und zwar sowohl für jeden einzelnen, als für die ganze Kirche.

A. Für jeden Einzelnen, da ohne den gläubigen Gehorsam gegen das kirchliche Lehramt der zum Heile notwendige göttliche und katholische Glaube unmöglich ist.

Denn, abgesehen von dem Fall unmittelbarer Offenbarung – wovon hier nicht die Rede und welche Gott in der allgemeinen Heilsordnung niemanden zur Erkenntnis dessen schenkt, was er von der Kirche empfangen kann und soll – ist zum Glauben die unfehlbare Proposition des Glaubens-Gegenstandes notwendig. Diese Unfehlbarkeit hat aber Gott einzig und allein dem kirchlichen Lehramt verliehen, nicht aber dem einzelnen unabhängig von der Kirche und ihrem Lehramt. Nur dadurch, dass der Einzelne, der von der Kirche proponierten Wahrheit gläubig zustimmt, nimmt er an der Unfehlbarkeit der Kirche teil und besitzt sein Fürwahrhalten die göttliche Glaubens-Gewissheit. (Vgl. Bd. 1, §. 57, III. B. und §. 58, I, 5, S. 622.)

Wollte man einwenden, die Gnade und innere Erleuchtung könne das äußere Zeugnis der Kirche ersetzen, so ist zu erwidern, dass in der allgemeinen Heilsordnung die Glaubensgnade jeden, der ihr nicht Widerstand leistet, eben dazu bewegt, der von der Kirche proponierten Wahrheit zuzustimmen; keineswegs aber gibt sie das Vermögen, unabhängig von der Kirche die geoffenbarte Wahrheit unfehlbar richtig zu erkennen und gläubig zu erfassen; dieses um so weniger, da jeder, der die Kirche durch eigene Schuld verschmäht, eine schwere Sünde gegen den Glauben begeht, und dadurch die Glaubensgnade sofort und gänzlich verliert. (Vgl. Bd. 1, S. 660, Note 4)

Weit entfernt daher, dass Gott einen solchen, der durch eigene Schuld die Kirche verschmäht, dann zur Erkenntnis der Offenbarungs-Wahrheit erleuchtet, überlässt er ihn zur gerechten Strafe den Finsternissen und Täuschungen seines eigenen Sinnes und der Knechtschaft des Welt- und Lügengeistes, die ihn von Irrtum zu Irrtum führen. (Vgl. Bd. 1, §. 30 und namentlich §. 31.)

Denjenigen allerdings, die ohne Schuld die Kirche und ihr Lehramt nicht kennen und guten Willens sind, pflegt Gott mit mannigfaltigen Gnaden des Glaubens zuvorzukommen, aber diese Gnaden führen sie zur Kirche hin, damit sie aus ihrem Mund die Wahrheit vollkommen vernehmen und ihr Glaube selbst vollkommen werde.

Wollte man einwenden, dass ja nach der Lehre der katholischen Theologen ein jeder, der eine noch nicht von der Kirche deklarierte Wahrheit genügend aus Schrift oder Tradition als von Gott geoffenbart erkennt, dieselbe fide divina glauben könne, ja glauben müsse, und dass mithin ohne Dazwischenkunft des kirchlichen Lehramtes Glaube möglich sei, so verwechselte man zwei wesentlich verschiedene Dinge: die Proposition und die förmliche Deklaration einer Wahrheit durch die Kirche.

Alles, was in Schrift und Tradition enthalten ist, ist auch von der Kirche proponiert, da ja die Kirche die heilige Schrift und die Überlieferung als geschriebenes und ungeschriebenes Wort Gottes uns vorlegt und bezeugt. Daher glaubt auch jeder Gläubige implicite alles, was in Schrift und Tradition enthalten ist, und nur explicite kann er diesen Inhalt teilweise nicht erkennen; wer ihn aber genügend erkennt, ist auch befähigt und verbunden, explicite zu glauben, was er als göttlich geoffenbart und von der Kirche proponiert erkennt.

Stets aber unterwirft er hiebei, eben weil er gläubig ist, sein Verständnis und Urteil, das ja irren kann, dem unfehlbaren Urteil der Kirche. Immer und überall also hängt der Glaube von der Lehrproposition der Kirche ab und ist daher für jeden ohne Ausnahme die kirchliche Lehrautorität necessitate medii notwendig zum übernatürlichen und seligmachenden Glauben.

b. Sie ist aber auch notwendig zur Bewahrung und Verwirklichung der Einheit und Allgemeinheit des Glaubens und damit zum Bestand der Kirche selbst. Denn Einheit und Allgemeinheit des Glaubens und damit der Kirche sind nur dadurch möglich, dass eine Autorität in Glaubenssachen über alle sich erstreckt, und nur dadurch wirklich, dass diese eine Autorität von allen gläubig anerkannt wird. Ein anderes Mittel zur Herstellung und Erhaltung einer wahren Einheit und Allgemeinheit des Glaubens und der Kirche gibt es nach der wirklich bestehenden Ordnung der göttlichen Providenz nicht. Das bestätigt auch die Geschichte der Kirche einer- und die Geschichte der Häresien andererseits. (Vgl. Bd. 1, §. 51, III. B & C. S. 499ff.)

Daraus leuchtet auch ein, dass die erste und wesentlichste Pflicht der Kirche selbst darin besteht, diese ihre Autorität, die ihr von Gott und Christus anvertraut ist, geltend zu machen, und dass desgleichen die erste und wesentlichste Pflicht eines jeden Gliedes der Kirche darin besteht, dieser Autorität sich gläubig zu unterwerfen. So viel über die Notwendigkeit des kirchlichen Lehr- und Richter-Amtes im allgemeinen. –
aus: J.B. Heinrich, Dogmatische Theologie, Bd. 2, 1876, S. 168 – S. 171

siehe auch den Beitrag: Sicherheit für ein unfehlbares Lehramt

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