Die vier himmelschreienden Sünden

Das Bild zeigt die Sünde und ihre Folgen

Was sind die vier himmelschreienden Sünden

Seit Canisius faßt man die himmelschreienden Sünden in dem Memorialvers zusammen:

Clamitat ad coelum vox sanguinis et Sodomorun,
Vox oppressorum, merces detenta laborum.

Mord, sodomitische Sünde, die Unterdrückung der Armen, Witwen und Waisen, sowie die Vorenthaltung und Entziehung des verdienten Arbeitslohnes heißen „himmelschreiende“ Sünden, weil sie eine die Natur des Menschen alterierende sittliche Verderbnis bedeuten: sie stellen eine die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung erschütternde gewaltsame Verkehrung zumal der sozialen Triebe dar und fordern daher in besonderem Maße Gottes Strafgerechtigkeit heraus, weshalb sie von der Heiligen Schrift auch ausdrücklich als zum Himmel um Rache schreiende Sünden bezeichnet werden (Gen. 4,10; 18,20f; 19,13; Ex. 3,7; 22,22f; Deut. 24,14f; Jak. 5,4). Es sind, was die Voraussetzungen betrifft, Sünden, verübt cum certa malitia, Bosheits-Sünden, die trotz Kenntnis des schwer verbindlichen Gesetzes geschehen, und zwar mit kalter Berechnung und andauerndem Vorsatz. Hieraus ergibt sich klar, daß bei diesen Sünden ein gemeinsames Artmerkmal in die Erscheinung tritt, eine besondere Art oder Gattung von Sünden zu erachten.

1. Als Mord erscheint jede vorsätzliche und direkt gewollte ungerechte Vernichtung eines Menschenlebens, einschließlich der procuratio abortus. In den Bereich der ersten himmelschreienden Sünde mit ihrem entsetzlichenUnrecht gegen die Person des Nächsten und ihrer Verkehrung des natürlichen Triebs des Mitleids, fällt auch jegliche unnatürliche Grausamkeit gegen den Nächsten wie Versklavung, Mädchenhandel, Kindesaussetzung unter Gefahr des Todes, ungerechter Krieg. Nicht ohne Grund hat man auf eine Stufe mit dem leiblichen Mord in gewissem Sinn den geistigen Mord gestellt, verschuldet durch kalt berechnende Verleumdung und Ehrabschneidung. (S. Lindenmann, Lehrbuch, S. 180f)

2. Die sodomitische Sünde im engeren Sinne, ubi non servatur debitus sexus (S. th. 2,2 q.154, a. 12 ad 4), ist unter den Sünden der Unzucht nach der Bestialität die schändlichste. (Augustinus, De bono coni. 11,6) Im weiteren Sinne gehören dazu alle Arten unnatürlicher Wollust mit absichtlicher Vereitelung der Fortpflanzung (Gen. 19,5; Lev. 18,22; 20,13; Röm. 1,26f u.ö.), so die „verabscheuungswürdige“ Tat Onans (Gen. 38,7ff). Zwischen Sodomie und Mord besteht objektiv, sofern beide gegen den Bestand des Menschengeschlechtes gerichtet sind, oft aber auch subjektiv, wie Verirrungen nach Art des Sadismus und Masochismus erkennen lassen, eine enge Beziehung (Amos 2,7)
Die Anstrebung der Straflosigkeit der Sodomie ist trotz Vorkommens krankhafter Anlage eine schwere Verirrung, ein Erfolg dieser Bestrebungen würde einen weiteren Schritt zu ungehemmter Betätigung spätrömisch- und griechisch-heidnischer Unsittlichkeit bedeuten.

3. Die Unterdrückung der Armen, Witwen und Waisen, die mitleidslose Ausnützung der Hilflosigkeit der Ärmsten und Schwächsten steht im schroffen Gegensatz zum natürlichen Rechtsgefühl, das zur Beschützung der Hilflosen drängt und sich angesichts solcher Ausnützung empört. Hierher gehören gewisse Sünden der Ungerechtigkeit in Vormundschafts- und Erbschafts-SachenJustizmord, schweres Unrecht infolge von Bestechlichkeit des Beamten und Richters, Beugung des Rechtes gegenüber der Not oder Unschuld (Is. 10,1f; Matth. 23,14) (Hieronymus, In Ez. 5,16), despotischer Missbrauch der politischen Gewalt.

4. Die Vorenthaltung des verdienten Lohnes erscheint als schroffer Gegensatz zum klarsten und unantastbarsten Rechtstitel, dessen Verletzung zudem ein armes Hauswesen aufs schwerste treffen muss. Ähnlich zu beurteilen sind betrügerischer oder leichtfertiger Bankrott, ungerechtfertigte Verteuerung der Lebensmittel, vor allem durch Missbrauch des Monopols, des Kartells oder Ringes, ferner Verfälschung der Nahrungsmittel, zumal durch Beigabe gesundheitsschädlicher Bestandteile, sodann Wuchergeschäfte, Einrichtungen zur Ausbeutung der auf ihrer Hände Arbeit Angewiesenen durch Systeme wie das Cottage- und Trucksystem. Ursprünglich dienten diese beiden Einrichtungen den Zwecken der Ermöglichung besserer Wohnung und Ernährung für die Arbeitenden, in der Folge aber wurden sie in habsüchtiger und egoistischer Weise zu deren Schaden ausgenützt. „Zu den erschreckenden Momenten in den sozialen Zuständen unserer Zeit gehört nicht so fast die ungleiche Verteilung des Besitzes und der weit verbreitete Pauperismus, sondern die Ungerechtigkeit im Erwerb der Reichtümer, der durch die gesellschaftlichen Einrichtungen denen am meisten erleichtert ist, die am rücksichtslosesten die niederen und mittleren Stände ausbeuten.“ (Linsenmann, Lehrbuch, S. 182) –
aus: Otto Schilling, Lehrbuch der Moraltheologie, I. Band: Allgemeine Moraltheologie, 1927, S. 327 – S. 329

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