Die Stufen der humanistischen Rebellion

Die Stufen der humanistischen Rebellion gegen Gott

So ergeben sich in absteigender Reihe die folgenden Stufen der humanistischen Rebellion gegen den Gott der Offenbarung:

Erste Stufe der Rebellion: Moral nach eigenen Bedürfnissen

1. Das Menschentum mit Gott. Man nimmt etwa noch einen Gott der Vernunft-Religion an, vielleicht sogar einen Gott der Offenbarung, aber nicht aus Pflicht, weil der sterbliche Mensch dem höchsten Herrscher glauben und gehorchen muss, sondern aus persönlicher Gnade, weil der Menschengeist es so gut findet, und weil das Individuum so will.

Jedoch macht man sich die Moral nach eigenen Bedürfnissen zurecht, und hält sich nur innerhalb derselben für verantwortlich. Dies ist der Standpunkt der ersten Deisten und des beginnenden Rationalismus auf dem Kontinent gewesen.

Zweite Stufe der Rebellion: Leugnung der göttlichen Weltregierung und Vorsehung

2. Das Menschentum ohne Gott mit seinem gleichnamigen Staat rückt den Herrn, wenn es ihn auch etwa noch als Weltenschöpfer oder Weltbildner gelten lässt, so weit hinter die Berge, daß die menschliche Freiheit diesseits von ihm durchaus Nichts zu fürchten hat. Somit wird die göttliche Weltregierung und Vorsehung geleugnet; der souveräne Mensch hat nur vor sich selbst und Seinesgleichen noch eine Verantwortung, und höchstens ist noch die Weltgeschichte das Weltgericht.

Dritte Stufe der Rebellion: Der Staat als allgegenwärtiger Gott

3. Das Menschentum selbst Gott, entweder im Sinne des Pantheismus, wo das göttliche All-Eins im Menschengeist zum Selbstbewusstsein und Denken empor dringt, oder im Sinne des Materialismus, wo es überhaupt nichts Höheres geben kann, als daß der Weltbrei endlich als Mensch gar denkt. Dann ist der Staat „der allgegenwärtige Gott“, „die einzige Quelle der Gesetzgebung“, „das Gesetz das öffentliche Gewissen“, der passive Widerstand selbst gegen die schreiendste legale Ungerechtigkeit eine Rebellion, und der Grundsatz, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen, eine strafwürdige Ketzerei, dann träumt man vom unendlichen Fortschritt, von dem „werdenden Gott“ des Freimaurertums, vom Kultus des menschlichen Genius und der Göttlichkeit der menschlichen Würde. Tatsächlich aber ruft der Mensch nur wieder die Sätze des ersten Rebellen: „Zum Himmel will ich aufsteigen, über die Sterne Gottes setzen meinen Thron, auf dem Berg des Bundes wohnen, auf der Seite gegen Mitternacht. Ich steige auf der Wolken Höhen, dem Höchsten will ich gleich sein.“ (Is. 14, 13f)

Vierte Stufe: Die Menschheit ist Gott, Gott dagegen ein Usurpator

4. Das Menschentum gegen Gott ist dann die notwendige logische Folgerung. Denn ist die Menschheit Gott, so wird der persönliche Gott ein Prätendent, welcher mit allen Waffen geschlagen werden muss, ein Usurpator, welcher der menschlichen Unabhängigkeit Konkurrenz macht und gar den Krieg erklärt. So ergibt sich dann jener förmliche Hass Gottes — das satanische Laster —, welchen man schon als Kennzeichen der Gegenwart hat bezeichnen wollen. Daher stammt der Satz: „Die natürliche Religion ist der einzige wahre religiöse Glaube, welcher je auf Erden bestand; . . . das ist die große Wahrheit, welche die ganze moderne Philosophie durchdringt, . . . lassen wir uns nicht betrügen: wir können nicht zweien Herren dienen, Glaube an Gott ist Unglaube an die Natur“. (1) Auf solche Weise wird uns jene schauerliche Gehässigkeit klar, womit das positive Christentum von der antitheistischen Humanität in fast allen Äußerungen des öffentlichen Lebens verfolgt wird. (2)

(1) De elementen der sociale Wetenschap, vrij naar het engelsch door een Dr. der Geneeskunde, Rotterd., 1873, 8°, p. 208. Die gesperrten Worte sind es gleichfalls in dem Buche. — S. Der stille Krieg der Freimaurerei gegen Thron und Altar (Freiburg, 1873) S. 104 ff. ; 166 fff. — Laacher St., B. I, S. 33.

(2) Im Febr. 1874 schildert diesen Zustand ein Hirtenbrief des Kardinals und Fürst-Erzbischof von Wien, O. v. Rauscher, mit den Worten:

„Die Presse tobt offen und ohne Unterlass wider das Christentum und jede ernstliche Betätigung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; schon schwärmt sie auch für die Republik, welcher sie überall, wo ein Gewaltstreich den Thron umstürzte, ein unveräußerliches Recht zuschreibt. Die Schule ist vorzüglich im Mittelpunkt des Reiches ganz von der Partei beherrscht, welche die Welt durch die Losreißung von Gott beglücken will. Das Jagen nach Geld und Gut steigert sich, aber noch mehr der entzügelte Genuss; darum mehren in demselben Verhältnis sich Verbrechen und Selbstmorde. Die Spekulation, von deren ungehindertem Schalten man den Österreichern goldene Berge verhieß, hat in den letzten Jahren eine fieberhafte Tätigkeit entwickelt; doch fand in ihr sich wenig von dem Unternehmungsgeist, der England und Nordamerika reich gemacht hat.

Meistens kam sie auf das Börsenspiel hinaus, welches unfruchtbar ist, weil, was der Eine gewinnt, der Andere verlieren muss, und schließlich stets zum Nutzen des großen und zum Schaden des kleinen Kapitals ausschlägt. Voran gingen mit gewohnter Regsamkeit die Juden, welchen der Alte Bund nicht mehr, als der Neue gilt; denn diese waren von allen Seiten nach Österreich als einem neu eröffneten gelobten Lande herbei geströmt. Die Sache nahm ein klägliches Ende.“

Über die religionsfeindliche Strömung unserer Tage schreibt der greise und gelehrte Kirchenfürst: „Die Aufforderung zur Verachtung der Religion ergeht von allen Seiten her. Die Tagespresse verstärkt ihre Trugschlüsse, Schmähungen und Lügen gelegentlich durch Zerrbilder. Die Bühne ködert die Unterhaltungslustigen durch Verhöhnung der Religion und des sittlichen Gefühles. Der Wiederhall dieser Stimmen ertönt in den Schenken und Kaffeehäusern und dringt sogar in die Schule, wo die unglückliche Jugend häufig einem Verführer preisgegeben ist. Wiewohl wenige Jahre verflossen sind, seit die christliche Wahrheit bei uns öffentlicher Verspottung preisgegeben ist, so treten doch die Folgen schon deutlich hervor.

Das Unheil, welches solche Zustände bringen, steht ebenso wenig still, als die vom Berge niederrollende Lawine; wird ihm nicht Einhalt getan, so breitet es ſich mit beschleunigter Schnelligkeit aus. Hat es einen gewissen Grad erreicht, so neigt der Thron sich zum Sturz, und die Bande der Gesellschaft lösen sich . . .“

Der Mensch ist sein eigener Lehrer und Seligmacher

Weiter kann sich der Mensch von Gott und der Offenbarung nicht mehr entfernen, als es in der Humanität geschieht. Von Irrlehren sprechen ist fast ein Kinderspiel geworden, da man nicht mehr den einen oder anderen Satz des Christentums, sondern den Glauben verwirft und den übermenschlichen, außerweltlichen und persönlichen Gott als Feind der Menschheit hinstellt. Wir stehen vor dem Satanismus, der tiefsten Verirrung, deren ein vernünftiges Geschöpf fähig ist.

Der Mensch genügt sich selbst, ist sein eigener Herr, sein eigener Lehrer, sein eigener Seligmacher, sein eigenes Ziel und Ende.

So ist das Wort des ersten Verführers: „Ihr werdet sein wie Gott“, das Ideal des tiefsten Abfalls geworden. Und doch war selbst diese erste Lüge an einen Menschen nicht volle Unwahrheit. Bestätigt der Gottessohn doch selbst das Wort des Alten Bundes (Pf. 81, 6), indem er wiederholt: „Ich sage: ihr seid Götter.“ (Joh. 10, 34.) Er wollte den Menschen zur übernatürlichen Schönheit und Seligkeit erheben durch die freiwillige Unterwerfung unter den göttlichen Willen; das humanistische Antichristentum vergöttert den Menschen durch die Revolte gegen Gott, indem es ihn lehrt, sich selbst zum Gott zu machen und jede Autorität als menschenunwürdige Sklaverei zu verdammen. Der Abgott der Humanität ist das eigene Ich, das in höllischem Hochmut sich selbst anbetet, die göttliche Allseligkeit affenartig nachahmt, indem es mit maßloser Genusssucht Alles in sich verschlingt; das Ich, welches keinen anderen Gott neben sich, keinen anderen Kult neben dem seinigen duldet! (1)

(1) Siehe Dr. Scheeben, periodische Blätter, 1873, S. 11. — Sollten es die Zeiten sein, welche in der Offenbarung Joh. 13, 5—9 gezeichnet werden. –
aus: Georg Michael Pachtler SJ, Der Götze der Humanität, 1875, S. 12 – S. 16

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