Die Missionsarbeit des heiligen Alphons von Liguori
Dreißig Jahre alt, empfing er die Priesterweihe, und nun predigte er alle tage in den Kirchen, wo das vierzigstündige Gebet stattfand, vor einer Menge Volkes aus allen Ständen. Auch ihm, wie so vielen andern heiligen, konnten die verstocktesten Herzen nicht widerstehen. Zwei große Misstäter, in Verbrechen graugeworden, hörten ihn zum ersten Mal predigen und wurden so gerührt, daß sie ihre bösen Wege ganz verließen und bis zum Ende ihres Lebens in so strenger Buße lebten, daß ihr Andenken noch jetzt bei ihren Landsleuten in Ehren steht. Auf seine gottbegeisterten Predigten fühlte man bald in der verdorbenen Hauptstadt eine auffallende Veränderung der Sitten.
Das Predigen auf der Kanzel genügte seinem Eifer nicht; er versammelte des Abends das arme, unwissende Volk auf den Plätze Neapels und lehrte es Gott kennen und lieben. Wenn er predigte, so leuchtete sein Antlitz, seine Worte fielen bald wie milder Tau, bald wie flammende Schwerter in das Herz. Als die Landschaft Apulien durch ein furchtbares Erdbeben heimgesucht wurde, beriefen die Bischöfe mehrere Missionare und auch Alphons, um dem Volk Buße zu predigen.
Da geschah es, daß, als Alphons in der Stadt Foggia vor einer großen Menge Volkes predigte, aus dem wundertätigen Muttergottes-Bilde, das auf dem Hochaltar stand, ein Lichtstrahl auf Alphonsus fiel. Laut aufschrie das Volk: „Ein Wunder, ein Wunder!“ und sehr verhärtete Sünder bekehrten sich und bekannten voll Reue ihre Sünden. Besonders das gemeine Volk hörte dem Heiligen so gerne zu, da es teils nach dem Worte Gottes hungerte, teils auch weil Alphons verständlich predigte. –
Er konnte aber nicht allem Volk genügen, daher verteilte er eine große Anzahl von den armen Leuten unter mehrere seiner eifrigsten und best unterrichtetsten Büßer, die nun den Katechismus erklärten.
Durch seine Missionen sowohl in den Städten als auf dem Lande, hatte Alphons die größten Nöten des armen Volkes kennen gelernt. Er sah, wie aus Mangel, an geistlicher Hilfe viele Seelen zu Grunde gingen, und wie die Unwissenheit und die daraus entstehende Unsittlichkeit so großes Verderben anrichte. Diese so traurige Wahrnehmung zerriß ihm das Herz und es kam ihm der Gedanke, daß diesem Übel durch eine Versammlung eifriger Priester endlich abgeholfen werden könnte, welche sich der Pflicht unterzögen, dem armen Volke besonders auf dem Lande zu predigen und christlichen Unterricht zu erteilen.
Während Alphons mit diesem Gedanken umging, gab er zu Scala, wohin er sich krankheitshalber in eine kleine Einsiedelei mit den Missions-Priestern zurückzog und in strengster Buße lebte, den Klosterfrauen geistliche Übungen. Unter denselben befand sich eine fromme Jungfrau, Mariä Cölestina, welche Alphons in ihren Gewissens-Angelegenheiten um Rat fragte. Mitten im Gespräch rief sie aus: “Alphons! Gott will, daß ihr nicht länger in Neapel bleibet. Er will durch euch eine Versammlung von Priestern gründen, die dem verlassensten Volke mit geistlicher Hilfe beistehen werden.“
Alphons verwunderte sich über diese Worte, denn er hatte seinen Plan noch Niemanden entdeckt; um aber Gottes Willen in dieser Sache deutlicher zu erfahren, betete er mehr als sonst, übte noch strengere Bußwerke und befragte die frommen und gelehrten Bischöfe der Gegend um Rat. Alle billigten sein Vorhaben, ebenso auch sein Beichtvater…
Ohne Aufhören flehte er im heißen Gebet zu Gott und bald wurde sein Flehen erhört. Gott sendete ihm fromme und eifrige Mitarbeiter zu, so daß nach einiger Zeit die Versammlung der Missionspriester schon drei Häuser zählte. Jetzt begann Alphons seinem neuen Orden bestimmte Regeln vorzuschreiben, die er nur nach reiflicher Überlegung mit beständigem Gebet und unter vielen Bußwerken verfaßte. Er gab seiner Versammlung den Namen „Kongregation des allerheiligsten Erlösers“ und stellte sie unter den ganz besonderen Schutz der allerseligsten Jungfrau. Der Hauptzweck seiner Versammlung sollte sein: Die Heiligung des Volkes. Deshalb setzte er unter anderm fest, daß die Priester der Versammlung mit Erlaubnis der Bischöfe in den verschiedenen Pfarreien, wohin man sie rufe, Missionen für das Volk halten, und daß die Häuser seines Ordens frommen Weltleuten offen ständen, um dort auf mehrere Tage in der Einsamkeit unter Leitung eines Missionspriesters Betrachtungen oder geistliche Übungen halten zu können.
Im Jahre 1749 bestätigte der Papst Benedikt XIV. die Regel des Heiligen, und derselbe hatte die Freude, seine Versammlung, trotz aller Hindernisse und Verfolgungen, immer weiter ausbreiten zu sehen… Er selbst war der eifrigste Missionar; im ganzen Königreich Neapel wird kaum eine Stadt oder ein Dorf zu finden sein, wo er nicht das Wort Gottes verkündigt und eine unzählbare Menge Menschen vom Rande des Verderbens auf den Weg der Tugend zurück geführt hat. Er begab sich immer zu Fuß oder höchstens zu Pferd, auch bei der größten Hitze, auf die Mission; auf dem Wege sprach er mit seinen Gefährten von göttlichen Dingen, betrachtete oder betete den Rosenkranz, und damit Gott seine Arbeit segne, verrichtete er immer, wenn er in die Nähe einer Ortschaft kam, besondere Gebete. Sobald er in die Kirche trat, warf er sich vor dem Tabernakel nieder und betete das heiligste Sakrament an, dann bestieg er sogleich die Kanzel und lud das Volk ein, fleißig der Mission beizuwohnen. Während der Mission wählte e sich die mühsamsten Predigten und stellte mit dem Volk so rührende Betrachtungen über das Leiden Christi an, daß er oft wegen des Weinens der Zuhörer einhalten musste. Wenn er predigte, so drangen seine Worte wie Pfeile in die Herzen und schon sein ehrwürdiges Antlitz machte den tiefsten Eindruck. In Salerno beichtete einst ein großer Sünder einem Pater der Kongregation, und als ihn dieser fragte, welches denn die Ursache seiner Bekehrung sei, gab er zur Antwort: „Gestern konnte ich wegen der Menge des Volkes in der Kirche keinen Platz finden, als ich aber den Pater Alphonsus so fromm und demütig einhergehen sah, da fühlte ich plötzlich eine große Reue über mein sündhaftes Leben.“ –
Als er im hohen Alter nicht mehr predigen konnte, verlangte das Volk, daß er wenigstens die Kanzel besteige, und sobald ihn die Zuhörer sahen, fingen sie schon laut zu weinen an, solchen Eindruck machte sein Äußeres auf die herzen.
So wie auf der Kanzel, so war er auch unermüdlich im Beichtstuhl. Tag und Nacht war er bereit, die Büßer dort aufzunehmen und mit Gott zu versöhnen. Da aber hatte er auch die Herzen in seiner Hand und seine Gewalt über dieselben war so groß, daß keiner ungerührt und ohne Trost von dannen ging. Die verstocktesten Herzen mussten von seinen Worten weich werden. Eines Tages beichtete ihm ein Edelmann mit der größten Gleichgültigkeit die schwersten Sünden und schloß seine Beichte mit den Worten: „Ich weiß weiter nichts.“ Alphonsus blickte ihn mitleidig an und sagte: „Mein Sohn, hättest du etwa mehr Sünden begehen, hättest du Jesus Christus noch mehr beleidigen wollen?“ Durch diese wenigen Worte wurde der Edelmann bekehrt und führte von nun an ein erbauliches Leben.
Die Folge seiner unausgesetzten Bemühungen auf den Missionen, die er hielt, waren von Gott reich gesegnet. Jahrelange Feindschaften hörten auf, ungerechtes Gut wurde in Menge erstattet, Spiel und Wucher nahmen ein Ende, gottlose Liebschaften wurden aufgelöst, die Sittenlosigkeit nahm ab, allenthalben fing unter dem Volk ein christliches Leben zu blühen an. Um die guten Früchte der Missionen zu bewahren, führte er überall fromme Vereine und Bruderschaften für alle Stände ein und bewirkte, daß das Volk täglich das heiligste Altarsakrament besuchte, gemeinschaftlich den Rosenkranz zu Hause und in der Kirche betete, und die göttliche Mutter Maria kindlich verehrte. Damit das Volk immer ein Andenken an die Missionen vor Augen habe, ließ er am Schluß jeder Mission ein großes Kreuz aufrichten, mahnte die Zuhörer zur Beharrlichkeit und forderte sie auf, vor dem Kreuz zu beten und ihre Vorsätze zu erneuern.
Es ist nicht möglich, zu beschreiben, was dieser große Diener Gottes durch seine Missionen zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen Gutes gewirkt hat; Gott allein sind die Seelen bekannt, die er aus dem tiefen Elend der Sünde gerettet hat… Die Missionspriester des heiligen Alphons, oder: die Väter Redemptoristen, wie sie gewöhnlich genannt werden, haben sich seit dem Tode des heiligen Alphons in die verschiedenen Länder Europas und Amerikas verbreitet. Wohin sie kommen und wo sie predigen, legen sie den Grund zu einem neuen christlichen Leben, unzählbar sind die Bekehrungen großer Sünder und die Hölle setzt daher auch alle Kräfte in Bewegung, um diese Sendboten des Heiles in ihren Arbeiten zu stören und sie selbst zu vernichten. Sie werden von Feinden Gottes und der Kirche gehaßt, verleumdet, verfolgt, wie der Erlöser, dessen heiligsten Namen sie tragen; …
So unermüdlich Alphonsus auf den Missionen beschäftigt war, so viel Sorge er auch auf die Leitung seiner großen Versammlung verwendete, so viel Mühe und Arbeit ihm die Verwaltung seines bischöflichen Amtes verursachte, obschon er Tag und nacht dem Gebet und den Bußübungen oblag, so fand er dennoch Zeit, die schönsten Belehrungs- und Erbauungs-Bücher zu schreiben, welche gegen 60 Bände ausmachen, und die er für Christen aus allen Ständen verfaßte. In seinen Schriften findet sich nach dem Zeugnis des frommen Papstes Pius VII. nicht der geringste Irrtum, und derselbe Papst nannte ihn einen glänzenden Stern in der streitenden Kirche und verlangte, daß man drei seiner Finger nach seinem Tode nach Rom schicke; jene Finder, sagte der Papst, die so schöne Dinge zur Ehre Gottes geschrieben haben. O wie viele Seelen sind schon durch die Bücher des Heiligen auf den rechten Weg zurück geführt und zur Vollkommenheit geleitet worden!
Willst du, lieber Leser, ein gutes Buch zur Belehrung und Erbauung haben, so verschaffe dir die „Besuchungen des allerheiligsten Altarsakramentes“, das Buch „von der Menschwerdung“, „von der Erlösung“, „die christlichen Tugenden“, „die Braut Christi“, „die Vorbereitung zumTod“, „den Weg des Heiles“, die Abhandlung über „das Gebet“ etc. vom heiligen Alphonsus Liguori.
In der Nacht vor seinem Tode öffnete er nochmals die Augen; sein Angesicht leuchtete, man bemerkte, daß er lächelte und war der Meinung, daß ihm Maria erschienen sei, denn um diese Gnade hatte er die heilige Jungfrau oft gebeten. Am Morgen des folgende Tages, 1. August 1787, starb er, das Bild des Gekreuzigten und der heiligen Jungfrau in der Hand haltend, zu Nocera, 90 Jahre, 10 Monate und 5 Tage alt. Schon gleich nach seinem Tode verehrte ihn das Volk wie einen Heiligen, und Wunder geschahen an seinem Grabe. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 2, 1904, S. 1320-1327