Die Leiden Mariä in der Reinigung

Das Martyrium der schmerzhaften Mutter Jesu: das Schwert im Herzen

Leidensvoll war für Maria die Zeremonie der Reinigung

Leidensvoll und leidensschwer war für Maria die Zeremonie der Reinigung und die Bedeutung derselben. Denn bei der Reinigung mussten folgende Gebräuche beobachtet werden. (Vide e Baron. Corn. A Lap. In Luc. c. II. v. 24) Zuerst mussten Maria und Joseph mit dem göttlichen Kind sich von Bethlehem nach Jerusalem begeben, was zur rauhen Winterszeit für Arme und zu Fuß Reisende sehr mühsam und sehr beschwerlich war, besonders für die zarte jungfräuliche Mutter, die in ihrer himmlischen Sittsamkeit den Anblick der Menschen zu meiden gewohnt war, und auf dieser weiten Reise das göttliche Kind abwechselnd mit Joseph auf ihren Armen tragen musste. Versetzen wir uns nur lebhaft in ihre Lage, und wir werden leicht einsehen, daß das Leiden groß war, dem sie sich hier unterzog; besonders da sie noch überdies liebend mitfühlte, was das göttliche Kind selbst litt, und ihr heiliger Bräutigam zu erdulden hatte. In Jerusalem angekommen, musste sie sich mit dem göttlichen Kinde in den Tempel begeben, da in den „Vorhof der Unreinen“ gehen, und in demselben bleiben; denn es war solchen Müttern nicht erlaubt, in den „Vorhof der Reinen“ einzutreten, weil sie vom Gesetz Gottes selbst als unrein erklärt waren. Betrachtet nun Maria mit ihrem göttlichen Kind einige Augenblicke in diesem Vorhof. Von ihrem göttlichen Kinde, der ewigen Weisheit des himmlischen Vaters, ist in der Schrift gesagt, und die heilige Kirche gebraucht dieselben Worte auch von ihr, und sie gelten somit, wie vom Kinde, so in einem gewissen Sinne auch von seiner Mutter: „Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes, und ein reiner Ausfluss der Klarheit des allmächtigen Gottes; darum kommt nichts Unreines zu ihr. Denn sie ist der Glanz des ewigen Lichtes, und wo der makellose Spiegel der Herrlichkeit Gottes, und das Bild seiner Güte.“ (Sap. c. 7, 25. 26) Dieser „Hauch der Kraft Gottes, dieser „reiner Ausfluss der Klarheit des allmächtigen Gottes“, zu dem „nichts Unreines kommt“, dieser „Glanz des ewigen Lichtes“, dieser „makellose Spiegel der Herrlichkeit Gottes“, dieses „Bild seiner Güte“ darf an diesem Kind und an seiner Mutter nicht in den „Vorhof der Reinen“ eintreten, sondern muss in dem „Vorhof der Unreinen“ bleiben, und „als unrein“ erscheinen! Liebes Kindlein! Was fühlst du denn da für dich? Was fühlst du denn da für deine Mutter? Liebe Mutter! Was fühlst du denn da für dich? Was fühlst du denn da für dein Kind? Wohin seid ihr denn da geraten? Wer dies ergründen kann, der ergründe es; und wer es fassen kann, der fasse es! Aber was wollt ihr denn damit, da ihr euch freiwillig in diese unbegreifliche Lage versetzt habet? Maria müsste, abgesehen von allem Übrigen, schon in dieser Beziehung der Wahrheit gemäß antworten: Mein göttliches Kind büßt da vor seinem himmlischen Vater für die Verunreinigung, mit der die Sünde den Himmel und die Erde befleckt hat, und ich leide mit ihm aus derselben Ursache dasselbe unaussprechliche Leiden.

Alles für die Sünde mißbraucht

Habt ihr niemals nachgedacht, geliebte Christen! wie die Sünde Alles verunreinigt und was dies sagen wolle? Die ganze Schöpfung, jedes einzelne Geschöpf ist ursprünglich aus der Hand des Schöpfers hervor gegangen, ist sein Werk, und war rein und unbefleckt; keine Sünde aber kann begangen werden, außer von einem solchen Geschöpf Gottes und an einem solchen Geschöpf Gottes, das zur Sünde mißbraucht wird. Ort und Zeit, Licht und Finsternis, Hab und Gut, Speise und Trank, Kleidung und Wohnung, Leib und Seele werden zur Sünde mißbraucht, und darum von der Sünde befleckt und verunreinigt. Nun bedenkt, wie die Engel im Himmel gesündigt haben, wie die Menschen auf Erden vom Anfang her sündigen, und fort sündigen bis an das Ende der Welt, wie verunreinigt muss also die Schöpfung, und wie unrein muss jeder Sünde selbst sein! Bedenkt überdies, daß die Verunreinigung, welche von der Sünde kommt, der gerade Gegensatz zur Reinheit und Heiligkeit Gottes, und somit vor Gott unendlich häßlich und ein unerträglicher Gräuel ist. So werdet ihr nun auch begreifen, wie zur Versöhnung darüber mit Gott die Gerechtigkeit Gottes es für angemessen hielt, daß der Gottmensch zur Sühnung und Genugtuung diese Unreinigkeit auf sich nahm, und als das Kind einer verunreinigten Mutter am Ort der Unreinen erscheinen, und wie Maria selbst diese schwarze, alles verdunkelnde Hülle der Finsternis auf sich nehmen sollte. Da aber die Menschen auch nach vollbrachter Erlösung das Sündigen nicht aufgeben, so werdet ihr auch begreifen, warum Gott am Ende der Welt Alles durch Feuer reinigen wird, wie geschrieben steht: „Sieh, der Herr wird kommen im Feuer, wie der Sturmwind werden kommen seine Wagen, um seinen Zorn auszuhauchen im Grimm, und sein Schelten in Feuerflammen. Denn der Herr wird mit Feuer richten.“ (Isai. 66, 15. 16) Daher warnt und mahnt der heilige Petrus alle Gläubigen: „Es wird aber der Tag des Herrn kommen, wie ein Dieb; da werden die Himmel mit großem Gekrache vergehen, die Elemente vor Hitze schmelzen, und die Erde samt den Werken auf ihr verbrennen. Da nun dieses Alles zergehen wird, wie sehr sollt ihr euch befleißen, mit heiligem Wandel und Gottseligkeit zu warten, und entgegen zu eilen der Ankunft des Tages des Herrn, durch welchen die Himmel vom Feuer zergehen, und die Elemente von der Hitze des Feuers zerschmelzen! Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt. Da ihr nun, Geliebteste! Dieses zu erwarten habt, so befleißet euch, daß ihr vor ihm unbefleckt und tadellos im Frieden erfunden werdet.“ (2. Petr. 3, 10-15) Unsere Sünden haben dem göttlichen Kinde und seiner Mutter den „Vorhof der Unreinen“ bereitet, und sie selbst mit dem Mantel der Unreinigkeit bedeckt; und ihrer sich selbst vergessenden Hingebung verdanken wir es, daß wir gereinigt werden können.

Das Reinigungswasser

Was für Zeremonien wurden denn nun bei der Reinigung selbst vorgenommen, und was bedeuteten dieselben? Zuerst war es das Reinigungswasser, mit welchem die Mutter des Kindes besprengt wurde. Um dieses Wasser nach der Vorschrift des Gesetzes zu bereiten, musste eine rötliche Kuh geschlachtet und verbrannt, dann die Asche davon mit fließendem Wasser vermischt werden. Von dieser Asche sagt das Gesetz: „Ein reiner Mann soll die Asche der Kuh sammeln, und sie außerhalb des Lagers an einen sehr reinen Ort schütten, daß sie da aufbewahrt werde für die Gemeinde der Söhne Israels, und zum Sprengwasser diene; denn die Kuh ward für die Sünde verbrannt.“ (Num. 19, 9) Das Opfer dieses Tieres war also ein Sündopfer, und die rötliche Farbe desselben bedeutete die irdische, die sündhafte Gesinnung des Übertreters des Gesetzes. Die Besprengung mit diesem Reinigungs-Wasser bedeutete daher die Abwaschung von der Sünde und von der sündhaften Gesinnung, und mit diesem Wasser wurde Maria besprengt, da es zu allen Reinigungen gebraucht wurde. (Vide Corn. A Lap. 1. c.) Das Opfer der einen Turteltaube oder der einen jungen Taube wird im Gesetz ausdrücklich als „das Opfer für die Sünde“ bezeichnet (Levit. 12, 8), und das Girren dieser Tiere sollte die Zerknirschung des Herzens, die bußfertige Gesinnung, das Seufzen des Sünders anzeigen, womit er seine Reinigung von der Sünde begehrte. Dieses Sündopfer mit diesem Zeichen bußfertiger Gesinnung musste also Maria in dem Vorhof der Unreinen darbringen. Alle diese Zeremonien waren also für Sünderinnen bestimmt, sollten ihnen eine bußfertige Gesinnung einflößen, und durch die innere Reue, da sie an sich keine Sünden-Vergebung bewirken konnten, fähig machen, vermittelst der Gnade die Vergebung der Sünden zu erlangen. Diese Zeremonien hatten besonders auch die innigste Beziehung zur Erbsünde, und setzten voraus, daß diese Mütter ihre Kinder in der Erbsünde und in allen verunreinigenden Folgen der Erbsünde empfangen hätten; und diesen Zeremonien musste sich Maria unterwerfen.

Maria musste schweigen von ihrer Sündenlosigkeit

Maria musste hier also schweigen von ihrer eigenen unbefleckten Empfängnis, schweigen von ihrer Reinheit von jeder persönlichen Sünde und Unvollkommenheit, schweigen von ihrer Gnadenfülle, schweigen von ihrer unversehrten Jungfrauschaft, schweigen von dem großen Geheimnis, daß ihr Kind der Sohn Gottes sei, und daß sie ihn von dem heiligen Geist empfangen habe, schweigen von seiner wunderbaren Geburt, welche den Himmel und die Erde in Bewegung setzte, und die Engel Gottes, die Juden und die Heiden zu seiner Anbetung herbei rief; sie musste dagegen sich selbst als ein gemeines, sündhaftes Weib und ihren göttlichen Sohn als einen gewöhnlichen Erbsünder ansehen und behandeln lassen, und dies nach der Vorschrift des Gesetzes, zu Jerusalem, im Tempel des Herrn, öffentlich und feierlich über sich und über ihr göttliches Kind ergehen lassen. Maria ist hier um eine Stufe unermeßlicher Tiefe weiter in den Abgrund menschlichen Elends hinab gestiegen und wollte ihrem göttlichen Sohn auch in dem ähnlich werden. Das göttliche Kind hat die Sünden der Welt und den Fluch derselben auf sich genommen, um uns davon durch seine Genugtuung zu befreien; diese Genugtuung leistete es aber durch alle möglichen Leiden, denen es sich so unterzog, als wenn es sie alle begangen hätte, als wenn es allein der ganze große Sünder wäre; und hierin wollte ihm seine unbefleckte, immer reine, gnadenvolle, heiligste Mutter folgen, und stets zur Seite sein. Wir sehen hier Maria mit ihrem göttlichen Kinde in das bodenlose Meer der Sünde und ihres Fluches versenkt; und wir müssten die Erkenntnis und das Verständnis ihres Geistes und das Reinheitsgefühl ihres Herzens besitzen, um zu erfahren, was sie da an sich und ihrem göttlichen Kinde gelitten habe. Da dies aber unsere Kräfte übersteigt, und ein unmögliches Bestreben wäre; so lasset uns daraus eine zweifache heilsame Lehre für unsere eigene Reinigung und Heiligung entnehmen.

Wir sehen hier, geliebte Christen! den Gottmenschen, die Heiligkeit selbst, und seine Mutter, die Königin aller Engel und Heiligen, vor der göttlichen Gerechtigkeit für uns und um unserer Sünden willen einem Leiden unterworfen, das sich mit ihrer Heiligkeit am allerwenigstens zu vertragen scheint, und darum für sie das bitterste sein muss. Ehren wir nun die Unschuld, Reinheit und Heiligkeit Jesu und Mariä über Alles, müssen wir uns in unserer Sündhaftigkeit nicht über Alles häßlich und verächtlich erscheinen? Schauen wir Jesus und Maria, diese hell strahlenden Sonnen am Himmel der Gnade, in diesem Geheimnis gleichsam in die schwarze Nacht der Sünde gehüllt; müssen wir, die wir nicht bloß in dem Schatten der Sünde, sondern in der Sünde selbst begraben liegen, und vielleicht wie Leichname im Tode der Sünde modern, nicht vor uns selbst uns entsetzen, und vor Scham vergehen, wenn wir nebenbei noch selbstgefällig, gefallsüchtig, eitel, stolz, hoffärtig und prunksüchtig, in prachtvollen Gebäuden, in kostbaren Kleidern, an reich besetzten Tischen, in fröhlichen Unterhaltungen schwelgen, von aller Welt geliebt und geehrt sein wollen; als wenn wir von dem Schmutz und Unrat der Sünde, mit dem wir an Leib und Seele besudelt sind, keine Erkenntnis, keine Ahnung hätten? Wenn wir Jesus und Maria über Alles lieben, und sie von der Sünde so mißhandelt sehen; muss sich da nicht unser ganzes Herz wider uns selbst und wider unsere Sünden empören, mit welchen wir selbst sie in solche Leiden gestürzt haben? Wenn wir erkennen, daß an dem allen nur die Sünde schuld ist; müssen wir nicht die Sünde über Alles hassen, dieselbe von uns entfernen, sie für immer meiden, und durch wahre Buße an uns selbst strafen? Oder können wir anders, als Jesus und Maria über Alles lieben, die aus Liebe zu uns Solches gelitten haben; und wenn sie über Alles lieben, können wir anders, als ihnen im Gehorsam und in der Verdemütigung zu folgen, und ähnlich zu werden trachten, um selbst gereinigt, gerechtfertigt, geheiligt, ihnen wohlgefällig zu werden, und so zu bewirken, daß ihr namenloses Leiden an uns nicht verloren sei, sondern seine Früchte trage, was es uns auch kosten möge? –
aus: Georg Patiss SJ, Über die Leiden Mariä der Königin der Märtyrer, 1884, S. 108 – S. 114

Tags: Maria

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