Warum Gott die Bosheit zum Guten benutzt

An einer grauen dunklen Mauerwand hängt ein Kruzifix: Jesus Christus hängt am Kreuz in erschütternder Weise

Das Verhalten des himmlischen Vaters in Bezug auf das Leiden Christi

Warum Gott die Bosheit und die Bösen zum Guten benutzt

Wir haben gesehen, daß das Leiden und Sterben Jesu Christi im Ratschluss Gottes bestimmt und festgesetzt, von dem himmlischen Vater dem göttlichen Erlöser aufgetragen und befohlen, und von dem Gottmenschen in Gehorsam gegen diesen Auftrag und Befehl seines göttlichen Vaters übernommen und erduldet worden ist. Kann oder muss man nun daraus nicht folgern, daß Gott der Vater Christum, den Herrn, diesem Leiden und diesem Tod übergeben habe?

Wer endlich noch darin ein Bedenken finden wollte, daß Pilatus, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, das Judenvolk und Judas des Gottesmordes schuldig sind, weil sie den göttlichen Erlöser dem Leiden und dem Tod überliefert haben, und daß somit der himmlische Vater Christum, den Herrn, nicht hätte ihren Händen und den Henkersknechten übergeben sollen; da der heilige Paulus sagt: „Welche Gemeinschaft hat die Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit?“ (2. Kor. 6, 14) dem antwortet der englische Lehrer: „Dieselbe Handlung muss im Guten oder im Bösen verschieden beurteilt werden, nach der Verschiedenheit der Wurzel, aus welcher sie hervor geht. Denn der Vater hat Christum, und Christus hat sich selbst aus Liebe hingegeben; und darum sind sie preiswürdig. Judas aber hat ihn aus Habsucht, die Juden haben ihn aus Neid, Pilatus hat ihn aus weltlicher Furcht, mit der er den Kaiser fürchtete, hingegeben; und darum sind sie tadelnswert.“ (Loc. cit. Ad 8.) Der himmlische Vater hat Christum nicht unmittelbar selbst geopfert, und ihm auch nicht befohlen, sich selbst das Leiden und den Tod anzutun; auch hat dies Christus nicht getan: sondern es wurde von Seite des himmlischen Vaters und von Seite Christi nur der Bosheit der Hölle und der Menschen nicht gewehrt, und deren Werk nicht verhindert; und zu dessen Verhinderung lag weder für den himmlischen Vater oder für Christus eine verpflichtende Ursache, noch für die feindlichen Gewalten ein Recht vor. Überdies ist aus dieser Zulassung für die Ehre Gottes, für die Erhöhung und Verherrlichung Christi, des Herrn, und für das Heil der gesamten Menschheit ein unendlich größerer Gewinn hervor gegangen, als wenn diese Bosheit an ihrem Werk verhindert worden wäre. Daher macht auch der heilige Augustinus über solche Zulassungen Gottes im Allgemeinen die Bemerkung: „Da Gott höchst gut ist, würde er nicht gestatten, daß in seinem Werk etwas Böses sei; wenn er nicht eben so allmächtig und gut wäre, daß er aus dem Bösen Gutes macht“ (Enchirid. c. 11.), und: „Was gibt es Besseres und Allmächtigeres, als den, der, da er nichts Böses tut, selbst aus dem Bösen Gutes macht?“ (De continent. c. 6.) Gott macht nicht das Böse selbst zum Guten, sondern er benützt das Böse, das er nicht will, und haßt, aber zuläßt, indem er die Natur der Dinge nicht ändert, noch ihren Gang hindert, noch auch den Menschen ihre Freiheit nimmt, dazu, um Gutes zu bewirken, das weder in der Natur des Bösen liegt, noch von den Menschen, die Böses tun, beabsichtigt, sondern von ihm bewerkstelligt wird. Daher sagt der heilige Augustinus von den Bösen: „Jeder Böse bleibt entweder deshalb am Leben, damit er gebessert werde; oder er bleibt deshalb am Leben, damit durch ihn der Gute geprüft werde.“ (Super Psalm. LIV. v. 2. Conc. 2.) Von den Übeln aber, welche die Guten erleiden, sagt er: „Die Übel, welche die Gläubigen fromm erdulden, nützen entweder zur Bekehrung von den Sünden, oder zur Übung und Prüfung der Gerechtigkeit, oder zur Klarstellung des Elendes in diesem Leben; damit man mit desto heißerem Verlangen und festerem Streben zu jenem Leben gelange, in welchem die wahre und ewige Glückseligkeit gefunden wird.“ (De Trinit. Libr. XIII. c.c 16.) Das ist das Gute, welches Gott durch die Bösen und durch das Böse beabsichtigt und erzweckt; und darum läßt er die Bösen walten und das Böse geschehen. So hat Gott die Bosheit der Feinde Christi und das Werk ihrer Bosheit, woraus das Leiden und der Tod Christi hervor gegangen ist, zugelassen, aus diesem Leiden und aus diesem Tode des Herrn aber die Erlösung der Menschheit, die Verherrlichung des Erlösers und seine Ehre hervor gebracht.

Dadurch hat sich aber der himmlische Vater an der Bosheit der Feinde und an der bösen Tat derselben eben so wenig beteiligt und zu ihrem Mitschuldigen gemacht, als dies bei allen andern Sünden und Verbrechen der Fall ist, welche in der ganzen Welt begangen werden, und ebenfalls nicht ohne Zulassung Gottes geschehen können. –
aus: Georg Patiss SJ, Das Leiden unsers Herrn Jesu Christi nach der Lehre des heiligen Thomas von Aquin, 1883, S. 204; S. 210 – S. 212

Bildquellen

Beiträge von P. Georg Patiß zur Passion Christi

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