Warum wir das göttliche Herz Jesu verehren
Teil 2
Die Herz-Jesu-Verehrung ist heilsam für uns
Nun will ich beweisen, II. daß die Verehrung dieses liebenswürdigsten Herzens für uns selbst sehr nützlich und heilsam ist.
1. Der Mensch besteht aus zwei Hauptteilen, dem Leib und der Seele. Die Seele ist der vorzüglichste von diesen teilen.
Mit ihr wollen wir deshalb beginnen und den Nachweis liefern, daß die Verehrung des göttlichen Herzens Jesu der Seele des Christen sehr heilsam und nützlich sei.
Die Seele des Christen soll eine Tochter des himmlischen Vaters, eine Braut des Sohnes Gottes, ein Tempel des hl. Geistes sein. Wie können wir nun bewirken, daß der himmlische Vater an unserer Seele sein Wohlgefallen hat, der Sohn Gottes sich als liebender Bräutigam zu ihr hingezogen fühlt, und der hl. Geist gerne in ihr wohnt?
Bei der Verehrung der Heiligen sollen wir nach der Lehre und dem Wunsch unserer Mutter, der hl. Kirche, das Hauptgewicht darauf legen, daß wir bestrebt sein sollen, durch Nachahmung ihres Lebens und Übung ihrer Tugenden ihnen ähnlich werden. Das Nämliche werden wir auch in Bezug auf die Verehrung des göttlichen Herzens Jesu sagen müssen. Nur derjenige Christ kann in Wahrheit ein Verehrer des göttlichen Herzens Jesu genannt werden, der bestrebt ist., die Tugenden dieses liebenswürdigen Herzens nachzuahmen, wozu Christus selbst mit den Worten aufgefordert hat: „Lernet von mir, wie ich sanft und demütig von Herzen bin!“ (Matth. 11,29) Je mehr du dich aber bestrebst, lieber Leser, dieser Aufforderung deines göttlichen Heilandes nachzukommen, und je mehr es dir gelingt, deine Seele mit den Tugenden auszuschmücken, die dem göttlichen Herzen Jesu das Wohlgefallen des himmlischen Vaters erwarben, desto zuversichtlicher darfst du hoffen, daß der himmlische Vater auch von deiner Seele, wie von seinem göttlichen Sohne sagen wird: Diese ist meine geliebte Tochter, an der ich mein Wohlgefallen habe.
Die zwei Tugenden der Sanftmut und Demut
Wenn die Seele eines jeden Christen ein Tempel des hl. Geistes ist, wie der hl. Apostel Paulus lehrt, so gilt das noch in viel höherem Grade von dem Herzen Jesu Christi. Dieses Herz hat sich, wie uns der Erzengel Gabriel mitteilte, der hl. Geist selbst zu seiner Wohnung eingerichtet, und wie die hl. Evangelien uns berichten, ist derselbe bei der Taufe Christi vom Himmel herab geschwebt, um sich in ihm bleibend niederzulassen. Bist du nun, lieber Christ, ein eifriger Verehrer des göttlichen Herzens Jesu, und gibst du dir als solcher alle Mühe, deiner Seele die Tugenden dieses Herzens einzuprägen, dann kann es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß der hl. Geist auch in deiner Seele gerne weilt und seine bleibende Wohnung in derselben nimmt.
Deine Seele, mein lieber Christ, soll eine Braut des Sohnes Gottes sein, mit welcher er nach den Andeutungen, die das Hohelied nach der Erklärung der hl. Väter gibt, seine geistliche Vermählung feiern will. Wie wirst du es nun am Besten anstellen, daß der Sohn Gottes deine Seele als seine Braut erkennt und lieb gewinnt? Ich glaube, du wirst am besten zum Ziele gelangen, wenn du den Wunsch des Bräutigams im Hohenlied erfüllst, welcher dahin geht, seine Braut möge sein Bild wie ein Siegel auf ihrem Herzen tragen (H. L. 8,6). Daß dieses Bild selbstverständlich nur geistig verstanden werden darf, brauche ich wohl nicht eigens zu bemerken. Der Bräutigam will eben mit diesen Worten nichts anderes sagen, als daß er wünsche, die Seele, die die seine Braut sein wolle, möge mit seinen Tugenden geschmückt sein, so daß er, wenn er diese Seele sehe, sein Abbild oder Ebenbild in ihr erblicke. Damit du aber nicht in Verlegenheit kommst, welche Tugenden es sind, mit denen deine Seele geschmückt sein soll, so hat er dir dieselben genau bezeichnet mit den Worten: „Lernet von mir, wie ich sanft und demütig von Herzen bin.“ Gibst du dir Mühe, lieber Leser, diese zwei Tugenden des göttlichen Herzens dir anzueignen, dann wird sich das Bild dieses Herzens in deiner Seele immer klarer und vollkommener abprägen, und der Wunsch ihres Bräutigams, daß sie das Bild desselben wie ein Siegel auf ihrem Herzen tragen möge, wird in Erfüllung gegangen sein. Die Verehrung des göttlichen Herzens Jesu ist demnach für unsere Seele sehr nützlich und heilsam, indem sie uns antreibt, die zwei vorzüglichsten Tugenden dieses süßen Herzens nachzuahmen, und indem sie dadurch bewirkt, daß unsere Seele von dem Sohne Gottes als seine Braut erkannt und geliebt wird.
Die Verehrung des göttlichen Herzens Jesu ist also nützlich und heilsam für unsere Seele, indem sie dieselbe zu einer geliebten Tochter des himmlischen Vaters, zu einer wohl gefälligen Wohnung des hl. Geistes und und zu einer glücklichen Braut des Sohnes Gottes macht; sie ist aber auch nützlich und heilsam für den Leib.
Der göttliche Heiland hat durch die Braut seines süßen Herzens, Margaretha Maria, den Verehrern desselben großartige Verheißungen gemacht. Er hat versprochen, daß er den Verehrern seines heiligsten Herzens alle in ihrem Stande nötigen Gnaden geben werde; er will den Frieden in ihre Seele bringen, sie trösten in ihren Leiden, ihre sichere Zuflucht im Leben, besonders aber in der Todesstunde sein; zu allen ihren Unternehmungen will er seinen überfließenden Segen erteilen. Die Sünder sollen in diesem Herzen die Quelle und das unermeßliche Meer seiner Erbarmungen finden, die lauen Seelen zu ihrem früheren Eifer zurückkehren, die eifrigen Seelen zu großer Vollkommenheit gelangen. Die Priester sollen, wenn sie das göttliche Herz verehren, die Gnade erlangen, daß sie auch das härteste Herz rühren können. Der göttliche Heiland will auch die Häuser segnen, in denen das Bild seines Herzens aufgestellt und verehrt wird, und die Namen derjenigen, welche die Herz-Jesu-Andacht verbreiten, sollen in seinem Herzen eingeschrieben sein, aus welchem er sie nie vertilgen werde. Überhaupt soll es Margaretha Maria verkündigen und allenthalben verkündigen lassen, daß er seinen Gnadengaben kein Maß und keine Grenzen setzen werde für Alle, welche dieselben in seinem Herzen suchen werden.
Aus diesen Verheißungen geht hervor, daß der göttliche Heiland den Verehrern seines heiligsten Herzens nicht bloß Gnaden für die Seele, sondern auch für den Leib, nicht bloß Hilfe in geistlichen, sondern auch in leiblichen Anliegen gewähren wolle…
Das göttliche Herz kennt Freude und Leid
2. Die Freude eines Menschen ist in der Regel nur dann vollkommen, wenn er sie einem andern Menschen mitteilen kann, und auch dieser sich mit ihm freut. Wie Mancher hat schon viel Geld dafür ausgegeben, Wein und andere geistige Getränke nur zu dem Zweck für andere bezahlt, damit diese seine Freude mit ihm teilen und sich mit ihm freuen, in Wirtshäusern mit ihm jauchzen und singen sollten. Daher kommt kommt das Sprichwort: „Geteilte Freude nur ist ganze Freude.“Der göttliche Heiland selbst scheint die Richtigkeit dieses Sprichwortes zu bestätigen in der Parabel von dem Schaf und der Drachme, die verloren gegangen waren und wieder gefunden wurden. Als der Hirte sein verlorenes Schaf wieder gefunden hatte, empfand er in seinem Herzen eine große Freude, aber er glaubte, daß diese Freude doch erst dann nur ganz und vollkommen sei, wenn auch andere sie mit ihm teilten und sich mit ihm erfreuten, weshalb er seine Freunde und Nachbarn einlud, sich mit ihm zu erfreuen, indem er ihnen zurief: Freuet euch mit mir, denn mein Schaf ist wieder gefunden, das verloren war. Und ebenso machte es auch die Frau, die ihre Drachme verloren hatte. Als sie dieselbe mit Licht und Besen wieder gefunden hatte, wünschte sie, daß auch andere die Freude, die sie wegen der wieder gefundenen Drachme empfand, mit ihr teilten, weshalb sie alle ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen rief und zu ihnen sprach: „Freuet euch mit mir, denn ich habe die Drachme wieder gefunden, die ich verloren hatte.“ Wer sich nun, lieber Leser, wenn du in eine ähnliche Lage kämest und wünschen würdest, das andere sdeine Freude mit dir teilen, nicht etwa bloß äußerlich, in Mienen und Gebärden, in Zeichen und Worten, sondern innerlich, wahrhaft, im Herzen mit dir freuen? Jedenfalls zu allererst derjenige, der durch seine Apostel den Menschen zurufen ließ: „Freuet euch mit denen, die sich freuen, und weinet mit den Weinenden!“ Das ist aber Jesus Christus, der Sohn Gottes, der allein unter den drei göttlichen Personen ein menschliches Herz hat, und schon im alten Bund durch den hl. Geist jeden Fröhlichen zu sich eingeladen und ihm herzliche Teilnahme an seiner Freude versprochen hat mit den Worten: „Mein Herz wird sich mit dir freuen.“ (Spr. 23,15)
Wie unsere Freude nur dann eine vollkommene ist, wenn sie Jemand mit uns teilt, so hat es auch eine ähnliche Bewandtnis mit dem Schmerz, dessen Schwere sich vermindert, wenn Jemand an demselben Anteil nimmt und uns gleichsam denselben Augenblick mich tröstet und erleichtert fühlen, in welchem Jemand mir seine herzliche aufrichtige Teilnahme er erkennen gibt. Er nimmt da gleichsam die Hälfte der Last, die mich niedergebeugt, hinweg und legt sie auf seine Schulter. Daher das andere Sprichwort: „Geteilter Schmerz ist halber Schmerz.“ Aber wo ist das Herz, bei dem wir in Schmerzen und Leiden aufrichtige Teilnahme finden? Jedenfalls muß dieses Herz selbst schon Leiden und Schmerzen erfahren und getragen haben, da es außerdem für den Zustand, in welchen die Leiden unser Herz versetzen, wenig oder kein Verständnis hat. Wer noch niemals krank gewesen ist, kann sich von den Wirkungen, die ein schmerzliches Krankenlager auf Körper und geist, Gemüt und Herz ausübt, kaum eine genügende Vorstellung machen, wohl aber wird derjenige die Gemüts-Bewegungen und Gesinnungs-Äußerungen eines Kranken verstehen, der selbst schon von der nämlichen Krankheit heimgesucht war. Wenn nun diese Voraussetzungen richtig sind, wie Niemand bezweifeln wird, dann gibt es kein Herz, bei welchem wir ein besseres Verständnis für die Leiden und Trübsale, von denen wir heimgesucht werden, und eine liebevollere Teilnahme finden werden, als jenes Herz, welches mehr gelitten hat, als je ein Menschenherz seit Anbeginn der Welt leiden konnte oder bis zum Ende der Welt je leiden wird.
Das ist das göttliche Herz Jesu, welches der hl. Geist schon im Alten Bund voraus verkündet hatte als „das Herz, dessen Trübsal vielfältig geworden sind“ (Ps. 24,17); „das vor Furcht und Bangigkeit wie geschmolzenes Wachs wurde in seinem Leibe“ (Ps. 21,15) und „vor Schmerz stöhnte“ (Ps. 37,9). Dieses „Herz kennt allein die unsagbaren Bitterkeiten“ (Sprüch. 14,10), in die seine Seele im Ölgarten bei Jerusalem und auf dem Kalvarienberg wie in ein Meer der Schmerzen versenkt war. Darum versteht es aber auch am besten die Leidenden zu trösten und ihre Schmerzen zu erleichtern. Die Heiligen haben dieses Herz recht gut gekannt und es darum als die Arche bezeichnet, die uns in den Gewässern der Trübsale eine bessere Zuflucht bietet, als die Felsenspalte, in welche die verfolgte Taube flüchtet, als das Paradies, in welchem man eine überreichliche Fülle des Trostes findet. Versuche es nur einmal, lieber Leser, wenn du von Leiden und Schmerzen heimgesucht wirst, durch die geöffnete Seitenwunde in das göttliche Herz einzugehen, und du wirst gewiß wie der hl. Petrus Damiani uns versichert, den süßesten Trost in diesem heiligsten Herzen finden.
Herz Jesu Zuflucht im Leben und im Tod
3. Noch will ich dir schließlich, lieber Christ, einen Zeitpunkt namhaft machen, in welchem es dir zum süßesten Trost gereichen wird, das göttliche Herz Jesu treu und eifrig verehrt zu haben. Diesen Zeitpunkt hat der göttliche Heiland in der Verheißung genannt, die er durch die Braut seines süßen Herzens, Margaretha Maria, uns gemacht hat mit den Worten: Ich will den Verehrern meines Herzens eine sichere Zuflucht im Leben, besonders aber in der Todesstunde sein. Ja, die Todesstunde, lieber Leser, wird uns ganz besonders zeigen, wie nützlich und heilsam es ist, das göttliche Herz Jesu eifrig zu verehren. Statt einer längeren Auseinandersetzung will ich dir zwei Beispiele vorführen, aus denen du ersehen kannst, wie das göttliche Herz Jesu die Sterbenden gar süß zu trösten und zu erquicken weiß.
Die selige Johanna von Cespedes lag in Todesangst. Als man ihr das Kruzifix zeigte, bat sie den lieben Herrn aus Herzensgrund, er möge ihr ein einziges Tröpflein Blut aus seinem göttlichen Herzen mitteilen, um damit ihre Sünden auszutilgen. Sie hatte kaum das Gebet vollendet, als man sah, wie ein Tropfen göttlichen Blutes aus der Seitenwunde Jesu auf das Herz dieser Jungfrau fiel. O wie getröstet war sie in diesem Augenblick! Sie war des Himmels vergewissert und betrachtete dieses Wunder als ein unfehlbares Zeichen ihrer Auserwählung.
Ein frommer Diener Gottes, Jacob mit Namen, bat inständig seinen lieben Heiland, er möge ihn doch unter die Zahl der Auserwählten aufnehmen. Christus erhörte diese herzlichen Bitten und sprach zu ihm: Mein Blut soll dir zum Zeichen sein. Sogleich ergoß sich aus dem Herzen Jesu ein reicher Strom, welcher nicht nur das Angesicht, sondern das ganze Kleid des frommen Dieners Gottes mit Blut besprengte und den Mund desselben mit solcher Süßigkeit erfüllte, daß er nun nichts mehr verlangte, als aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein. (Marianisches Herzhäuslein des Herzens Jesu von Dr. Eberlein, Augsburg 1755 bei Matth. Rieger)
In diesen zwei Fällen hat Christus der Herr durch ein Wunder auf sichtbare Weise gezeigt, wie sein heiligstes Herz seine sterbenden Verehrer im Todeskampf erquicken und trösten will. In der Regel wird die Gnadenflut, die aus dem süßen Herzen Jesu hervor strömt, unsichtbar bleiben und nur von dem sterbenden Verehrer dieses göttlichen Herzens verkostet werden. Aber sei fest überzeugt, lieber Leser, daß auch dich das göttliche Herz Jesu auf deinem Sterbebett trösten und erquicken wird, wenn du während deines Lebens bestrebt warst, ihm treu zu dienen und es treu zu verehren. Auf deinem Sterbebett wirst du dich überzeugen, wie die Braut des göttlichen Herzens, Margaretha Maria, die Wahrheit gesprochen hat, wenn sie sagte: „O wie süß ist es, zu sterben, wenn man eine ständige Andacht zu dem Herzen desjenigen gehegt hat, der uns richten soll!“
Da ergriff der Sohn Gottes das letzte Mittel, um die Flamme der Liebe in den Christenherzen wieder anzufachen. Und welches war dieses Mittel? „Er gab sein Herz hin zur Vollendung seiner Werke“, wie der hl. Geist durch den Mund des Predigers schon voraus verkündet hatte. (Ekkl. 38,31) Der göttliche Heiland offenbarte einer heiligen Klosterjungfrau in Frankreich, Margaretha Maria geheißen, sein allerheiligstes Herz, stellte es als Gegenstand besonderer Verehrung auf und ließ zur Ehre desselben einen Festtag einsetzen. Er zeigte die unermeßliche Schätze, die in seinem süßesten Herzen verborgen liegen, und versprach davon in reichstem Maße an diejenigen austeilen zu wollen, die sie in seinem göttlichen Herzen suchten. Da fingen auch Bischöfe und Priester an, von diesem süßen Herzen zu predigen und seine überaus große Liebe den Christen bekannt zu machen, sowie zur Verehrung dieses liebenswürdigsten aller Herzen einzuladen. Und siehe da! Das Feuer, welches Christus in seinem heiligsten Herzen auf die Erde gebracht hatte, fing wirklich wieder zu brennen an. Millionen Christen fühlten sich wieder in feuriger Liebe zu Christus und seinem göttlichen Herzen hingezogen. Und auch wir, liebe Leser, wollen zu diesen Christen gehören, die das göttliche Herz Jesu loben, preisen und verehren, denn wir alle sind fest überzeugt, daß wir damit nur einen Herzenswunsch des göttlichen Heilandes erfüllen, und daß wir mit der Verehrung seines süßen Herzens dem göttlichen Heiland eine große Freude machen.
Hiermit habe ich nachgewiesen, daß die Verehrung des göttlichen Herzens Jesu dem himmlischen Vater, dem hl. Geist und dem Sohne Gottes höchst wohl gefällig ist. –
aus: Dr. Friedrich Frank, Die Liebesseufzer zum göttlichen Herzen Jesu, 1886, S. 6 – S. 12
Dem Herzen Jesu singe