Der Priester und die Herz-Jesu-Verehrung
Unermesslichen Reichtum an Gnaden birgt eine solide, echt katholische Verehrung des göttlichen Herzens Jesu. Dem Priester ist vom Herrn durch das kirchliche Lehramt die überaus trostvolle Aufgabe geworden, die Segnungen dieser Andacht den weitesten Kreisen des Volkes zu vermitteln. Wie der hl. Paulus, so kann auch der Priester, wenn er für das Erlöserherz wirkt, in der Epistel der Herz-Jesu-Messe beten: „Mihi omnium sanctorum minomo data est gratia haec, evangelizare investigabilis divitias Christi.- Mir, dem geringsten von allen Heiligen, wurde diese Gnade verliehen, die unerforschlichen Reichtümer Christi zu verkünden.“ (Eph. 3, 8)
Als wichtigstes Mittel, die Andacht zum heiligsten Herzen einzuführen, zu pflegen und zu vertiefen, sowie ihren ganzen Gnaden-Reichtum für die Pastoration wirksam zu machen, steht dem Priester die Predigt zu Gebote. Die Verkündigung des Wortes Gottes ist ja vom Herrn selbst als heiliges Sakramental angeordnet, den Menschen die Wahrheiten und Gnaden, die er der Welt gebracht, zu vermitteln. Wie soll denn das katholische Volk dem Herzen seines Heilandes das ganze Vertrauen und die ganze Liebe zuwenden, wenn man ihm nicht davon predigt? Mit Recht darf man deshalb auch auf den besonderen Beistand des Heiligen Geistes rechnen, sooft man, wohl vorbereitet durch Gebet, Betrachtung und Studium, die Kanzel besteigt, um von Christus und seinem erbarmungsvollen Herzen zum Volk zu reden.
Die Gedanken, welche die Herz-Jesu-Predigt vor allem betonen wird, sind in ihrem Gegenstand und ihren Beziehungen zu andern Glaubenswahrheiten, in der Geschichte der Andacht sowie in ihren Übungen und dem mit ihr verbundenen Gnadensegen gegeben.
Für die Wirkung der Herz-Jesu-Predigt auf die Zuhörer wird es stets von Bedeutung bleiben, inwieweit der Kanzelredner selbst von seinem Gegenstand durchdrungen und ergriffen ist, inwieweit ihm die Verehrung des Erlöserherzens gewissermaßen zum inneren Erlebnis geworden ist, und inwieweit er in dieser Verehrung den ganzen Christus in seinem innersten Wesen verstehen und lieben gelernt hat. Wer die Herz-Jesu-Verehrung nur auffaßt wie eine der vielen andern kirchlichen Andachten, mag er sie auch als seine Lieblings-Andacht bezeichnen, der ist zu ihrem vollen Verständnis noch nicht vorgedrungen. Sie ist eben Zentralandacht. Von durchaus richtigem Verständnis für diese Zentralstellung zeugt es, wenn große Priester-Vereinigungen, wie „Unio apostolica“, „Associatio perseverantiae sacerdotalis“, „Foedus pro sanctitate sacerdotali“, das Erlöserherz zum Mittelpunkt des ganzen Strebens nach priesterlicher Vollkommenheit wählten.
Wie Jesus Christus, der Gottmensch, die Zentralsonne der Schöpfung und der Mittelpunkt unseres ganzen Glaubenslebens ist, so enthüllt die Verehrung des gottmenschlichen Herzens dem Priester das innerste Wesen, das „Herz“ des Weltheilandes selbst, „in dem die ganze Fülle der Gottheit wesenhaft wohnt“ zugleich mit dem unaussprechlichen Reichtum seiner heiligsten Menschheit, durchflutet von gottmenschlicher Liebe. Man wird angeleitet, nicht am Äußeren des Herrn haften zu bleiben, sondern ihn in seinen innersten Gedanken und Gesinnungen zu erfassen und zu verstehen, zu lieben und nachzuahmen.
So hatte Paulus seinen Herrn verstanden, und so hatte er ihn aufgefaßt, als er sich bei seinen Predigten rühmte, nichts zu wissen als Christus, den Gekreuzigten. In seinen Briefen kommt ihm immer und immer wieder der Name Jesus und das Wort Kyrios, der Herr, in die Feder, „ut possitis comprehendere, quae sit latitudo, et longitudo, et sublimitas et profundum, scire etiam supereminentem scientiae caritatem Christi – auf daß ihr imstande seid, die alle Erkenntnis übersteigende Liebe Christi nach ihrer Breoite und Länge, Höhe und Tiefe zu erfassen“. (Eph. 3, 18f) Woher das Herz des Völkerapostels die Glut seiner apostolischen Liebe hatte, schrieb er an eine ihm besonders teure Christengemeinde: „Testis est mihi Deus, quomodo cupiam omnes vos in visceribus Iesu Christi – Gott ist mein Zeuge, wie sehr ich mich nach euch allen sehne im Herzen Jesu Christi.“ (Phil. 1, 8)
Die altdeutsche Herz-Jesu-Verehrung wurde nicht aus der Scholastik, der kirchlichen Wissenschaft, geboren, sondern aus der Mystik, aus hohem Gebetsleben und der innigen Hingabe der Seele an Jesus, ihren Gott und Erlöser. Demütige und großmütige Hingabe an den Herrn hat unter dem Wehen des Heiligen Geistes die Andacht zum Erlöserherzen in unsern Tagen bei unzähligen Seelen auf dem ganzen katholischen Erdenrund zu herrlicher Entfaltung gebracht.
Wissenschaftlich läßt sich allerdings unschwer zeigen, wie tief der Herz-Jesu-Gedanke in den Hauptgeheimnissen der Christologie verankert ist und wie hinfällig alle Einwendungen sind, die man erhoben hat. Auch kann und soll fleißige, fromme Lesung der Heiligen Schrift, verbunden mit dogmatischem Studium den Gedankenreichtum für die Herz-Jesu-Predigt ständig mehren.
Persönliche Verehrung des heiligsten Herzens aber bleibt als inneres Erlebnis einem wissensstolzen, unfrommen Geist sicher versagt, ebenso wie demjenigen, der in Weltsinn versunken ist.
Als die zweiundsiebzig Jünger zum Verständnis für das tiefste Wesen des Herrn gelangt waren, „wer der Sohn sei“, wandte sich Jesus an den Vater mit dem Dankgebet: „Vater, ich preise dich, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen, dem Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, denn also ist wohlgefällig gewesen vor dir!“ (Matth. 11, 25ff) Damit hat der Herr auf die Vorbedingung hingewiesen, woran diese große Erkenntnisgnade geknüpft ist und warum sie gerade diesen einfachen, schlichten Männern zuteil geworden war. Demut fordert der Herr auch heute noch von allen, die das Verlangen tragen, das Geheimnis des heiligsten Herzens und damit das innerste Wesen des Gottmenschen zu verstehen und Anteil an den besonderen Gnadenschätzen des Erlöserherzens zu haben.
In der demütigen Gesinnung liegt eben der tiefere Grund, warum die weiten Kreise des katholischen Volkes, warum zumal auch so viele gute, fromme Männer, Akademiker wie Fabrikarbeiter, ganz leicht zum Verständnis des Herzens ihres Heilandes gelangen und seine Verehrung als etwas Selbstverständliches üben und lieben.
So glüht auch dem demütigen Priester Christi Herz entgegen, wenn er seinen Heiland betend und betrachtend zu verstehen und in Selbstverleugnung ihm nachzufolgen sucht. „Ignem veni in terram, et quid volo nisi ut accendentur. – Feuer auf die Erde zu senden kam ich, und was will ich, als daß es brenne?“ (Luk. 12, 49) So gern macht der Herr dieses an der Priesterseele wahr. Ist das Priesterherz von diesem Feuerbrand des Erlöserherzens ergriffen, dann wird man auch leicht Gedanken und Worte finden, andere für das liebeglühende und schmerzverwundete Herz des Weltheilandes zu begeistern. Der Herr aber wird in seiner Güte und Treue die Verheißung wahr halten: „Die Namen derjenigen, welche diese Andacht verbreiten, werden in meinem Herzen eingeschrieben sein, und nichts wird sie dort austilgen.“ –
aus: Karl Richstätter SJ, Das Herz des Welterlösers, 1932, S. 101 – S. 107