Heiligenkalender
5. Oktober
Heilige Galla von Rom Witwe
(Witwentrost)
Diese Witwe hat sich durch ein so heiliges Leben ausgezeichnet, daß in Rom eine eigene Kirche zu ihrer Verehrung erbaut wurde, die jetzt noch den Namen der hl. Galla trägt. Der berühmte Papst Gregor der Große, welcher schon auf der Welt war, als jene starb, hat selbst in seinen Schriften ihr Leben aufgezeichnet; es lautet also:
„Ich glaube nicht mit schweigen übergehen zu dürfen, was mir durch die Erzählung würdiger und zuverlässiger Personen zu Kenntnis gekommen ist. Es wurde nämlich zu den Zeiten der Goten Galla, das edelste Mädchen dieser Stadt (Rom), die Tochter des Konsuls Symmachus, in früher Jugend einem Ehegatten gegeben, wurde aber im Verlauf eines Jahres schon durch den Tod verwitwet. Indem nun beim weltlichen Überfluss sowohl Reichtum als Alter zu einer zweiten Ehe einluden, zog sie lieber vor durch geistige Ehe mit Gott sich zu verbinden, wo mit Trauer angefangen wird, man aber zu den ewigen Freuden gelangt, als sich einem fleischlichen Ehebündnis zu unterziehen, welches immer mit Fröhlichkeit beginnt, am Ende aber der Trauer sich zukehrt. Da sie aber ein feuriges Temperament hatte, so sagten ihr die Ärzte, wenn sie nicht wieder heirate, werde ihr durch zu große Wärme ein Bart wachsen, was nachher auch eintraf. Aber die heilige Frau fürchtete sich nicht davor, wenn das an ihr entstellt würde, was vor dem himmlischen Bräutigam an ihr nicht geliebt wurde.
Bald also, da ihr Gemahl gestorben war, legte sie die weltliche Kleidung ab, begab sich zum Dienst des allmächtigen Gottes in ein Kloster bei der Kirche des seligen Apostels Petrus, und war daselbst viele Jahre lang der Einfalt des Herzens und dem Gebet ergeben und gab reichliche Almosen an die Dürftigen. Da der allmächtige Gott nun den unvergänglichen Lohn ihren Arbeiten zu geben beschlossen hatte, wurde sie an der Brust mit einem Krebsgeschwür behaftet. Zur nächtlichen Zeit aber pflegten vor ihrem Bett zwei Lichter zu brennen; denn der Freundin des Lichtes war nicht nur die geistige Finsternis zuwider, sondern auch die sinnliche Finsternis. Da sie in einer Nacht von ihrer Krankheit geplagt da lag, erblickte sie den seligen Apostel Petrus zwischen den zwei Leuchtern vor ihrem Bett stehen; sie erschrak aber nicht, sondern faßte Mut aus ihrer Liebe und sagte freudig: „Was ist, mein Herr, sind mir meine Sünden vergeben?“ Jener, wie er höchst freundlichen Antlitzes ist, nickte mit dem Haupt und sprach zu ihr: „Vergeben, komm!“ – Weil aber Galla in dem nämlichen Kloster vor allen Andern eine gewisse gottselige Frau liebte, so fügte sie alsbald hinzu: „Ich bitte, daß die Schwester Benedikta mit mir komme.“ – Darauf antwortete er: „Nein, aber die Natalie soll mit dir kommen; diese aber, welche du begehrst, wird dir am dreißigsten Tage folgen.“
Hernach ist die Erscheinung des Apostels, wie er dastand und mit ihr redete, verschwunden. Sie aber ließ sogleich die Mutter der ganzen Gesellschaft kommen und zeigte ihr an, was sie gesehen und gehört hatte. Am dritten Tage aber ist sie mit derjenigen Schwester, welche ihr angekündigt worden, gestorben, jene aber, welche sie selbst verlangt hatte, ist am dreißigsten Tage nachgefolgt. Dieses Ereignis ist bis jetzt in dem nämlichen Kloster in gutem Andenken geblieben, und so von den früheren Klosterfrauen überliefert, pflegten es auch die jetzigen genau zu erzählen, wie wenn sie selbst dabei gewesen wären.
Außer diesem Bericht des berühmten Papstes Gregor I. über das Leben der hl. Galla ist auch noch ein Brief vorhanden, welchen ein anderer Kirchenvater, der Bischof Fulgentius, an sie geschrieben hat, als er erfuhr, daß ihr Mann gestorben sei und sie ihr Leben nun ganz dem Dienst Gottes widmen wolle. Der Brief ist sehr groß; deshalb will ich nur einen Teil davon, der sich über den Witwenstand verbreitet, hier geben:
„Beides ist eine Gabe Gottes, die eheliche Züchtigkeit und die Enthaltsamkeit des Witwenstandes; jene ist lobenswert und gut, diese jedoch lobenswerter und besser. Selig ist, welche aus Abscheu vor Schändlichem keine unerlaubte Verbindung begehrt, aber seliger noch, welche selbst die erlaubte Verbindung aus höherer Liebe zur Reinheit verschmäht. Selig, die verehelicht nur ihrem Ehegatten die eheliche Pflicht leistet, seliger, welche ledig so bleibt, damit sie nicht dazu verpflichtet sei. Daher hat dir Gott darin, daß du aus einer Ehefrau eine Witwe geworden bist, nicht eine Gabe genommen, sondern sogar vermehrt. Der Herr wollte dich auf Stufen zum Besseren aufsteigen lassen, indem du zuerst mit einemMann in treuer Ehe lebtest, dann aber ohne ehelichen Umgang als Witwe enthaltsam bleibest. Die Ehe gehört zu den Gütern welche angenommen werden, aber auch verschmäht werden dürfen. Gut hat Susanna in ehelicher Keuschheit das Ehebündnis bewahrt; besser hat es Judith und Anna im Witwenstand verschmäht; am besten hat es Maria in jungfräulicher Unversehrtheit eingehalten. Die Verehelichung ist demnach nicht unter die vorzüglichsten Gaben Gottes zu zählen, obschon nicht zu leugnen ist, daß sie ein göttliches Geschenk sei. Denn wenn man sie unter die vorzüglichsten Gaben Gottes zählen müsste, so würden nicht die durch den Mund des Heilandes belobt, welche um des Himmelreiches willen enthaltsam bleiben. Er verdammt nicht das Gute, lobt aber mehr das Bessere; jenes haßt er nicht, aber dieses liebt er mehr.
Wandle du nun von Tugend zu Tugend und dein Geist wende sich von der Verachtung des Zeitlichen zur Betrachtung des Ewigen, da mit dem Tod deines Mannes auch die Veranlassung zeitlicher Gedanken aufgehört hat. Wie du dich vorher körperlich geschmückt hast, damit dein Mann sich erfreue an deiner Schönheit, so musst du dich von nun an geistig schmücken für Christus, der bloß die Schönheit der Seele an dir sucht. Die Kleidung sei deshalb von der Art, daß sie nicht Begehrlichkeit weckt, sondern zur Enthaltsamkeit mahnt; Christus will deinen Leib nicht zierlich, sondern kasteit sehen, ihm gefällt die Schönheit der Seele, nicht die des Leibes; darum sei der Leib gering gekleidet, hingegen die Seele mit den kostbaren Kleidern der Tugend angetan. Der Apostel sagt: „Eine wahre Witwe setzt ihre Hoffnung auf Gott und hält aus in Bitten und Flehen Tag und nacht.“ Aber auch jedes gute Werk ist vor Gottes Angesicht ein Gebet; daher heißt es in der Schrift: „Verbirg das Almosen im Herzen des Armen; es wird für dich zu Gott rufen.“ Hüte dich dem Essen und Trinken zu frönen; an deinem Tisch soll nicht die Lust befriedigt, sondern die Schwachheit aufgerichtet werden; auf deinem Tisch sollen daher nicht mehr solche angenehme Speisen aufgetragen werden, wie zur Zeit des Ehestandes. Höre, was der Lehrer der Völker von der Witwe sagt: „Die in Vergnügungen lebt, ist lebendig tot.“ Bilde dir nichts ein auf deine vornehme Herkunft; und obschon dein Vater, Schwiegervater und Gemahl Konsuln waren, und du deshalb in der Welt höchst angesehen, so suche jetzt deinen Ruhm in der Tugend der Demut. Lerne von dem Herrn sanftmütig und von Herzen demütig werden und du wirst Ruhe finden für deine Seele. Den Adel des Fleisches, welcher ein Zündstoff des Stolzes ist, wird von dir, und strebe nach dem Adel des Geistes durch vollkommene Demut des Herzens. Dein freiwilliges Fasten komme der Not der Hungrigen zu gut; die Wohlfeilheit deines geringen Anzuges helfe die Blößen der Armen bekleiden. Halte dich aber nicht für besser als die, welche du nährst oder bekleidest; denn du würdest vergeblich dein vermögen an Arme verwenden, wenn du die schädlichen Reichtümer des Hochmutes im Herzen zurück behalten würdest; Gott zählt nicht sowohl die Größe des hingegebenen Vermögens, als vielmehr die Beschaffenheit des Willens; darum hat der Heiland den armen Petrus dem reichen Zachäus vorgezogen, obschon dieser viel mehr den Armen gegeben hat, und jener nur die wohlfeilen Fischergeräte verlassen hat, damit die Reichen nicht hochmütig würden wegen reichlichem Almosen. –
All dein Hab und Gut schicke aber zu Christus voraus und sammle dir damit einen Schatz im Himmel. Bei allen guten Werken hüte dich, daß du dich von der Begierde nach Menschenlob treiben lassest. Der Herr befiehlt in solcher Weise die guten Werke zu tun, daß wir nicht unser Lob, sondern Gottes Lob dabei suchen. Schreibe daher nie ein gutes Werk deiner Tugend, sondern der Gnade Gottes zu, denn weder Wille noch Werk kommt aus eigener Kraft, sondern aus dem freien Geschenk der göttlichen Erbarmung. Bitte daher von Gott den Beginn des Willens, die Ausführung des Werkes und das Geschenk der Standhaftigkeit. Du darfst aber nicht zweifeln an der göttlichen Güte und Macht. Der dir den rechten Weg gezeigt hat, wird dich auch bis ins Vaterland geleiten. Hoffe deshalb auf Gott und tue das Gute. Sei standhaft, und suche immer noch zu wachsen in der Tugend. Laß nicht ab vom Lesen religiöser Schriften; je mehr du im Guten zunimmst, desto mehr verdemütige dich vor Gott. Der Herr aber führe ich auf dem Weg der Tugend und lasse dich gelangen zu den Verheißungen des himmlischen Reiches.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 23 – S. 27