Die bessere Botschaft des Christkönigs Jesu in der Apokalypse
Die Germanen waren an ihren Göttern irre geworden
Gerade die Überwindung des Fatums durch den Glaubens an den Himmelsvater und seinen Sohn, den Christkönig, hat viel dazu beigetragen, die germanischen Völker für die Religion Christi zu gewinnen. Die Germanen waren ja an ihren eigenen Göttern irre geworden, weil sie deren Ohnmacht gegenüber dem Schicksal sahen. Darum der starke tragische Einschlag in ihren Mythen und Liedern. Yggdrasil, die Weltesche, wird gedeutet als „Galgen Yggs“, d. h. Odins. Der höchste Gott selber ist an den Weltenbaum gefesselt. Sein Wissen kann er nur aus dem Brunnen holen, über den die dunklen Schicksalsmächte Gewalt haben. Die Welt ist in ihrer Existenz angewiesen auf die Schicksals-Göttinnen, die drei Nornen Urd, Werdandi und Skuld. Sie tränken die Weltesche aus dem Schicksals-Brunnen. „An Yggdrasils Wurzel aber liegen mehr Würmer, als ein Unweiser ahnt“, heißt es in der Edda. Über den Göttern schweben drohend die Ragnarök, die Götter-Schicksale, denen alle erliegen. Von ihnen bemerkt Walter Baetke: „Am Ende steht die metaphysische Sinnlosigkeit des Untergangs der Götter- und Menschenwelt.“ Schwer lastete dieser düstere Schicksals-Glaube auf den Germanen. Die Apokalypse aber zeichnete ihnen ein ganz anderes Weltbild. Auch darin wurde von den finsteren Mächten der Unterwelt und ihrem Ansturm gegen die Guten und sogar gegen den Himmel gesprochen. Aber Christus erliegt ihnen nicht wie Baldur dem Loki, Odin dem Feuriswolf und Freyr dem Feuerriesen Surt. In Christi Hand ruht das versiegelte Schicksalsbuch der Menschheit. Er erscheint als Sieger auf weißem Roß und vernichtet alle seine Feinde samt dem Tod und dem Teufel, dem alten Neidhart. Seinem getreuen Gefolge aber gewährt er am Weltenende unsagbares Glück für immer. Das war bessere Botschaft, und die gesunden nordischen Völker begeisterten sich für diese sieghafte Religion, die auch das Schicksal bezwang und alle Dämonen überwand. An den packenden Szenen der Apokalypse aber fanden sie besonderes Gefallen, wie es die alte Reichenauer Bilderhandschrift bezeugt.
Die Apokalypse zeichnet ein anderes Weltbild
Im „Heiland“ des neu bekehrten Sachsen wird Christus gezeichnet als „Gottes Friedenskind“, aber auch als „der Geborenen Bester“, als „der waltende Christ“, der „Nothelfer Christ“. Er ist „der hehre Himmelskönig“, „der Könige reichster“, „der mächtige Herr“, der bei seiner Himmelfahrt „empor wallte, das hohe Himmelreich zu suchen und seinen Stuhl“. Und er „sieht alles von da, was diese Welt beschließt“. Als Apostel hat er sich zwölf treuhafte und treffliche Männer erkoren, „Recken“ und „dreiste Degen“, die ihn als ihrem „Dienstherrn“ die Gefolgschaft edler Männer leisten. Mit gleich hohem Ernst hat vorher die Karolingerzeit das Bild Christi aufgefaßt. Schon zu Anfangdes 6. Jahrhunderts wurde in Ravenna, wo damals unter Theoderich der gotisch-germanische Einfluss vorherrschte, jene seltene Darstellung Christi in Mosaikmalerei geschaffen, die ihn als den „Vorkämpfer“ zeigt. Hoch aufgerichtet steht der jugendliche Christus in der Rüstung des Kriegers da, das Kreuz als Schert über die schulter gelegt, mit dem rechten Fuß das Haupt eines Löwen, mit dem linken den Kopf einer Schlange nieder tretend. Die königliche Kriegergestalt würde man trotz des entsprechenden Glorienscheins um das Haupt kaum für ein Christusbild halten, wenn nicht die vom Mantel bedeckte Linke ein aufgeschlagenes Buch trüge, worin zu lesen ist: „Ego sum via, veritas et vita.“ Der Geist, der uns aus all diesen Christus-Darstellungen des Heliand, der karolingischen Zeit und aus dem Mosaik in Ravenna entgegen weht, ist der gleiche, der auch die Christkönigs-Visionen der Apokalypse beseelt.
Kein Buch der Bibel nimmt den Teufel so ernst wie die Apokalypse
Wo immer es um Christi Reich geht, tritt der „Fürst dieser Welt“, der Teufel, irgendwie in Erscheinung. Den Messias selbst suchte er auf seine Seite zu ziehen und zu seinem Lehensmann zu machen (Luk. 4, 6f). Auf diesen Erzfeind der Sache Gottes lenkt darum die Apokalypse immer wieder das Augenmerk der Leser. Er ist der mächtige und verschlagene Gegenspieler Christi. Dem himmlischen Lamm steht als Widerpart der höllische Drache gegenüber. Er lauert darauf, das Kind des Himmelsweibes zu verschlingen und die Mutter selbst zu vernichten. Dann richtet sich seine Wut „gegen die übrigen von ihrer Nachkommenschaft“ (12, 17). Mit seinen Helfershelfern, dem Tier aus dem Meer und dem Tier aus der Erde, dem Antichristen und dem Lügenpropheten, bietet er alles auf, um die Menschheit für sich zu gewinnen und Gottes Heilspläne zu durchkreuzen. Die Anhänger des Lammes werden verfolgt, gequält, wirtschaftlich boykottiert und ermordet. Denen aber, die das Zeichen des Tieres tragen, verhilft der Satan zu Wohlstand und Ehrenstellen (13, 14ff). Es kommt so weit, daß die Massen den Drachen und das Bild des Tieres anbeten (13, 4 u. 15), während „es ihm gegeben wurde, gegen die Heiligen (die Christen) Krieg zu führen und sie zu überwinden“ (13, 7). Kein Buch der Bibel nimmt den Teufel so bitter ernst wie die Apokalypse. Sie „ist das Buch von der Wirklichkeit der Dämonie in der Welt“ (Jos. Freundorfer). Diese Dämonie ist aber keine bloße Idee. Eine persönliche Macht treibt die Menschen in den Kampf gegen Christus und sein Reich. Und lange sieht es aus, als sei der Erfolg auf ihrer Seite, als gehe das Licht unter in der Finsternis. Erst wenn der Drache auf tausend Jahre im Abgrund gefesselt ist, kommt eine Periode ruhigerer Entwicklung für die Kirche. Aber danach wird der Satan wieder frei, „der Teufel ist los“, und holt mit Gog und Magog zum entscheidenden Schlag gegen „das Lager der Heiligen und die geliebte Stadt“ aus, die sie umzingeln. „Aber es fiel Feuer vom Himmel herab und verzehrte sie. Und der Teufel, ihr Verführer, wurde in den Pfuhl von Feuer und Schwefel geworfen, wo auch das Tier und der Lügenprophet sind; und sie werden gepeinigt werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (20, 9-10). Das ist einer der aufschlussreichsten Sätze der Offenbarung über die Entwicklung der Geschichte. Er birgt einen religiösen Lebenswert, den die Menschen friedlicher, liberalistischer Zeitperioden kaum zu schätzen wissen. Sie spotten vielmehr über den Teufel als Erfindung lebensverneinender Schwächlinge und menschenhassender Höllenprediger. Nichts ist dem Teufel lieber als diese Haltung. Es freut ihn am meisten, wenn gelehrte Bücher und populäre Redner sein Dasein leugnen; denn wer ihn nicht ernst nimmt, den betrachtet er als Bundesgenossen. Wer nicht gegen ihn ist, der ist für ihn. In leidvollen Zeiten der Verfolgung aber lernen die Menschen wieder aus den Visionen der Apokalypse an einen persönlichen Teufel glauben. Sie verspüren etwas von seinen Lockungen oder Nachstellungen und gehen ihm darum nicht blindlings in die Falle. Sie erkennen, daß der böse Geist nie ein“creator spiritus“ ist. Er spricht nie: „Es werde!“ Er kann nur stören und zerstören.
Wer der satanischen Wirklichkeit Rechnung trägt, wird ebenso vor der rein materialistischen wie vor der einseitig idealistischen Auffassung des Weltgeschehens bewahrt. Von steter Höherentwicklung ist in der Tat wenig zu merken, eher von wachsender Dämonie. Je näher das Ende heran rückt, desto größer werden die Anstrengungen der Höllenmächte. Der auf die Erde gestürzte Drache wütet dort „mit grimmem Zorn, weil er weiß, daß er nur kurze Zeit hat“ (12, 12).
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Erst in Christus bekommt die Geschichte einen Sinn
Niemals wird einer die Geschichte verstehen, nicht einmal die Geschichte seines eigenen kleinen Lebens, geschweige die Menschheits-Geschichte, wenn er sie nur aus dem Spiel und Gegenspiel menschlicher Kräfte und roher, blinder Naturgewalten begreifen will. Bis zur ersten Ankunft Christi ist die Geschichte bewußte oder unbewußte Sehnsucht nach dem kommenden Licht, dem !Aufgang aus der Höhe“. Von der Erlösung an bis zur Parusie des Weltenrichters ist sie auf der einen Seite ein Titanenkampf der Unterwelt, der „Pforten der Hölle“, gegen das Gottesreich, auf der andern Seite ein standhaftes Dulden in „großer Drangsal“ (7, 14) und erwartendes Beten: „Komm, Herr Jesus!“ (22, 20) Erst in Christus bekommt die Geschichte einen Sinn. Darum nennt die Apokalypse ihn ebenso wie den Vater das Alpha und das Omega, den Anfang und das Ende. „Die Bilder, in denen das Ende der Geschichte geoffenbart ist, haben ohne Beziehung zu Christus furchtbare Sinnlosigkeit, erschreckende Fremdheit. Daher müssen sie abgelehnt werden von allen, die nicht bereit sind, auf Christus zu blicken. Die aber bereit sind, auf Christus zu sehen, schauen zu gleicher Zeit auch auf das Geschehen im Himmel, auf die Boten Gottes, die von oben gesandt werden, den Willen Gottes zu erfüllen. Sie verstehen, daß das Jenseits der Welt mitten in der Welt ist…, daß Heilsgeschichte in der Weltgeschichte ist, weil das Heil in der Welt gewirkt wird“ (Philipp Dessauer, Der Anfang und das Ende 107).
Die Apokalypse wird zur Schule eines christlichen Optimismus
Der gläubige Leser vermag also aus der Apokalypse eine geschlossene „Weltanschauung“ zu gewinnen. Der Blick aufs Ende, auf den kommenden Vollender lehrt ihn die Gegenwart verstehen als Glied einer Kette, die in Gottes Hand beginnt und aufhört. So weitet sich sein Gesichtsfeld. Die Folge ist ein starker Auftrieb zu frohem Weiterschaffen. So wird die Apokalypse zur Schule des echten christlichen Optimismus. Der Christ hält sich an die harte Realistik der Offenbarung und bleibt dadurch ebenso bewahrt vor verstiegener Ideologie wie vor lähmendem Pessimismus. Die Drangsale derer, die hienieden das Zeichen Christi und nicht das Zeichen des Tieres tragen, vermögen ihm nicht die Gewissheit zu rauben, daß, wer ausharrt bis ans Ende, das Leben als Siegeskranz erhält (2. 10). –
Herders Bibelkommentar Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI/2 Die Apokalypse, 1942, S. 22 – S. 25; S. 27 – S. 29
weitere Herders Bibelkommentare zur Geheimen Offenbarung siehe: Herders Bibelkommentare zur Apokalypse