Der eine Gott ist die Dreifaltigkeit – Das Athanasianische Glaubensbekenntnis
Die geschilderte dogmatische Entwicklung der Mysterien der Trinität und Christologie war, soweit dabei die wissenschaftlich theologische Forschung in Betracht kam, das Werk der alten, mit Rom verbundenen östliche Kirche, die außerordentlich Großes in spekulativer Forschung geleistet hat. Doch darf dabei die überaus wertvolle Arbeit der abendländischen Theologie für die Festigung und Entfaltung der trinitarischen und christologischen Wahrheiten nicht übersehen werden.
Die heidnischen Stämme der Ostgermanen waren seit dem 2. nachchristlichen Jahrhundert südwärts in den Osten des römischen Reiches gewandert und hatten die dort herrschende mildere Form des Arianismus kennen gelernt und als christliche Religion angenommen. Seit dem 4. Jahrhundert überfluteten sie die westlichen Gebiete des römischen Reiches, sodaß hier die Kämpfe gegen die arianische Irrlehre noch fortdauerten, als diese im Osten schon fast erledigt war.
Führend in diesen Kämpfen und vorbildlich in der Darlegung und Vertiefung der trinitarischen Wahrheit war Hilarius, Bischof von Poitiers († 367), der „Athanasius der Abendlandes“, der, ein gründlicher Kenner der Theologie des Ostkirche, in seinem zwölf Bücher umfassenden, Hauptwerk „De trinitate“ die Lehre von der Heiligsten Dreifaltigkeit gedankentief zur Darstellung zur Darstellung brachte.
Auch der große Bischof von Mailand, Ambrosius (333 bis 397), in dessen überragender Persönlichkeit sich die Kraft des echten Römers mit der Weisheit des wahren Christen verband, hat, trotzdem seine geistige Veranlagung mehr praktisch als spekulativ war, in seinem gegen die arianische Irrlehre gerichteten, von der Theologie der Ostkirche stark befruchteten Schriften, „De fide“, „De Spiritu Sancto“, „De incarnationis dominicae sacramento“, die dogmatischen Wahrheiten über die Trinität und Christologie gefestigt und in ihrer Entwicklung gefördert.
Vor allem aber hat der genialste Denker der Kirche, Augustinus (354 bis 430), Bischof von Hippo in Nordafrika, der einflussreichste, tiefste und geistig umfassendste aller Theologen, Grundlegendes zur wissenschaftlichen Entfaltung der trinitarischen und christologischen Wahrheiten beigetragen, und zwar selbständig mit seinem scharfen Geist forschend, gestützt auf die altchristliche Tradition den Gehalt der Heiligen Schrift durchdringend. Man könnte als Motto über seine immense theologische Forschungsarbeit sein Wort stellen: „Deum et animam scire cupio. Nihil neplus? Nihil omnino“. (1) Zum Verständnis dieses Wortes ist zu bedenken, daß für Augustinus die Erkenntnis Gottes Ziel und Ende aller Erkenntnis war, daß also sein Wissen um die Seele wie sein Wissen um den ganzen Kosmos ihm nur Weg war zu seinem Wissen um Gott. Von der Einheit des göttlichen Wesens ausgehend, kommt Augustin in dem tief sinnigsten seiner zahlreichen Werke, dem fünfzehn Bücher umfassenden Werk „De trinitate“, zur psychologischen Erklärung des inner-trinitarischen Lebens: „Der eine Gott ist die Dreifaltigkeit.“ (2) Vater, Sohn und Heiliger Geist sind das notwendige innergöttliche Leben, die drei einander notwendig fordernden Relationen, wobei der Sohn vom Vater als dem einzigen ursprungslosen Ursprungs-Prinzip durch einen einzigen, ewigen, die ganze göttliche Natur und Wesenheit umfassenden Erkenntnisakt gezeugt, der Heilige Geist als gegenseitige Liebe von Vater und Sohn von beiden als die göttlichen Person der Liebe gehaucht wird und somit vom Vater und Sohn (a patre filioque) gleichermaßen ausgeht.
Ebenso hat Augustinus die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in der einen Person des Gottmenschen klar ausgesprochen: „Nunmehr ist zwischen Gott und den Menschen der Mittler erschienen, der beide Naturen in der Einheit der Person verbindet.“ (3) Das ist der „Gottmensch“ (4), das Wort Gottes, das nicht durch Verwandlung in den Menschen zugrunde ging, sondern Menschennatur annahm, damit der Mensch nicht verloren ging (5), der Mittler, „dessen Kommen seine Menschheit, dessen Bleiben seine Gottheit, dessen Gottheit, wohin wir gehen, dessen Menschheit, worauf wir gehen.“ (6)
Die Bedeutung der abendländischen Theologie spricht sich in dem dritten großen Symbolum der Kirche, dem sogenannten Athanasianischen Glaubensbekenntnis aus, das nicht den großen Lehrer des Ostens, Athanasius, sondern einen Kirchenlehrer des Abendlandes, vielleicht Ambrosius selber, zum Verfasser hat und die trinitarischen und christologischen Dogmen in so klarer und scharfer Formulierung gibt, daß es neben dem Apostolischen und Nicäno-Konstantinopolitanischen Symbolum die Glaubensgrundlage für alle positiv christlichen Konfessionen bildet. In klassisch kurzer und doch erschöpfender Weise spricht es das Resultat des Jahrhunderte langen dogmatischen Ringens um Trinität und Christologie in den Worten aus, die als der Abschluss dieser Periode hier folgen mögen:
Das Athanasianische Glaubensbekenntnis
„Der katholische Glaube ist der, daß wir einen Gott in drei Personen und drei Personen in der Einheit verehren. Wir dürfen die Personen nicht vermischen und die Wesenheit nicht trennen. Eine andere ist die Person des Vaters, eine andere die des Sohnes, eine andere die des Heiligen Geistes. Aber im Vater und Sohn und Heiligen Geist ist nur eine Gottheit, eine gleichwertige Herrlichkeit, eine gleichewige Majestät. Wie der Vater, so ist der Sohn, so der Heilige Geist. Unerschaffen ist der Vater, unerschaffen der Sohn, unerschaffen der Heilige Geist. Unermesslich ist der Vater, unermesslich der Sohn, unermesslich der Heilige Geist. Ewig ist der Vater, ewig der Sohn, ewig der Heilige Geist. Und doch gibt es nicht drei Ewige, sondern nur einen Ewigen, wie es nicht drei Unerschaffenen und Unermesslichen. Desgleichen ist allmächtig der Vater, allmächtig der Sohn, allmächtig der Heilige Geist; aber dennoch gibt es nicht drei Allmächtige, sondern nur einen Allmächtigen. Und so ist der Vater Gott, und der Sohn ist Gott und der Heilige Geist ist Gott; aber es gibt nicht drei Götter, sondern nur einen Gott. So ist der Vater Herr, und der Sohn ist Herr, und der Heilige Geist ist Herr; trotzdem gibt es nicht drei Herren, sondern nur einen Herrn. Wir werden durch die christliche Wahrheit angehalten, jede Person einzeln für sich als Gott und Herrn zu bekennen; aber von drei Göttern oder drei Herren zu reden, verbietet uns unser christlicher Glaube. Der Vater ist von niemandem gemacht, nicht geschaffen und nicht gezeugt. Der Sohn ist vom Vater allein, nicht gemacht, nicht geschaffen, sondern gezeugt. Der Heilige Geist ist vom Vater und vom Sohn, nicht gemacht, nicht geschaffen, nicht gezeugt, sondern ausgehend. Es gibt also nur einen Vater, nicht drei Väter; nur einen Sohn, nicht drei Söhne, nur einen Heiligen Geist, nicht drei Heilige Geister. Und in dieser Dreieinigkeit ist nichts früher oder später, nichts größer oder kleiner; sondern alle drei Personen sind gleich ewig und einander gleichwertig. So ist in jeder Hinsicht, wie schon gesagt, die Einheit in der Dreiheit und die Dreiheit in der Einheit zu verehren. Zur ewigen Seligkeit ist auch notwendig, die Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus gläubig anzunehmen. Das ist der rechte Glaube, daß wir annehmen und bekennen: Unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist Gott und Mensch. Gott ist er, aus der Wesenheit des Vaters vor aller Zeit gezeugt; Mensch ist er, aus der Wesenheit der Mutter in der Zeit geboren; ganz Gott und vollständiger Mensch, aus einer vernünftigen Seele und einem menschlichen Leib bestehend, dem Vater gleich seiner Gottheit nach, geringer als der Vater gemäß seiner Menschheit. Er ist aber, obwohl Gott und Mensch, nicht zwei, sondern ein Christus, einer, nicht durch Umwandlung der Gottheit in den fleischlichen Menschen, sondern durch Aufnahme der Menschennatur in Gott, einer im vollsten Sinne, nicht durch Wesensvermischung, sondern durch die Einheit der Person. Denn wie die vernünftige Seele und der Leib ein Mensch ist, so ist Gott und Mensch der eine Christus.“
(1) Solil. 1, 7.
(2) „Unus quippe deus est ipase trinitas“ (C. Serm. Arian., 3)
(3) „Nunc vero inter Deum et hominem madiator apparuit in unitate personae copulans utram que naturam“; Ep. 137, 3 9.
(4) „Homo-Deus“; Ench. 25, 108.
(5) „Non Verbum in carnem pereundo cessit, sed caro ad Verbum, ne ipsa periret, accessit“; Serm. 186, 1.
(6) „Divinitas ejus quo imus, humanitas ejus qua imus“; In Jo. tr. 42, 3. –
aus: Konrad Algermissen, Konfessionskunde, 1939, S. 238 – S. 241