Das Konzil von Trient
Wieviele Schwierigkeiten stellten sich dem Zusammentritt des Konzils entgegen, trotzdem allenthalben der Ruf nach einem solchen ertönte! Die französischen Könige dieses Zeitalters waren die bösen Dämonen der Kirche, der Päpste wie des Hauses Habsburg und Deutschlands. Mit katholischen Beteuerungen auf den Lippen verstanden sie es oft genug, die Päpste gegen Kaiser Karl, der zum Konzil drängte, einzunehmen, während sie die Protestanten unterstützten, selbst die Türken zum Kampf ermunterten und so des Kaisers Macht zum Schutz des wahren Glaubens lahm legten. Doch trotz aller Hindernisse, die selbst die Kirche mit gänzlichem Zerfall bedrohten, kam es endlich zustande.
Nicht minder groß waren die Hindernisse, die das Konzil nach dem Zusammentritt fand, so daß die Sache nach menschlichem Ermessen verzweifelt schien. Die Protestanten und Luther selbst beriefen sich zuerst mit allem Nachdruck auf ein allgemeines Konzil. Als es aber mit ihm ernst werden sollte und sie zur Beteiligung aufgefordert wurden, wurde es unter allerlei, selbst den nichtigsten Vorwänden abgelehnt. Luther hatte durch seineSchmähungen und Lästerungen es so weit gebracht, daß seine Anhänger die Konzilsväter auseinander treiben oder sie gefangen nehmen wollten. Inmitten dieses menschlichen Getriebes erstrahlte die wundervolle Führung im glänzendsten Licht, der über dem Abgrund des menschlichenElends das Reich seiner Gnade und Erbarmung errichtet. Kein Wunder, daß unter so vielen Schwierigkeiten von innen und außen das Konzil mit zweimaliger Unterbrechung 18 Jahre währte. Es war der Dauer nach weitaus das längste. Es hatte aber auch eine Aufgabe zu lösen, wie kein anderes Konzil vor ihm und hat es in wunderbarer Weise gelöst. Es wurden in 25 Sitzungen Lehrentscheidungen wie Verordnungen zur Verbesserung der Kirchenzucht getroffen; aber wie viele Beratungen veranstaltet, wie viele Fragen eingehend erörtert, wie viele Schwierigkeiten erhoben und beglichen, welch eine Unsumme von Gelehrsamkeit entwickelt, wie viele Vorlagen gemacht und diskutiert wurden, kann nur derjenige ermessen, der eine eingehende Geschichte dieses Konzils studiert.
Bezüglich der Lehre wurde dem Grundsatz Luthers gegenüber, daß die Heilige Schrift alleinige Erkenntnisquelle des christlichen Glaubens sei, erklärt, daß zur Offenbarung ebenso auch die Tradition oder die mündliche Überlieferung gehöre. Gegenüber der Willkür, mit welcher die Protestanten ganze Teile der HeiligenSchrift verwarfen, wurde das das Verzeichnis der heiligen Bücher wie es in früheren Konzilien festgestellt worden war, erneuert und erklärt, daß alle diese Bücher mit allen ihren Teilen geoffenbartes Wort Gottes seien. Gegenüber der willkürlichen Auslegung der Heiligen Schrift, nach der ein jeder, was ihm beliebt aus der Bibel heraus lesen oder hinein lesen kann, wird erklärt, daß man sich an die Erklärung der Kirche in allem, was den Glauben und die Sitten betrifft, zu halten habe, welche das von Gott gesetzte Lehramt zur Verkündigung und Reinerhaltung der göttlichen Offenbarung ist.
Es wurde dann die Lehre von der Erbsünde und deren Folgen klar und bestimmt auseinander gesetzt wie die Lehre von der Rechtfertigung des Menschen, die nicht durch den Glauben allein, sondern durch den Glauben, der in der Liebe tätig ist, sich vollzieht, durch die die Sünde nicht bloß nicht angerechnet, sondern wirklich weg genommen wird, so daß der Mensch wahrhaft vor Gott geheiligt und gerecht ist. Auf Grund der Heiligen Schrift und der Überlieferung wurde erklärt, daß Christus sieben hl. Sakramente und nur sieben eingesetzt hat als sichtbare Zeichen, durch welche der Mensch die Rechtfertigung erlangt oder bewahrt und vermehrt. Es werden dann die einzelnen Sakramente behandelt und die entgegen gesetzten Irrtümer verworfen.
Eingehender wurde vom Sakrament der Buße und namentlich vom Allerheiligsten Altarsakrament gehandelt und vom letzteren erklärt, daß unter den Gestalten des Brotes und Weines, und zwar unter jeder der beiden Gestalten der Leib und das Blut des Gottmenschen wirklich wahrhaft und wesentlich gegenwärtig sei, da durch die Wandlungs-Worte die Substanz des Brotes und Weines in die Substanz des Leibes und Blutes Jesu Christi verwandelt werde, daß der Kommunizierende auch unter einer Gestalt den ganzen Christus, den lebendigen Leib Jesu, also auch mit Fleisch und Blut empfange. Ebenso wurde feierlich erklärt, daß die heilige Messe ein wahres, obgleich unblutiges Opfer sei, welches nicht das Kreuzopfer Christi beeinträchtige, sondern vielmehr dasselbe dasselbe den Menschen stets gegenwärtig darstelle und ihnen die Früchte desselben zueigne.
Dann wurden die Bestimmungen über die Ehe als Sakrament und deren Unauflöslichkeit getroffen. Zuletzt wurde die Lehre über das Fegefeuer entschieden, über die Anrufung der Heiligen, die Verehrung der Reliquien und religiösen Bilder als nützlich und heilsam erklärt, die Lehre vom Ablass dargelegt wie auch die wahre Bedeutung des kirchlichen Fastengebotes. Alle diese Entscheidungen wurden in würdevoller Ruhe auf Grund der Heiligen Schrift, der kirchlichen Überlieferung und früherer Konzilien gefaßt.
Die Konzilsväter begnügten sich aber nicht mit den kirchlichen Lehr-Entscheidungen und der Verwerfung der Irrlehren, sie erließen auch die heilsamsten Verordnungen für die Erneuerung des christlichen Lebens. In vielen Sitzungen wurden diesbezügliche Dekrete erlassen, Missbräuche abgestellt, heilsame Gesetze gegeben oder erneuert. Besondere Sorgfalt widmete das Konzil dem Unterricht und der Erziehung des Klerus. Den Bischöfen wurde aufgetragen, Knabenseminare zu errichten, Synoden abzuhalten, den mit Seelsorge betrauten Priestern bei ihrer Herde zu bleiben – Residenz zu halten – zur Pflicht gemacht.
So hatte das Konzil eine großartige Aufgabe gelöst. Als am 4. Dezember 1563 dasselbe geschlossen wurde, konnte der Kardinallegat Morone mit vollem Recht sagen: „Alle Bemühungen, die Häretiker zum Konzil heran zu ziehen, seien vergeblich gewesen. Jedoch habe die Versammlung durch Feststellung der Glaubens-Lehren und durch Verbesserung der Kirchenzucht herrliche Früchte gebracht.“ In allgemeiner Eintracht der katholischen Welt wurde das Konzil geschlossen. Das von vielen kaum erhoffte, so oft gefährdete Ziel war erreicht. Das Konzil hatte eine hohe Aufgabe gelöst. Die Teilnehmer, 256 an der Zahl, unterschrieben die Beschlüsse, später auch die meisten Gesandten der katholischen Mächte. Kein Wunder, daß die versammelten Väter vor Rührung und Freude tief ergriffen, sich gegenseitig beglückwünschten, in vielen Augen dieser alten Männer erglänzten Tränen.
Pius IV. war über den glücklichen Abschluss des Konzils hoch erfreut und bestätigte dessen Entscheidungen am 26. Jänner 1564. Sofort machte sich der Papst ans Werk, die Beschlüsse des Konzils in Ausführung zu bringen. Er forderte die Bischöfe auf, sich in ihre Sprengel zu begeben, schrieb das aus den Dekreten des Konzils entnommene Glaubens-Bekenntnis vor, verordnete die Reform des Kirchengesanges, erließ eine Verordnung über das Lesen verbotener Bücher und ließ ein Verzeichnis derselben anfertigen. Für mehrere deutsche Länder gewährte er die Kommunion unter beiden gestalten, jedoch kam dieselbe bald außer Übung. Das Volk sah ein, daß es der Ehrfurcht des heiligsten Sakramentes mehr entspricht, wenn die Kommunion unter Brotsgestalt allein gespendet wird. Die Forderung einzelner Fürsten, die Priesterehe zu gestatten, wies Pius IV. entschieden zurück. In Rom errichtete er das römische Seminar zur Heranbildung würdiger und gelehrter Priester. Die Konzils-Entscheidungen wurden nach und nach von den katholischen Regierungen angenommen. So konnte Pius mit dem Bewusstsein, ein großes Werk glücklich zum Abschluss gebracht und einen mächtigen Anstoß zum neuen Aufschwung des kirchlichen Lebens gegeben zu haben, die Augen schließen. Am 9. Dezember 1565 hauchte er unter dem Beistand zweier Heiliger, des hl. Karl Borromäus und des hl. Philipp Neri, seine Seele aus. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, III. Band, 1907, S. 554 – S. 557