Die Pflichten gegenüber unserem Schutzengel
1. Wir schulden den Schutzengeln Ehrfurcht vor ihrer Gegenwart.
Zur Belebung dieser Ehrfurcht stellen wir sie uns vor als erhabene Geister, welche an Wissenschaft und Weisheit alle Menschen weit übertreffen, alle Gaben des heiligen Geistes in vollem Maße, alle Tugenden in vollkommenem Grade und die himmlische Seligkeit in unverlierbarer Weise besitzen. Sie sehen wir an unserer Seite nicht bloß als verehrungswürdige Mitgeschöpfe und Mitbegnadigte, sondern als Abgeordnete unseres himmlischen Vaters, als spezielle Repräsentanten seiner Liebe und Fürsorge für unser geistiges und leibliches Wohl. Diese Ehrfurcht sind wir auch den Schutzengeln unserer Hausgenossen und Nachbarn, überhaupt unserer Mitmenschen schuldig.
2. Wir sind den Schutzengeln Dankbarkeit schuldig.
Die Summe der Wohltaten, welche sie uns seit dem Tage unserer Geburt schon erwiesen, die Macht ihrer Fürbitten, die Weisheit ihrer Ermahnungen und die Menge ihrer Hilfeleistungen, alles dieses ist so erstaunlich groß, daß wir uns in Verlegenheit befinden und nicht wissen, wie wir ihnen würdig danken sollen. – Unsere Armut gestattet uns nur, daß wir ihnen die lebhaften Gefühle unseres dankbaren Herzens darbringen und aussprechen, daß wir voll Freude sie loben, daß wir preisen ihre Erhabenheit und Glückseligkeit im Himmel, und bewundern ihre dienstfertige Wohltätigkeit gegen uns, die wir so unliebenswürdig sind, daß wir nicht einmal ihre immer währenden Wohltaten zu unserer Heiligung verwerten.
3. Wir sind ihnen ein unbedingtes Zutrauen schuldig.
Das wir durch herzliche Anrufung betätigen. Die heiligen Schutzengel sind zwar vermöge ihres Amtes sowohl als vermöge ihrer erprobten Heiligkeit ganz geneigt, ihren mächtigen Schutz uns angedeihen zu lassen; aber noch in höherem Grade sind sie Diener Gottes und bereit, seinen heiligen Willen zu vollziehen. Nun ist es der bestimmte, ausgesprochene Wille Gottes, daß wir Ihn um seine Gnade bitten und auch die lieben Engel anrufen, durch die. Er uns seine Wohltaten mitteilen will. Denn würden sie uns Schutz und Hilfe leisten, ohne daß wir sie darum bitten, so würden sie uns ja keine Wohltat erweisen, sondern einen Zwang antun. Befolgen wir daher gerne die Mahnung des hl. Bernhard: „So oft eine Trübsal oder eine Versuchung euch ängstigt, fleht die Hilfe dessen an, der euch bewacht, der euch führt, der euch in allen Leiden beisteht.“
Um uns zu diesem Vertrauen anzueifern, hat Papst Pius VII. einen Ablass von hundert Tagen allen verliehen, welche andächtig beten:
„Engel Gottes, der du mein Beschützer bist, dem Gottes Vaterliebe mich anempfohlen hat, erleuchte, beschütze, leite und regiere mich. Amen.“
Einen vollkommenen Ablass in jedem Monat denjenigen, welche dieses Gebt täglich einmal beten und reumütig beichten und kommunizieren. Dieser Ablass kann auch den armen Seelen geschenkt werden.
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 648