Das Strafgericht über Konstantinopel

Mutter Gottes Maria mit Jesus: ein Mosaikbild in der ehemaligen Sophienkirche in Konstantinopel

Das Strafgericht über Konstantinopel unter dem Pontifikat von Nikolaus V.

Unter der Regierung des Papstes Nikolaus brach nämlich das göttliche Strafgericht über Konstantinopel, der Hauptstadt des griechischen Reiches herein.

Der Schutz der Christen gegen das Eindringen der Türken lag Nikolaus gar sehr am Herzen. Er war von Anfang an bemüht, die Unternehmungen gegen dieselben zu unterstützen. Nach allen Seiten hin ließ er dringende Hilferufe ergehen. Leider hinderten gegenseitige Feindseligkeiten, Eifersucht und Eigennutz die abendländischen Fürsten, gemeinsam gegen den Feind des christlichen Namens vorzugehen. Verschiedene Reichstage wurden auf Anregung des Papstes in Deutschland abgehalten, dessen König als das weltliche Haupt der Christenheit vor allem die Pflicht hatte, dieselbe energisch zu schützen. Doch war alles vergeblich. Kaiser Friedrich III. hatte keine Macht. Die deutschen Reichsstände taten in ihrer Selbstsucht nichts gegen die Türken.

Nachdem die Ungarn bei Varna 1444 und darnach bei Kossovo von den Türken zwei schreckliche Niederlagen erlitten, schlug die Unglücksstunde für Konstantinopel, noch ehe der Papst Hilfe senden konnte. Schon am 6. April 1453 war Konstantinopel von der Landseite eingeschlossen. Die Stadt zählte 300000 Einwohner, aber unter diesen nur 5000 waffenfähige Männer; dazu kamen zweitausend Fremde. Mit diesem Häuflein konnte Konstantin XII., der letzte oströmische Kaiser, die Eroberung der Stadt gegen zwanzigfache Übermacht nicht hindern, trotz mutiger Verteidigung. 14 Batterien und 12 größere Geschütze schleuderten Steinkugeln von 200 bis 500, eine von einem abtrünnigen Ungarn gegossene Riesenkanone sogar solche von 800 bis 1200 Pfund. Mit Heldenmut wurden mehrere Stürme abgeschlagen. Außer der persönlichen Tapferkeit des Kaisers und einiger Griechen war dies hauptsächlich den fremden Truppen zu danken.

Die meisten Griechen spielten ein schmähliche Rolle. Statt am Kampf teilzunehmen, erwarteten sie ein Wunder; doch Gott hilft dem Tapferen, nicht dem Feigling. Am 29. Mai gab der Sultan das Zeichen zum letzten Angriff. Zweimal wurde der Sturm abgeschlagen; doch einem neuen verzweifelten Angriff der Janitscharen erlag die Stadt. Konstantin kämpfte noch mutig, umgeben von einigen Getreuen, bis ihm ein Janitschar, als ihm schon aus dem Gesicht und dem Hals das Blut strömte, das Haupt spaltete. Er sank unerkannt unter den Haufen von Leichen. Die Sieger stürmten durch die Stadt, sie kannten kein Erbarmen. Tausende hatten in der Sophienkirche Schutz gesucht. Axtschläge zerschmetterten die Tore und Gräuel aller Art besudelten die heilige Stätte. Heiligtümer wurden zerschlagen, das Kruzifix herunter gerissen, Mord, Plünderung, Schändung dauerte durch acht Stunden in der ganzen Stadt. Die Beute war riesig, der Verlust an Kunstwerken und kostbaren Handschriften unnennbar. Tausende, welche dem Blutbad entrannen, wurden als Sklaven verkauft.

Die schismatischen Griechen hatten erklärt, man wolle lieber den türkischen Turban als die Tiara in Konstantinopel sehen. Dies wurde ihnen zuteil. Nachmittags hielt der Sieger prunkhaften Einzug, begab sich in die Sophienkirche und verrichtete das Dankgebet für den Sieg. Dann zog er in den Palast. Seither herrscht dort der Türke zur Strafe für die Treulosigkeit der Griechen und zur Schande der abendländischen Christen. Die Nachricht vom Fall Konstantinopels machte auf Nikolaus einen niederschmetternden Eindruck; allein er wußte sich zu fassen und zu handeln. Sofort schickte er Legaten an die italienischen Mächte, ließ in Venedig auf seine Kosten fünf Schiffe ausrüsten und forderte die ganze Christenheit zum Kreuzzug auf. Er erklärte, die Kirche wolle durch Geldspenden teilnehmen, die Kardinäle und die Beamten der Kurie sollten den Zehnten ihrer Einkünfte hergeben. Allein das zerrissene Europa verhielt sich teilnahmslos. Des edlen Papstes Ruf weckte keinen Widerhall. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, III. Band, 1907, S. 504 – S. 505

Aber noch zu einem andern Zweck brauchte der heilige Vater sehr viel Geld. Die Türken verbrannten nämlich die große und überaus kostbare Büchersammlung in Konstantinopel. Der türkische Feldherr sagte: Was in diesen Büchern Gutes steht, steht auch in unserem Koran, der heiligen Schrift der Türken. Was aber nicht darin steht, ist ohnehin nichts wert.“ Und auf das hin verbrannte er die wertvollsten Bücher aus alter Zeit, die über so viele Dinge hätten Aufschluss geben können.

Papst Nikolaus gab sich alle Mühe, die Kunstschätze zu retten, welche in Konstantinopel zu Grunde gehen mussten. Viele aus Konstantinopel flüchtige Griechen fanden in Rom eine neue Heimat. Diese brachten zahlreiche Schriften mit, die der Papst abschreiben ließ. Wer sich mit Büchern beschäftigen wollte, fand am päpstlichen Hof reichliche Arbeit. Konstantinopel selbst zu retten, war der heilige Vater nicht mächtig genug, dazu wäre ihm die Hilfe der Fürsten notwendig gewesen. Was er aber allein tun konnte, tat er. Die nützlichen und lehrreichen heidnischen Schriften erhielt er der Nachwelt zu einer Zeit, in der eben die Buchdruckerkunst erfunden war, so daß diese Schriften mit leichter Mühe vervielfältigt, nie mehr verloren gingen. Papst Nikolaus wurde damit auch der Gründer der vatikanischen Bibliothek. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 579 – S. 580

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