Modernismus Sammelplatz aller Häresien

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Der Katechismus über den Modernismus

nach der Enzyklika Pascendi Dominici gregis des hl. Pius X.

Pius X. in weißer Papstkleidung sitzt auf dem päpstlichen Stuhl, die Arme auf den Stuhllehnen, im Gesicht ist ein leichtes Lächeln zu sehen

8. Kritik des modernistischen Systems; Sammelplatz aller Häresien; Weg zum Atheismus

„Es möchte vielleicht einige scheinen, Ehrwürdige Brüder, daß Wir uns in dieser ganzen Darlegung der modernistischen Lehren zulange aufgehalten haben. Dies war jedoch ganz notwendig.“

255. Warum war eine so ausgedehnte Darlegung notwendig?

„Teils, damit Wir nicht der Unkenntnis ihrer Lehren von ihnen beschuldigt würden, wie es gewöhnlich geschieht; teils, damit klar erscheine, daß es sich beim Modernismus nicht um vage und durch keinen Zusammenhang verbundene Lehren, sondern m ein einheitliches und geschlossenes Lehrsystem handle, bei dem, falls eines angenommen ist, alles übrige notwendig folgt.“

256. Berechtigt dieser doppelte Grund auch die lehrhafte Auseinandersetzung des Modernismus?

„Deshalb benutzten Wir auch diese lehrhafte Auseinandersetzung und verschmähten manchmal nicht die Barbarismen, welche die Modernisten anwenden.“

257. Wie kann man kurz das modernistische System kennzeichnen?

„Überschauen wir nun gleichsam mit einem Blick das ganze System, so wird sich niemand wundern, wenn Wir es als den Sammelplatz aller Häresien bezeichnen. Gewiss, hätte sich jemand die Aufgabe gestellt, gleichsam den Saft und das Innerste aller Glaubensirrtümer die je existiert haben, in eins zusammen zu tragen, so hätte er die Sache nie besser machen können, als die Modernisten es getan haben.“

258. Sagt man genug, wenn man behauptet, daß die Modernisten die katholische Religion zerstören?

„Ja, diese sind sogar um soviel weiter gegangen, daß sie nicht nur die katholische Religion; sondern, wie schon angedeutet, alle Religion vollständig zerstören.“

259, Sind deshalb die Rationalisten den Modernisten gut gesinnt?

„Deshalb denn auch der Beifall der Rationalisten; deshalb erklären auch diejenigen Rationalisten, welche besonders frei und offen reden, daß sie keine tatkräftigeren Helfer gefunden als die Modernisten.“

260, Inwiefern sind die Modernisten die tatkräftigsten Helfer der Rationalisten?

„Gegen wir nur kurz, Ehrwürdige Brüder, noch einmal zu der höchst verderblichen Lehre des Agnostizismus zurück.“

261, Wie wollen die Modernisten zu Gott kommen?

„Durch diese Lehre ist von Seiten des menschlichen Verstandes jeder Weg zu Gott versperrt, während man einen geeigneteren gefunden zu haben glaubt durch das Gefühl des Geistes und die Tätigkeit. Doch wer sieht nicht ein, wie verkehrt dies ist?“

262. Warum ist das ein verkehrter Versuch?

„Das Gefühl entspricht nämlich der Tätigkeit des Gegenstandes, die der Verstand oder die äußeren Sinne darbieten. Wird der Verstand beiseite gelassen, so wird der Mensch den äußeren Sinnen, zu den er so schon hinneigt, desto leichter folgen. Verkehrt ist dies noch, weil alle Phantasien über das religiöse Gefühl den gesunden Menschenverstand nicht aus dem Feld schlagen werden; der gesunde Menschenverstand lehrt uns aber, daß jedes Gemütserregung oder -beschäftigung keine Hilfe, sondern vielmehr ein Hindernis ist zur Erforschung des Wahren, des Wahren nämlich, wie es in sich ist.“

263. Begünstigen die Gefühle nicht das auffinden eines Scheines von Wahrheit und was ist davon zu halten?

„Jenes andere subjektive Wahre nämlich, die Frucht des inneren Gefühls und der Tätigkeit, ist Spielerei, dient aber dem Menschen zu nichts, denn diesem ist vor allem daran gelegen, zu wissen, ob außer ihm ein Gott existiert oder nicht, in dessen Hände er einstens fallen wird.“

264. Was nehmen die Modernisten noch als Grundlage des religiösen Gefühls an?

„Sie rufen zu diesem großen Werk auch die Erfahrung zu Hilfe. Was fügt diese aber dem religiösen Gefühl noch hinzu? Nichts anderes, als daß sie jenes noch heftiger macht; aus dieser Heftigkeit wird dann im Verhältnis auch die Überzeugung von der Wahrheit seines Gegenstandes stärker. Jedoch diese beiden bewirken keineswegs, daß jenes Gefühl aufhöre Gefühl zu sein, noch ändern sie dessen Natur, die stets der Täuschung ausgesetzt ist, wenn sie nicht nicht vom Verstand geleitet wird; im Gegenteil stärken und fördern sie dieselbe, denn ein heftigeres Gefühl ist eben mit desto mehr Recht Gefühl.“

265. Bedarf es auf dem Gebiet des Gefühls und der religiösen Erfahrung nicht großer Klugheit?

„Da es sich aber hier um das religiöse Gefühl und um die in ihm ruhende Erfahrung handelt, so wißt ihr wohl, Ehrwürdige Brüder, welch große Klugheit hier notwendig ist und wieviel Wissen, um die Klugheit zu leiten. Ihr wißt es aus der Seelenleitung, besonders jener, bei denen das Gefühl vorwiegt; ihr wißt es aus dem Studium der aszetischen Bücher.“

266. Sind diese aszetischen Bücher hierin gute Führer?

„Obwohl diese bei den Modernisten in gar keinem Ansehen stehen, haben sie doch eine viel solidere Lehre und viel feinere Beobachtungsgabe als die, welche die Modernisten sich anmaßen.“

267. Soll man die modernistischen religiösen Erfahrungen gering einschätzen?

„Uns scheint es allerdings Torheit oder wenigsten höchste Unklugheit zu sein, innere Erfahrungen, ohne vorher gemachte Untersuchung als wahr hinzunehmen, wie sie die Modernisten feilbieten. Warum aber, im Vorübergehen gesagt, sollte, wenn diese Erfahrungen so große Macht und Festigkeit besitzen, nicht ein Gleiches jener Erfahrung zugeschrieben werden, die viele Tausende von Katholiken zu haben behaupten über die Abwege, auf welchen die Modernisten wandeln? Sollte diese Erfahrung allein falsch und trügerisch sein?“

268. Was denkt die Mehrzahl der Menschen von diesem Gefühl und dieser Erfahrung?

„Der größte Teil der Menschen aber hält fest und wird immer daran festhalten, daß man durch Gefühl und Erfahrung allein, ohne Führung und Erleuchtung der Vernunft, niemals zur Erkenntnis Gottes gelangen kann. So bleibt also wiederum der Atheismus und Religionslosigkeit.“

269. Wenn die modernistische Lehre von der religiösen Erfahrung zum Atheismus führt, haben sie dann vielleicht im Symbolismus ein Mittel, diese Gefahr zu meiden?

„Die Modernisten dürfen sich auch aus ihrer Lehre vom Symbolismus nichts Besseres versprechen. Denn wenn alle Verstandeselemente, wie sie sagen, nur Symbole Gottes sind, warum sollte dann nicht auch selbst der Name Gottes oder der göttlichen Persönlichkeit ein Symbol sein? Wenn dem aber so wäre, dann kann auch an der Persönlichkeit Gottes gezweifelt werden, und der Weg zum Pantheismus ist frei.“

270. Führt nur diese Lehre vom Symbolismus zum Pantheismus?

„Dahin, zum reinsten Pantheismus nämlich, führt auch die andere Lehre von der göttlichen Immanenz. Wir fragen nämlich, ob eine solche Immanenz Gott vom Menschen unterscheidet oder nicht. Wenn sie ihn unterscheidet, wie unterscheidet sie sich dann von der katholischen Lehre, oder warum verwirft sie die Lehre von der äußeren Offenbarung? Wenn sie ihn nicht unterscheidet, dann haben wir den Pantheismus. Nun will aber diese modernistische Immanenz und läßt zu, daß jedes Phänomen des Bewusstseins vom Menschen als Menschen ausgehe. Folglich ist die Schlussfolgerung berechtigt, Gott und Mensch seien ein und dasselbe; daraus der Pantheismus.“

271. Geht diese pantheistische Schlussfolgerung noch aus einer andern Lehre der Modernisten hervor?

„Der Unterschied endlich, den sie zwischen Wissenschaft und Glauben annehmen, läßt keine andere Schlussfolgerung zu. Denn den Gegenstand der Wissenschaft verlegen sie in die Realität des erkennbaren, jenen des Glaubens hingegen in die des Unerkennbaren. Das Unerkennbare kommt aber daher, daß zwischen dem vorliegenden Gegenstand und dem Verstand keine Proportion besteht. Dieser Mangel jeder Proportion kann aber niemals, auch nicht in der Lehre der Modernisten, aufgehoben werden. Folglich wird das Unerkennbare dem Glaubenden ebenso wohl wie dem Philosophen stets unerkennbar bleiben. Gibt es also irgend eine Religion, so wird diese die Religion der unerkennbaren Realität sein, und man kann keineswegs einsehen,warum diese Realität nicht die Weltseele sein könnte, wie einige Rationalisten annehmen.“

272. Welch letzte Schlussfolgerung kann man mit Recht ziehen?

„Doch das genügt, um klar einzusehen, wie viele Wege von der Lehre des Modernismus zu Atheismus und zur Vernichtung jeder Religion führen. Der Irrtum der Protestanten hat auf diesem Wege den ersten Schritt getan; dann folgt der Irrtum der Modernisten; allernächst wird der Atheismus kommen.“ –
aus: J.B. Lemius Obl. M. J., Der Modernismus Sr. H. Papst Pius X. Pascendi dominici gregis, 1908 S. 74 – S. 79

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