Mittel zur Erlangung der Sanftmut

Zwei Mittel zur Erlangung der Sanftmut

Wenn du aufmerksam betrachtest das Benehmen des hl. Eduard auf dem mächtigen Throne von England, wo er als zarter Knabe so große Bitterkeiten und schmerzliche Verfolgungen erfahren hatte, wo so viele treulose Freunde und Feinde seiner seiner unglücklichen Familie lebten, wo alle Mittel zur Rache in seiner Hand lagen, so tritt das wunderliebliche Bild der Sanftmut vor deine Seele hin. Diese von Jesus so eindringlich anbefohlene Tugend ist keineswegs eine bloß natürliche Anlage, sondern eine mit Entschlossenheit begonnene, mit Hilfe der göttlichen Gnade und der eigenen umsichtigen Sorgfalt zu Stande gebrachte, harmonische Stimmung des Gemütes, welche im Innern Ruhe schafft und im Äußern rings umher Alles anzieht und erfreut. Du wirst es in dieser Tugend weit bringen, wenn du nur folgende zwei Mittel mit beharrlichem Fleiß anwendest:

1. Bekämpfe mit umsichtiger Wachsamkeit in deinem Herzen diejenigen Neigungen und Fehler, welche das Aufkommen und Wachsen der Sanftmut unmöglich machen. – Ein solcher Fehler ist die dir angeborene Neigung, den Menschen, unter denen du lebst, zu gefallen, von ihnen geehrt und geliebt zu werden: sie drängt und treibt dich, vorlaut zu sprechen von dir, von deinen Kenntnissen, von deinen Leiden und Taten zu erzählen, und auf diese Weise deine Persönlichkeit in ein vorteilhaftes Licht zu stellen. Weil du aber auf diesem Wege das Ziel deiner Wünsche niemals erreichen kannst, weil du dadurch gerade die edelsten Menschen, an deren Achtung und Lob dir am meisten gelegen wäre, dir entfremdest und dich ihnen recht unliebenswürdig machst, weil dein Gewissen dich der Unehrlichkeit anklagt, so wird dein Gemüt unruhig, mürrisch, gereizt, wie ein geiziger Geschäftsmann, dem seine Gewinn verheißende Spekulation gänzlich fehl geschlagen hat. –

Ein anderer Fehler ist die angeborene Scheu vor der Einsamkeit und dem Stillschweigen, welche in dem Garde wächst, als du die strenge Zucht der Augen, der Ohren, der Zunge vernachlässigest und das wirre Geräusch des Weltmarktes mit seinen unersättlichen Leidenschaften des Neides, der Eifersucht, der Mißgunst usw. in dein Herz, das nur für Gott und für das Himmlische geschaffen ist, aufnimmst und sie beherbergst, so daß die Sanftmut keinen Platz mehr hat. –

Wieder ein anderer Fehler ist der Mißmut über die Fehler deines Temperamentes und über deine Schwächen in Ausführung der Gott gegebenen Versprechen: die Unzufriedenheit mit deinem Stande und mit der Umgebung, in der du dich befindest: das ruhelose Sinnen und Plänemachen für die Zukunft, für einen neuen Wirkungskreis mit allerlei Geschäften und Ämtern, wodurch die klare Besonnenheit für die Gegenwart, über die allein du verfügen kannst, unmöglich wird. – Fort also mit diesen Todfeinden der Sanftmut.

2. Sei immer bedacht auf praktische Übungen der Sanftmut gegen dich selbst und gegen deine Haus- und Standesgenossen. Der hl. Franz von Sales, dieser berühmteste Meister in der Sanftmut, hat einer jungen Dame dieses Mittel brieflich also empfohlen:

„Bitten Sie jeden Morgen vor allem Gott um jene Sanftheit des Geistes, die Er von den Seelen fordert, welche Ihm dienen, und machen Sie den bestimmten Vorsatz, sich in dieser Tugend recht fleißig zu üben, namentlich den beiden Personen gegenüber, gegen welche sie die meiste Verpflichtung haben. (Du mußt dir also genau die Personen bezeichnen, gegen welche du dich der Sanftmut befleißen willst.) Sie müssen Ernst anwenden, um sich in diesem Stück ganz beherrschen zu lernen, und müssen hundertmal des Tages sich daran erinnern, indem Sie zugleich diesen guten Entschluß Gott empfehlen. Denn ich sehe nicht ein, was Sie sonderlich mehr zu tun hätten, um Ihre Seele ganz dem Willen Gottes zu unterwerfen, als dieselbe Tag für Tag mehr zu sänftigen und dabei Ihr Vertrauen in, wenn Sie so handeln: denn dann wird Gott inmitten Ihres Herzens wohnen und dort herrschen in aller Ruhe.“
„Sollte es Ihnen aber begegnen, daß Sie sich wieder einmal vergessen, so verlieren Sie nur ja den Mut nicht, sondern fassen Sie sich sogleich wieder und fahren Sie gelassen ganz so fort, als wären Sie nicht gestrauchelt. Dieses Leben ist kurz, es ist uns nur dazu gegeben, um das jenseitige zu gewinnen. Sie werden es gut anwenden, wenn Sie mit Sanftmut jenen beiden Personen begegnen, mit welchen Gott Sie zusammen geführt hat.“

Fange doch heute noch an, dieses Mittel zu versuchen, und rufe den hl. Eduard um seine Fürbitte an. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 762

Tags: Tugenden

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