Heiligenkalender
29. September
Der heilige Johannes von Montemirelli Mönch
(Zeichen der Bußfertigkeit)
Dieser war ein Ritter in Frankreich, welcher das Waffenspiel überaus liebte, dabei auch wie viele vornehmere Weltleute freigebig war bis zur Verschwendung. Einmal, da er siegreich von einem Turnier heim kehrte, begegnete ihm ein sehr frommer Geistlicher, der freimütig sagte: „Was hast du von diesem Turnier? Mit allen Kosten und Anstrengung und Duldung von Lanzenstößen hast du nichts gewonnen als den Wind eitler Ehre.“ Dieser Geistliche war mit dem Ritter genauer bekannt und redete ihm auch bei andern Gelegenheiten viel in das Gewissen. Allmählich weckte die Sonne der Gnade den in sein herz gestreuten Samen, so daß er anfing zu keimen. Der Ritter legte die kriegerische Hoffart ab und entschloss sich, nur noch für Gott zu streiten. Vorerst ließ er neben seiner Burg Montemirelli ein Spital bauen, um hier Arme, Fremde und Kranke zu pflegen. Er selbst legte dabei Hand an, indem er Kranken alle Dienste erwies und es sich nie nehmen ließ, so oft einer gestorben war, die Totenbahre tragen zu helfen. Täglich mussten Arme an seinem Tisch essen, ja sogar in seinem Bett schlafen, während er selbst sich auf den Boden legte. Einmal, da er ausgeritten war, begegnete ihm ein Aussätziger auf einem kleinen elenden Pferd und bettelte ihn an. Johannes hatte aber kein Geld bei sich; da stieg er von seinem kostbaren Pferd herab, vertauschte es mit dem des Aussätzigen und ritt also nach Hause; zwar wurde er von den Kindern auf der Gasse ausgelacht; er ertrug es aber demütig und gelassen. In ähnlicher Weise schenkte er zuweilen selbst Kleider vom Leib, wenn er Dürftige sah und gerade sonst nichts hatte, das er geben konnte. Besonders suchte er gern Aussätzige auf, die von allen gesunden Menschen sonst gemieden waren, und bediente sie höchst liebreich und demütig, ja er küßte ihnen sogar die Hand.
Einmal begegnete ihm eine Schar Ritter, die mit ihm verwandt waren; diese machten ihm Vorwürfe, daß er als der vornehmste unter ihnen so wenig auf seinen Stand halte und der ganzen Verwandtschaft Schande mache. Diesen gab der heilige Mann zur Antwort: „Wenn ich nur einmal auf dem Weg der weltlichen Schande zu unserem Herrn Jesus Christus gelange!“ – Ein anderes Mal ritt er mit seinem Gefolge auf der Straße an einem Muttergottes-Bild vorüber, er aber dachte gerade an etwas Anderes; nachdem sie nun eine Strecke weiter geritten waren, file ihm erst ein und fiel ihm schwer auf das Herz, daß er gar kein Zeichen des Grußes und der Ehrerbietung vor dem Bilde gemacht habe. Er stieg alsbald vom Pferd und kehrte, um seine Nachlässigkeit zu büßen, zu Fuß zurück, fiel vor dem Bild auf die Knie und bat die seligste Jungfrau um Vergebung.
Bei Anlass eines Geschäftes ritt Johannes in Begleitung eines jungen Knechtes irgend wohin; da bekam der junge Mensch Hunger und bat in einem Haus neben der Straße, sie möchten ihm Brot geben; allein er wurde abgewiesen. Da kehrte er voll Zorn zu seinem Herrn zurück und fluchte und schimpfte über die Bewohner jenes Hauses. Johannes aber sprang vom Pferd, fiel vor seinem Diener auf die Knie und bat ihn flehentlich, er möge jenen Leuten verzeihen und keine solche Reden mehr führen. Beschämt über diese Selbstverdemütigung seines Herrn, gehorchte der Diener und unterdrückte seinen Unwillen. Johannes ging übrigens ernstlich mit dem Gedanken um, alle weltlichen Geschäfte aufzugeben und ganz nur Gott zu leben. Zuerst wollte er Einsiedler werden, allein solches wurde ihm von einem sehr frommen Einsiedler selbst missraten. Dann wandte er sich an eine Anzahl der frömmsten und weisesten Gottesgelehrten, eröffnete ihnen sein Leben und seinen Seelenzustand und bat sie um ihre Ansicht, welche Lebensart ihn am meisten fördere, die Seligkeit zu gewinnen. Ihr einstimmiger Rat war, er solle in den Orden der Zisterzienser eintreten.
Ohne weiteres Zögern faßte Johannes den Entschluss diesem Rat nachzukommen. Nun waren zwar auch Klöster auf seinem eigenen gebiet, allein er wollte hier nicht eintreten aus Besorgnis,man werde ihm hier zu viel Rücksicht und Achtung erweisen. Er meldete sich deshalb in dem Kloster Longponte, das nicht zu seiner Herrschaft gehörte. Der Abt Galcher machte ihn aufmerksam auf die Beschwerlichkeiten, denen er sich im Orden durch Wachen, Arbeiten und die übrigen Vorschriften unterziehen müsse, und ob er auch bei seiner vornehmen Erziehung die rauhe Nahrung im Kloster ertragen könne. Der demütige Ritter gab zur Antwort: „Wisset, ich habe in der Welt nie eine so große Freude gehabt, als wenn ich für würdig erachtet werde, rauhes Kornbrot zu essen.“ Daß es ihm Ernst mit dieser Rede war, zeigte sich, als man ihm das Ordenskleid gab. In sein Gemüse goss er kaltes Wasser, damit er keine Sinnenlust am Essen habe; und auch an den gemeinsten Speisen tat er sich noch Abbruch, so daß ihn der Abt durch ausdrücklichen Befehl von übermäßigem Fasten abhalten musste.
Einmal ging Johannes mit andern Mönchen zu einer Feldarbeit; da lag am Weg ein totes Tier, das schon in Fäulnis übergegangen war und einen abscheulichen Gestank verbreitete Da die Mönche denselben von sich abzuhalten suchten, indem sie die Handoder das Kleid vor die Nase hielten, so ergriff Johannes das Aas und schleppte es an einen entfernten Ort, damit es den Brüdern nicht mehr lästig falle. – Da er ein anderes Mal zu zweit durch Cambrai ging, kamen sie an einem Stadtgraben vorbei, wo viele Leute arbeiteten. Diese riefen alle mit einander den beiden Mönchen Spott nach. Der Begleiter des hl. Johannes war höchst beschämt und eilte schnell fort; dieser aber war herzlich bereit für Christus Schmach zu leiden und kehrte sich zu den Spöttern und bat sie inständig, daß sie den armseligen Johannes Montemirelli, den aller Beschimpfung würdigen Sünder, noch mehr ausspotten möchten.
In der nämlichen Stadt Cambrai war ein Weib, welches behauptete, sie habe zur Zeit, wo Johannes seine Herrschaft noch führte, bedeutenden Schaden durch ihn erlitten. Er hatte zwar alle Schuldforderungen und Beschädigungen früher zu berichtigen gesucht; als ihm nun diese Beschwerde zu Ohren kam, hatte er nichts mehr im Besitz. Darüber sehr bekümmert bat der Heilige das Weib ganz demütig, sie möge ihm den Schaden nachlassen, da er nicht mehr ersetzen könne.Allein ohne alles Erbarmen wollte sie nichts von Nachlass und Verzeihung wissen; da sprach er mit schmerzlichem Seufzen: „Sieh, o Weib, wenn ich aus meinen Augen und Nase und Ohren Gold oder Silber machen könnte, so würde ich den Schaden, den ich nach deiner Versicherung dir zu vergüten habe, unverzüglich ersetzen.“
In dem Kloster Longponte war auch ein Mönch, welcher zur Dienerschaft des hl. Johannes gehört hatte, als dieser noch seine Güter besaß. Aus alter Treue wollte nun dieser Klosterbruder Amandus seinem ehemaligen Herrn einigen Dienst leisten und nahm heimlich Nachts dessen Schuhe fort, um sie zu salben. Als Johannes solches wahrnahm, ging er höchst unzufrieden zu dem Pater Prior und beklagte sich, daß er in dem Kloster nicht finde, was er gesucht und weshalb er die Welt verlassen habe; er sei nicht daher gekommen, um sich bedienen zu lassen, wie ehemals, sondern um selbst zu dienen. Der Prior suchte ihn zu besänftigen und sprach: „Ich will dir einen guten Rat geben; wenn du heute Nacht merkst, daß Bruder Amandus schläft, so gehe leise an sein Bett, nimm seine Schuhe und mache es ihm, wie er es dir gemacht hat.“ Johannes war sehr froh über diese Anweisung und vergalt so, wie ihm der Prior geraten, Gleiches mit Gleichem.
Ich habe hier von dem hl. Johannes hauptsächlich nur Beispiele seiner außerordentlichen Demut angeführt; er wurde wegen derselben auch Johannes humilis, d. h. der demütige Johann genannt. Hätte der einst so stolze Ritter, welcher auf Turnieren seinen Ehrgeiz in lebensgefährlichen Kämpfen zu befriedigen suchte, nur große Almosen gegeben, weite Wallfahrten übernommen, seinen Leib schwer gezüchtigt: so wäre dieses allein noch kein so sicheres Zeichen wahrer Bekehrung gewesen, als wie die Verdemütigungen, die er selbst nich aufsuchte. Willst du dich selber prüfen, ob du wahre Bußfertigkeit hast, so frage vor Alllem, ob du wirklich von herzen demütig geworden bist, oder nicht. Gerade die Demut versöhnt Gott wieder mit dem Sünder, und bewirkt, daß mancher bekehrte Sünder Gott noch lieber ist, als andere Menschen, die nicht so schwer gesündigt haben, aber keine Demut besitzen.
In der Nacht vom Fest des hl. Michael war der Prior nach den Vigilien ein wenig eingeschlafen. Da kam es ihm vor, daß alle Mönche im Chor mit einander Psalmen sängen und jeder eine brennende Kerze in der Hand habe. Unter diesen war aber eine Kerze, welche über die andern hinaus ragte und viel heller war und den ganzen Chor mit Glanz erfüllte. Diese größere Kerze aber stieg mit ihrem Lichtstrahl in die Höhe bis zur Wölbung der Kirche, drang da hindurch und war nicht mehr sichtbar. Der Prior wurde traurig, daß das helle Licht verschwand und der Chor, zu wenig erleuchtet von den andern Kerzen, schier düster wurde.
Als der Prior erwachte, besann er sich, was dieses Gesicht wohl für eine Bedeutung habe; konnte es aber nicht erraten. Den andern Tag starb der Bruder Johann von Montemirelli. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September, 1872, S. 513 – S. 518