Heiligenkalender
7. August
Die heilige Afra von Augsburg Märtyrerin
Groß war im Himmel die Freude der Engel und der Jubel der Heiligen an jenem Tage, da Afra, ihren sündhaften Neigungen entsagend, sich zu Gott bekehrte und sich der göttlichen Barmherzigkeit gefangen gab: freudige Hoffnung beglückt auf Erden unser Herz an dem Tag, an welchem wir, die wir Sünder sind und vor der Gerechtigkeit Gottes zittern, das Fest dieser Heiligen, ein ewiges Denkmal der erbarmenden Gnade, feiern und ihrer Fürbitte uns empfehlen.
Afra wurde gegen Ende des dritten Jahrhunderts zu Augsburg, im heutigen Bayern, als Heidin geboren. Ihre Mutter – Hilaria – stammte aus Zypern und war mit ihren Eltern in diese Stadt gekommen, um den scheußlichen Dienst der Göttin Venus hierher zu verpflanzen und die Unzucht als eine neue Art der Gottesverehrung einzubürgern. Hilaria säumte nicht, ihre schöne, geistreiche Tochter Afra zur Venus-Priesterin zu erziehen und in den Künsten dieses schändlichen Gewerbes wohl zu unterrichten.
Im Jahre 303 zog Kaiser Diokletian sein Schwert, um dem Christentum den Todesstoß zu geben. Das Blut der Gläubigen floss in Strömen. Tausende retteten ihr Leben durch die Flucht über die Grenzen des Reiches. Als ein solcher Flüchtling kam im Herbst desselben Jahres der heilige Bischof Narcissus mit seinem Diakon Felix aus Spanien nach Augsburg und bat – von der Hand Gottes geleitet – im ersten besten Haus um gastliche Aufnahme und Nachtherberge – es war eben das Haus der Sünderin Afra. Natürlich meinte sie, die zwei fremden Männer seien in der Absicht bei ihm eingekehrt, um mit ihr der Venus zu huldigen, sie bewillkommte sie höflich und bereitete ihnen eine stärkende Mahlzeit. Ehe der Bischof sich zu Tisch setzte, kniete er nieder, machte das heilige Kreuzzeichen und betete zum Geber alles Guten um den göttlichen Segen; sein zum Himmel erhobenes Auge strahlte in freudigem Dank und in heiliger Liebe, sein ehrwürdiges Haupt leuchtete im verklärenden Glanz frommer Andacht. Dieses seltsame Benehmen des Fremdlings, seine majestätische Würde, sein Friede atmender Ernst, sein sanftes Wesen versetzten Afra in Staunen; sie fühlte sich von einer geheimnisvollen Macht gebannt, bediente ihn mit schüchterner Ehrfurcht und wagte kaum die Frage, wer er sei, und was er in Augsburg wolle. Narcissus erzählte ihr, er sei ein christlicher Bischof aus dem fernen Spanien, habe seines Glaubens wegen die Heimat verlassen und habe nur einen Wunsch, die Lehre und Gnade Jesu Christi recht vielen im Elend der Sünde schmachtenden Mitmenschen zu verkünden und sie zur ewigen Seligkeit zu führen.
Afra lauschte dieser Rede mit gespannter Aufmerksamkeit, bewunderte den Entsagungsmut und die Geistesgröße dieses Bischofs im Vergleich zu ihrer gemeinen Sinnlichkeit und Selbstentehrung und öffnete ihr Herz der erbarmenden Gnade. Plötzlich sank sie nieder zu den Füßen des Sprechenden und bat ihn: „Gehe hinweg von mir aus meinem Haus: denn ich bin das schändlichste Weib in der ganzen Stadt.“ Narcissus aber blieb, benützte die Hilfe der Gnade und sprach so eindringlich, so warm von der Liebe und Barmherzigkeit des menschgewordenen Jesus, von der Schönheit des christlichen Glaubens und Hoffens, von den Freuden des Himmels, daß sie in Tränen der Rührung und der Reue zerfloss, ihre drei Dienerinnen, Digna, Eunomia und Eutropia herbei rief und sie voll Begeisterung anredete: „Seht, dieser Mann ist ein Bischof der Christen; er hat mir versichert, daß ich, wenn ich glaube und die Taufe empfange, von meinen Sünden rein und ewig selig werde. Was dünkt euch?“ Diese Dienerinnen erwiderten: „Haben wir bisher gesündigt wie du, so wollen wir auch in Reue um Verzeihung bitten wie du.“ Alle durchwachten die Nacht mit Narcissus, hörten seinen Unterricht und beteten mit ihm.
Des andern Morgens eilte Afra zu ihrer Mutter, erzählte ihr Alles und bat sie, die heiligen Männer in ihrem Haus zu verbergen: denn es war schon bekannt geworden, daß Christen in die Stadt gekommen seien, und Häscher spürten ihnen nach. Hilaria bot bereitwillig ihre hilfreiche Hand, Narcissus unterrichtete nun die ganze Familie im christlichen Glauben und taufte sie alle nach siebentägigem Beten und Fasten. Wahrscheinlich kamen noch andere heimliche Christen der Stadt herbei, so daß Hilaria`s Haus zu er einer verborgenen Kirche wurde für die Feier der christlichen Geheimnisse. Neun Monate blieb der Bischof bei ihnen, weihte Afra`s Onkel, Dionysius, zum Priester, und befestigte die junge Kirche in der Liebe zu Gott.
Afra`s Lebensänderung machte aufsehen, und – des Christentums verdächtig – wurde sie vor den Richter Gajus geführt. Dieser sprach zu ihr: „Nun, du Schöne, du wirst doch lieber den Göttern opfern, als unter Qualen zu sterben?“ Afra: „O nein, ich habe genug gesündigt, ehe ich den wahren Gott kannte; jetzt tue ich kein Unrecht mehr!“ Gajus: „Geh` in den Tempel und opfere: du bist ja eine Buhlerin, und eine solche kann nie eine Christin genannt werden.“ Afra: „Zu meiner Schande bekenne ich, daß ich des Christennamens unwürdig bin; allein Christus, der nicht richtet nach unserem Verdienst, sondern nach seiner Milde, hat mich aus Erbarmen unter seine Bekenner aufgenommen.“ Gajus: „Opfere, oder ich lasse dich öffentlich peitschen und lebendig verbrennen.“ Afra: „Mein Leib hat es verdient, daß er gepeinigt und verbrannt werde; mögen die Feuerflammen meine Seele reinigen!“ Gajus befahl, daß sie aus der Stadt hinaus auf eine kleine Insel im Lechfluss geführt und verbrannt werde. Afra, an einen Baum gebunden und auf einem Holzhaufen stehend, betete zum Himmel: „O Gott und Herr, Jesu Christe! Gedenke nicht meiner Sünden; nimm jetzt gnädig meine Buße an und laß mir dieses zeitliche Feuer eine Abwehr der ewigen Glut sein!“ Rauch und Flammen hüllten sie ein, die Stimme der Betenden verstummte, das Opfer war vollbracht.
Afra`s Mägde, Digna, Eunomia und Eutropia, welche unterdessen weinend und schluchzend am Ufer gestanden, fuhren nun zu der Insel, wo ihre Gebieterin den Märtyrertod gelitten hatte, und fanden ihre Leiche von den Flammen unversehrt. In der folgenden Nacht trugen sie, begleitet von der Mutter Hilaria und einem Priester, den Leichnam in das Gruftgewölbe, welches diese in der Nähe der Stadt (wo jetzt die Kirche des hl. Ulrich steht) für sich und die Ihrigen hatte bauen lassen. Gajus erhielt Kunde hiervon und schickte Soldaten aus mit dem strengen Befehl, die Hilaria und ihre Dienerinnen, wenn sie sich weigern würden, den Göttern zu opfern, in die Gruft einzusperren und durch Rauch zu ersticken. Die Frauen erwiesen sich standhaft und freuten sich wie Afra, auch ihr früheres Sündenleben durch den Märtyrertod zu sühnen, am 7. August 304. Über Afra`s Grab erhob sich bald eine Kirche, welche sehr in Ehren gehalten und – oft in Kriegen zerstört – immer wieder aufgebaut wurde. Vom Jahr 1109 bis 1806 hüteten die Benediktiner dieses Heiligtum mit solcher Treue, daß sie dem Bischof Hermann, welcher größere Reliquien wegnehmen wollte, erklärten, dies könne nur über ihre Leichen geschehen. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 732 – S. 734