Heiligenkalender
25. Oktober
Die heiligen Märtyrer Chrysantus und Daria
Wie nützlich und heilsam, das Lesen eines geistlichen Buches, besonders des heiligen Evangeliums sei, erfuhr nebst vielen anderen der heilige Chrysantus. Er war der Sohn heidnischer Eltern. Sein Vater Polemius war Senator in Alexandrien und stand bei dem Kaiser Numerian in so großem Ansehen, daß er ihn mit sich nach Rom nahm und daselbst zu seinem Rat ernannte. Chrysantus hatte seine einzige Freude an der Lesung von verschiedenen Büchern. Einst kam ihm ein Evangelium in die Hände. Er durchlas es mit Aufmerksamkeit und erkannte vieles als Wahrheit. Weil er aber nicht alles verstehen konnte, so er suchte er im Geheimen einen Christen um Erklärung desselben. Der Christ verschaffte ihm die Gelegenheit, mit Carpophorus, einem gelehrten und heiligen Priester, sprechen zu können. Carpophorus legte ihm alles aus,, was er zu wissen verlangte, und brachte es mit göttlichem Beistand so weit, daß Chrysantus die Falschheit der heidnischen Götter und die Wahrheit des christlichen Glaubens erkannte und heimlich sich taufen ließ.
Nach der heiligen Taufe erschien er nicht mehr bei den heidnischen Schauspielen und Opfern, sondern ging mit den Christen um. Dies erregte bei seinem Vater den Argwohn, er wolle ein Christ werden oder sei es schon. Er stellte ihn deshalb zur Rede; und da Chrysantus ganz unerschrocken alles bekannte, was er getan, ließ ihn der erzürnte Vater in eine übel riechende Keuche werfen mit dem festen Vorsatz, ihn darin vor Hunger sterben zu lassen. Als er ihn aber nach einigen Tagen ebenso stark am Leibe, als standhaft in dem Bekenntnis Christi fand, ergriff er aus Eingebung des Satans ein ganz anderes, höchst gefährliches Mittel, ihn von dem Glauben an Christus abwendig zu machen. Er sperrte ihn in ein kostbar geziertes Zimmer und schickte verschiedene eitle, frech gekleidete und unverschämte junge Weibspersonen zu ihm, welche ihn durch Schmeicheln und Liebkosen zur Unzucht verleiten sollten; denn er glaubte, daß er ihn auf diese Weise am leichtesten wieder zu dem Götzendienst bringen könnte. Sobald die erste aus den besagten gottlosen Personen in das Zimmer trat, und der keusche Chrysantus ihre teuflische Absicht bemerkte, schrie er laut auf, rief zu Gott um Beistand und beteuerte feierlich, daß er lieber sterben als Gott auf eine so abscheuliche Weise beleidigen wolle. Er suchte sich eilig durch die Flucht zu retten; aber das Zimmer war von außen verschlossen. Daher tat er, was er in solchen Umständen konnte. Er wandte sein Angesicht sogleich von der unverschämten Person ab, schloß seine Augen und verstopfte mit beiden Händen seine Ohren, damit er sie weder ansehen noch ihr Schmeicheln und Liebkosen anhören könnte; und fuhr dabei aber zugleich fort, den mächtigen Gott um Hilfe zu bitten. Gott schickte ihm auch solche auf eine wunderbare Weise; denn als diese Person den heiligen Bekenner zur Schandtat reizte, wurde sie auf einmal von einem so heftigen Schlaf befallen, daß sie zu Boden sank und als ganz sinnlos hinaus getragen werden musste. Ebenso erging es der zweiten und dritten. Der Heilige erkannte den augenscheinlichen Beistand Gottes. Polemius aber schrieb dieses der Zauberei zu und suchte seinen Sohn auf andere Weise nach seinem Willen zu lenken.
Er beredete eine zum Dienst der Göttin Minerva bestimmte Jungfrau mit Namen Daria, sie sollte sich mit seinem Sohne Chrysantus in eine Heirat einlassen, um ihn nach und nach von dem Glauben an Christus abwendig zumachen und zu dem vorigen Götterdienst verleiten zu können. Daria willigte ein, wurde von dem Vater zu dem Sohn geführt und ihm als Braut angetragen. Chrysantus unterredete sich einige Zeit mit derselben ganz allein; er stellte ihr vor, daß er ein Christ geworden sei, und was ihn dazu bewogen habe, und brachte sie mit der Gnade Gottes wirklich so weit, daß auch sie versprach, eine Christin zu werden. Damit nicht zufrieden, erklärte er ihr das große Wohlgefallen Gottes an der jungfräulichen Reinigkeit; und wie er fest entschlossen sei, selbe unverletzt zu bewahren. Er sagte ihr also. Er sei bereit, sich mit ihr zu verehelichen und ihr so die Gelegenheit zu verschaffen, eine Christin zu werden; allein nur unter der Bedingung, daß sie mit einander die jungfräuliche Reinigkeit bewahrten. Daria willigte gern in diese Bedingung ein. Als dies geschehen war, erklärte Chrysantus seinem Vater, er sei zur Vermählung mit Daria bereit. Der Vater, ganz erfreut, läßt das Hochzeitsfest auf das prächtigste halten. Die neuen Eheleute lebten aber in jungfräulicher Reinigkeit. Daria ließ sich bald darauf heimlich taufen und befliß sich, mit ihrem Ehegemahl ein recht auferbauliches Leben zu führen. Den bedrängten Christen leisteten beide alle mögliche Hilfe und benützten jede Gelegenheit, auch andere Heiden zur Erkenntnis Christi zu bringen.
Einige Zeit ging ihnen alles nach Wunsch. Endlich aber bekam der Stadtpfleger Celerinus davon Nachricht. Dieser gab dem Tribun Claudius sogleich den Befehl, die Sache zu untersuchen. Chrysantus wurde berufen und in den Tempel des Jupiter geführt, um nach heidnischen Gebrauch diesem Abgott zu opfern. Weil er aber sich weigerte, riß man ihm auf Befehl des Claudius alle Kleider vom Leibe und schlug ihn so an dem ganzen Körper, daß er unfehlbar hätte sterben müssen, wenn er nicht von Gott durch ein Wunder am Leben erhalten worden wäre. Danach führte man ihn mit Ketten beladen in ein finsteres Loch, wo aller Unrat der Gefangenen zusammen floß und ein unerträglicher Geruch war. Kaum hatte man den heiligen Bekenner daselbst eingeschlossen, so rief er zu Gott, und das sonst finstere Loch wurde mit himmlischem Glanz angefüllt, der Gestank in den lieblichen Geruch verwandelt, und Chrysantus von allen seinen Ketten und Banden erledigt. Claudius, durch dieses Wunder auch innerlich erleuchtet, verlangte selbst die heilige Taufe und empfing sie samt seiner Gemahlin, zwei Söhnen und einer großen Anzahl untergebener Soldaten voll Freuden. Der Kaiser, hiervon benachrichtigt, ergrimmte vor Zorn, ließ allen Neubekehrten schwere Steine an den Hals hängen und alle in die Tiber werfen.
Indessen wurde auch Daria zur Verleugnung des christlichen Glaubens angehalten. Sie zeigte sich aber ebenso standhaft als ihr heiliger Ehegemahl; deshalb schleppte man sie in ein gemeines Haus, um sie dem Mutwillen der ausgelassenen, unflätigen Gesellen preiszugeben. Daria rief in dieser so großen Gefahr mit Mund und Herz zu Gott; und Gott veranlaßte, daß ein Löwe sein Gefängnis durchbrach, der Daria zulief und sich gleichsam zu ihrem Schutz anbot. Sobald der erste freche Jüngling sich der keuschen Jungfrau näherte, ergriff ihn der Löwe und warf ihn zu Boden, sah dann Daria an, gleichsam als wollte er fragen, ob er denselben zerreißen oder beim Leben lassen sollte? Die mildherzige Märtyrerin hob den frechen, aber ganz entsetzten jungen Mann auf, verwies ihm seine Bosheit, ermahnte ihn zur Buße und brachte ihn so weit, daß er versprach, ein Christ zu werden. Ebenso erging es den zwei anderen, die ihm anfangs in der Bosheit, dann aber auch in der Bekehrung nachfolgten. Als dies der Tyrann erfuhr, ließ er das Zimmer, wo Daria mit dem Löwen war, in Brand stecken, um beide zu verbrennen. Da sie unverletzt blieben, wurden Daria und ihr Gemahl Chrysantus außer der Stadt in einer Sandgrube verschüttet 284.
Ihre Leiber wurden an der Salarischen Straße zur Erde bestattet. Papst Damasus ließ ihr Grab schmücken und versah es mit einer Grabschrift zu ihrem Lobe.-
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 854 – S. 856