Heiligenkalender
9. Juli
Heilige Marina de Escobar
(Das Fegefeuer)
Man sagt vom Fegefeuer, die Qualen darin seien unbeschreiblich groß, aber in den Qualen fühle die Seele zugleich auch großen Trost und Liebe von Gott und zu Gott. Man sollte meinen, das sei ein Widerspruch und eine Unmöglichkeit; eine Menschenseele könne nicht im nämlichen Augenblick große Qual und großen Trost verspüren, und könne nicht zugleich die Liebe Gottes und herbe Züchtigung inne werden, und im bittersten Schmerz Den über Alles lieben, welcher den Schmerz sendet.
In dem Leben der hl. Marina zeigte sich nun am aller deutlichsten, wie dennoch Gott auch über die Seele, welche in seiner Gnade und Liebe steht, große Pein kommen lassen mag, und wie Pein und Trost vereinigt sein können, und wie gerade solche Pein die Seele immer reiner brennt…
Vor dreihundert Jahren lebte ein berühmter Rechtsgelehrter in Spanien, Namens Jakob von Escobar. Das vierte Kind seiner Ehe war Marina. Als das Mädchen kaum drei Jahre alt war und bei des Vaters Schwester Einiges von Gott gelehrt wurde, da sprach es öfters für sich hin: „Ich liebe Gott mehr als meinen Vater, und als meine Mutter, und als meine Base, und mehr als Alles.“ Das Kind wuchs still und fromm heran, bis zu seinem zehnten Jahr. Von dieser Zeit an beschreibt Marina selbst ihr Leben:
„Da ich zehn Jahre alt war, kam ich in Umgang mit einem ungezogenen, leichtfertigen Mädchen von meinem Alter, von welchem ich manches Schlimme annahm. Ich putzte nun auch sorgfältig Haare und Kopf, redete eitle, mutwillige Dinge, unterließ meine bisherigen Andachten und führte dieses leichtsinnige Leben gegen vier Jahre lang. Ein Geistlicher, welcher mit meinen Eltern verwandt war und durch dessen Zuspruch Alle im Haus gerührt wurden, war das Werkzeug, wodurch der barmherzigste Vater mich verlorenes Schaf wieder zurück führte. Ich wurde in wenigen Monaten meiner bösen Gewohnheiten los. Ich verrichtete fleißig meine Andachten, las immer fromme Bücher und suchte das Gelesene ins Werk zu richten; ich betrachtete und bereute meine Sünden, beichtete mit aller Zubereitung und Fleiß, war meinen Eltern mit aller Sorgfalt gehorsam, übte mich in Bußwerken, ich fastete, wachte und betete. – Nach einiger Zeit erweckte der Teufel in mir die heftigsten Gewissensskrupel, so daß ich ganz kleinmütig und auch am Leib gar schwach und elend wurde; meine Seele ward so gequält, daß sie weder ruhen noch rasten konnte, und daß, wenn Gott mich nicht bewahrt und geholfen hätte, mit der Verstand verrückt worden wäre. Auch meine Beichtväter konnten mir in diesem Elend nicht helfen; denn der große Seelenarzt wollte es so haben, weil auf diese Weise meine Seele mehr gereinigt werden sollte. Dieses Kreuz währte von meinem 14ten bis in das 28ste meines Alters.“
Marina erzählt nun die mannigfaltigen Wege, wie sie von Gott die Bahn des Heils geführt wurde, und wie sie mehr und mehr auch mit übernatürlichen Erleuchtungen begnadigt wurde.Da das Ganze ein Buch ausmacht, so will ich hauptsächlich nur auslesen, was ihre Seele leiden musste.
„Es ist nichts, was mich tiefer in den Abgrund meines Elends versenkt, als wann ich sehe, wie liebreich Gott gegen mich handelt. Denn wenn ich mir zu Gemüt führe den Unrat und Gestank meiner Sünden und gebrechen, so werde ich schamrot und meine, ich müsse Gott als eine elende, abscheuliche Bettlerin vorkommen. Dafür aber tröstet und stärkt mich Gott. Wer kann wohl zwei so widrige Dinge, Feuer und Wasser, mit einander vereinigen? Unser großer Gott vermag dieses; ich finde es in mir selbst. Er gibt mir die Erkenntnis, daß ich die schwächste, elendeste Kreatur bin, voll Fehler und Jammer, und nicht im Stand, das geringste Angenehme vor seinen Augen zu verrichten. Und doch schenkt mir Gott aus unendlicher Erbarmung zugleich das Vertrauen und eine so vertrauensvolle Liebe, wie wenn ich Verdienste und seine Ehre befördert hätte.
Es sind ungewöhnlich große Schmerzen, Ängsten und Beschwerden, die ich an dem Leib, und zugleich grausame Betrübnisse, die ich an der Seele ausstehe. Dabei habe ich mich dem göttlichen Willen ergeben und zu ihm gesprochen: „Mein Gott und mein Gut! Ich leide in der Finsternis und habe heftige Schmerzen und Betrübnis. Dennoch bin ich es wohl zufrieden, weil du es siehst und willst, daß ich dieses Leiden liebe und mit Danksagung annehme. Dein Wille geschehe in mir!“
An einem Freitag lag ich die ganze Nacht in solcher Hitze, die den ganzen Leib entzündete und ausdorrte, daß ich weder schlafen noch ruhen konnte. Da sah ich die Majestät Gottes unsers Herrn, der mitleidig zu mir sprach: „Seele, was ist dir?“ Ich antwortete: „Herr! Wie du siehst, so leide ich Schmerzen und werde überdies von inwendiger Angst bedrängt.“ Der Herr versetzte: „Deine Krankheit ist nicht zum Tod, sondern daß meine Ehre dadurch mehr an den Tag komme.“ Da sprach ich: „Herr! Wann ich am Leib so viele Schmerzen und in der Seele so viele Beängstigungen leide, dann dünkt mich, daß ich von dir nicht geliebt werde, weil du dich verbirgst.“ Der Herr sprach zu mir: „Wie, was meinst du, liebte ich auch damals meinen Sohn, da ich ihn in die Hände der Sünder übergeben habe? Fürwahr, ich liebte ihn damals. So verfahre ich auch mit dir.
Einmal rief mich der Herr und sprach: „Was ist dir lieber, daß ich dich mit Schmerzen und Widrigkeiten belade, oder daß du natürlicher Weise deine Gesundheit wieder erlangst?“ Darauf antwortete ich: „Mein Herr, ich will von dir lieber den Tod annehmen, als auf andere Weise leben und gesund sein.“ Und ich erweckte in mir vollkommene Überlassung in den Willen Gottes und sprach, von Eifer angetrieben: „Wenn ich gleich leiden sollte bis in die unendliche Ewigkeit.“ Der Herr aber ließ mich nicht ausreden, sondern sprach: „Nicht ewig, sondern auf eine kleine Zeit wirst du leiden.“
Ein anderes Mal stand ich vier Tage lang die heftigste Plage aus und so erschreckliche Schmerzen, daß ich weder Tag noch Nacht ruhen konnte, und mich dünkte, als wenn ich brennte und geschunden würde. Da sprach ich zu der göttlichen Majestät: „Mein Herr, ich wünsche, dich aus meinem ganzen Herzen zu lieben, und wenn ich gleich wüßte, daß du mich in die Hölle stürzen und verdammen wolltest, so will ich dich dennoch lieben und dir aus allen Kräften dienen, bloß deswegen, weil du bist, der du bist, und deiner Gutheit wegen unendliche Liebe verdienest.“
Bisweilen ist mein armseliger Leib und der untere Seelenteil wie ein Lasttier, welches unter einer großen Bürde nieder gefallen und sich nicht aufrichten kann. Zu solcher Zeit ist der Leib und der mit Elend und schmerzen beladene untere Teil der Seele so verdunkelt, daß ihm das Kreuz erschrecklich vorkommt. In diesem Zustand rief ich Gott an und opferte mich seinem Willen auf. Ich lebe im Kreuz, verlange aber nicht davon befreit zu werden, und wann mir der Herr Labung und Trost anbietet, sprech` ich von Herzen: „Nein, Herr, beliebt es dir, so wollen wir es auf eine andere Zeit verschieben.“
Bei einer andern Gelegenheit, wo mich der Teufel allerseits plagte und ich nicht die geringste Erquickung finden konnte, sprach ich: „Mein Herr und mein höchstes Gut! Sage mir durch deine Güte, welches ist die Ursache dieses so großen Übels, das ich leide, und warum hast du dich von mir abgesondert? Sage, o mein einziges Gut! Was habe ich begangen, worin ich dir mißfällig gewesen?“ Dieses redete ich mit Tränen und Seufzern, nicht als fiele es mir schwer um seinetwillen zu leiden; denn das ist mir süß und angenehm, sondern mein Schmerz entsprang aus großer Liebe zu ihm. Hierauf antwortete die göttliche Majestät nur dieses: „Sage an, was habe ich verschuldet, da man mit mir so übel umging und ich dir zu lieb so große Marter duldete?“
Einmal sprach er zu mir: „Die Fehler derer, die mich wahrhaft lieben, werden im Feuer der Liebe wie Spreu in einer unendlichen Flamme, und es bleibt davon nur übrig die Asche der Demut und Selbsterkenntnis, unter welcher die glühenden Kohlen der göttlichen Liebe bewahrt werden.“
In den letzten dreißig Jahren lag Marina in großen Schmerzen und Krankheit stets im Bett. Ihre Finger waren zusammen gezogen und ihr Leib ausgemergelt. Ihr Kämmerlein schien ein dunkles Gefängnis zu sein; denn weil sie kein Licht ertragen konnte, waren die Läden immer verschlossen. Es wohnten verschiedene Jungfrauen bei ihr, wovon einzelne Zeugnis über Marina ablegten. Eine sagte: „Ich habe an Marina allzeit eine solche Reinheit, Ernst und Eingezogenheit gesehen, daß ich vor Verwunderung bei mir selbst sagte: Es ist nicht möglich, daß diese ein Weib sei, sie ist ein Engel. Niemals habe ich sie zornig gesehen, obschon ihr dazu Anlass gegeben wurde. Sie ermahnte und bestrafte uns mit ihrem bloßen Ansehen, und dieses durchdrang unsere Herzen und beschämte uns. Sie redete mit einem solchen ernsthaften Nachdruck, als wenn Gott in ihrer Seele gewesen und aus ihrem Munde geredet hätte. Ihre Reden machten uns ganz ruhig, friedsam und nahmen uns alle Gewissensangst.“ – Sowohl Marina, als auch ihre Hausgenossinnen lebten vom Almosen. Anfänglich hatten sie kaum die Notdurft; später aber wurden sie reichlich versorgt, so daß diese zu Bett liegende arme Jungfrau selbst wieder eine Pflegerin vieler Armen und ihr Haus eine Zuflucht der Dürftigen und Bedrängten wurde. „Nichts, was ich habe, – sprach sie, – ist mein, Alles gehört Gott zu. Ich bin nur seine arme Hauswirtin, ein elendes Werkzeug.“
Ihr Beichtvater gab auch einen Bericht über sie, worin er erzählt: Sie pflegte öfters zu sagen, ihre Seele sei gleich einem Vögelein, das mit einem Faden am Fuß gebunden wäre; so flattere ihre Seele auch allzeit im Verlangen nach dem ewigen Gott. Bisweilen seufzte sie: „Ach, wie lange dauert die kurze Weile Gottes!“
Bei ihrer letzten Krankheit wurde sie an allen Gliedern von heftigen Schmerzen und von Erstickungs-Anfällen und schweren Beängstigungen befallen. Die Anwesenden wußten nichts Anderes zu tun als vor Mitleiden zu weinen, daß ein so heiliges Geschöpf so viel leiden musste. Der anwesende Geistliche fragte sie bisweilen, wie es innerlich mit ihr beschaffen sei? – worauf sie antwortete: „Pater, Gott übt mich in großer Verfinsterung und Verlassenheit; aber sein heiligster Wille geschehe an mir, mögen auch in seinem Namen alle Schmerzen über mich kommen, wie sie seine Güte zuschickt.“ Obgleich Marina überaus sittsam und geduldig war, so daß sie auch bei dieser heftigen Plage Tag und Nacht, zuletzt hörte man sie laut jammern. Endlich hörten die Schmerzen völlig auf und sie geriet in eine Entzückung, worin sie dennoch mit einiger Mühe Antwort geben konnte. Der Geistliche fragte sie, ob sie an Gott denke? Darauf sagte Marina ganz holdselig: „Was dieses betrifft, steht es gar wohl mit mir.“ Nachdem diese Entzückung viele Stunden fortgewährt hatte, übergab sie darin ihre so sehr geliebte und so sehr liebende Seele in die Hände ihres Gottes, dem sie gegen 80 Jahre auf Erden gedient und gelitten hat.-
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September, 1872, S.23 – S. 28