Heiligenkalender
13. März
Die heilige deutsche Königin Mathilde
Selten noch hat irdische Höhe und weltlicher Ruhm sich so wahr und aufrichtig dem Dienst Gottes ergeben, wie es in dieser ausgezeichneten Fürstin der Fall war; und der deutsche Katholik nennt heute noch mit freudigem Stolz den Namen dieser Heiligen, welche durch ihr Beispiel und ihre rastlose Tätigkeit mehr für die christliche Gesittung des Sachsenvolkes getan hat, als die Dankbarkeit auszusprechen vermag. Mathilde, die Tochter des Grafen Dietrich in Westphalen und der Gräfin Reinhilde aus der Fürstenfamilie Dänemarks, wurde von ihrer Großmutter, der Äbtissin Mathilde, im Kloster Herford vortrefflich erzogen. Zu harmonischer Vollkommenheit entfaltete sich ihre innere und äußere Schönheit, die höhe Bildung ihres Geistes und tiefe Frömmigkeit ihres Herzens, wie das Ebenmaß ihres Körpers und der Liebreiz ihres Angesichtes. Sie reichte ihre Hand dem Sachsenherzog Heinrich zum ehelichen Bunde und bestieg mit demselben nach dem Tode Konrad`s des Saliers den deutschen Königsthron. Allein je höher Mathilde an Macht und Ansehen vor den Menschen stieg, desto tiefer erniedrigte sie sich vor Gott. Sie verwandelte ihr Königsschloß in ein Kloster, in welchem sie als Mutter waltend Alle zu den Übungen der Frömmigkeit anleitete. Einen großen Teil der Nacht durchwachte sie im Gebet, am frühen Morgen erbaute sie Alle durch ihre Andacht bei den heiligen Messen und teilte nachher vor der Kirchentüre eigenhändig Almosen aus. Fast täglich brachte sie Kranken leibliche und geistige Erquickung, besuchte die Verbrecher in den finstern Kerkern und erwirkte ihnen oft durch ihre Fürbitte Begnadigung.
Ihre Ehe segnete Gott mit drei Söhnen und zwei Töchtern. Otto, der Erstgeborene, wurde römisch-deutscher Kaiser und verdiente sich den Ehrennamen „der Große“; Heinrich, der Zweitgeborene, ihr besonderer Liebling, wurde Herzog von Bayern; Bruno, der jüngste, wurde Erzbischof von Köln und ein berühmter Heiliger.
Auf die dreiundzwanzig Jahre des schönsten Glückes und süßesten Friedens, welche Mathilde mit ihrem teuren Gemahl verlebte, folgte nun für sie die dunkle Zeit bitterer Trübsal und harter Prüfungen. Ihr Mann, plötzlich auf das Sterbebett hinsinkend, bestimmte den Otto zu seinem Nachfolger und nahm Abschied von der schluchzenden Mathilde mit den rührenden Worten: „Nie hat Einer ein Weib genommen, das in der Treue zuverlässiger und im Eifer für alles Gute erprobter gewesen wäre, als du. Ich danke dir, daß du meinen Zorn so oft besänftigt, durch deinen guten Rat meine Übereilung geleitet, vom Bösen mich zurück gehalten, zur Gerechtigkeit aufgemuntert und zum Mitleid gegen Bedrängte bewogen hast. Ich empfehle dem Allmächtigen und der Fürbitte aller Heiligen dich, unsere Kinder und meine scheidende Seele!“
Der König starb um die Mittagsstunde, und die Königin bat den noch nüchternen Priester Adeldak, die heilige Messe für den Verstorbenen aufzuopfern. Nach der heiligen Messe führte sie die Söhne zur Leiche des Vaters und sprach: „O meine Teuersten, ich bitte und beschwöre euch: fürchtet Gott und dient ihm allein, dem höchsten König, dem alle Reiche gehören: streitet nie mit einander wegen vergänglicher Ehre, seht da euren Vater, wie alle irdische Herrlichkeit endet. Glückselig, wer sich selbst erniedrigt und nur nach den ewigen Gütern trachtet!“ Dann ließ sie den Gemahl in Quedlinburg königlich beisetzen und errichtete ein Frauenstift mit der Verpflichtung, stets für den König zu beten.
Nun versammelten sich die Großen des Reiches zur Wahl eines Nachfolgers. Die Einen stimmten für Otto, den erstgeborenen Sohn, die Andern, von Mathilde beeinflußt, für Heinrich, den Zweitgeborenen, weil der Vater diesen als König und nicht als Herzog, wie den Otto, gezeugt habe. Es kam zum Bruderkampf, der mit Heinrich`s Niederlage endigte.
Die Schuld, welche Mathilde an diesem Bruderhass trug, musste sie furchtbar büßen. Denn so grimmig sich Otto und Heinrich bekriegten, daß sie ihrer Mutter alle erdenklichen Kränkungen antaten, daß ihr Liebling Heinrich sich darin noch erfinderischer zeigte, als sein Bruder. Unter dem Vorwand, daß sie durch ihre Almosen die Staatsgüter verschwende, nahmen sie ihr Witwengehalt, die Brautfahrt und Alles weg, um sie in ein Kloster zu nötigen. Die arme Mutter trank diesen bitteren Kelch der Verachtung und Beraubung in schweigender Geduld und rächte sich an ihren Pflicht vergessenen Söhnen dadurch, daß sie Tag und nacht in Gebet und Tränen die Erbarmungen Gottes über sie herab flehte. Von Allem entblößt und von Allen verlassen zog sich die königliche Witwe in ihre Heimat Westphalen zurück und lebte dort in demütiger Dürftigkeit.
Inzwischen faßten die Bischöfe und Großen des Reiches Mut, den beiden Brüdern das allgemeine Ärgernis ihres Streites, die Wehklagen des Volkes über ihre Kriege, die Schande ihrer Grausamkeit gegen die eigene Mutter und den sichtbaren Zorn Gottes über ihre Verbrechen vor Augen zu stellen, wobei sie in wirksamster Weise unterstützt wurden von der edlen Editha, Otto`s Gemahlin. Dieser bereute zuerst seine Missetat und bat durch eine glänzende Gesandtschaft die Mutter, an seinen Hof zurück zu kehren; er selbst eilte ihr mit großem Gefolge entgegen, empfing die Ankommende auf den Knien und bat sie öffentlich um Verzeihung. Mathilde umarmte den reuevollen Sohn unter Freudentränen und küßte ihn mit den Worten: „Mein Sohn, sei nur ruhig: hätte ich es nicht durch meine Sünden verdient, so wäre mir das nicht widerfahren.“ Ob dieser Vorgänge wachte auch in Heinrich`s Herz die Kindesliebe wieder auf, kniefällig bat er die beleidigte Mutter um Verzeihung und erhielt sie mit Freuden. Mathilde erhielt ihre königlichen Witwenrechte zurück; die beiden Söhne wetteiferten in Liebe und Verehrung gegen sie, halfen ihr Kirchen bauen, Klöster gründen, Almosen austeilen; sie selbst war unermüdlich im Gebet und Wohltun.
Mathilde hielt sich gerade in dem von ihr gestifteten Frauenkloster zu Quedlinburg auf, als sie die niederschmetternde Trauerbotschaft erhielt, ihr Liebling Heinrich zu Regensburg gestorben sei. Totenblässe bedeckte ihr Angesicht, ein kalter Schauer durchzuckte ihre Glieder, und den ganzen Tag entströmten Tränen ihren Augen; sie vereinigte sich mit den Nonnen zum Gebet für den geliebten Toten, „der so selten fröhlich gelebt und fast alle Tage seiner irdischen Pilgerfahrt in Angst zugebracht hat.“ Von diesem Tage an legte sie die Trauerkleider nicht mehr ab, gestattete sich kein Vergnügen mehr zur Erholung und beobachtete ein so strenges Stillschweigen, daß sie nur noch das Notwendigste redete. Ihre tränenreichen Gebete unterbrach sie nur, um, mit einer großen Schürze umgürtet, den hungernden Pilgern und Armen Speisen zu bereiten und Almosen auszuteilen. Vorzüglich mildtätig war sie an den Samstagen aus kindlicher Liebe zur hoch verehrten Mutter Maria; sie bereitete den Armen warme Bäder, damit sie sich reinigen und erfrischen möchten für den Tag des Herrn.
Um Ostern 965 besuchte Mathilde ihren Sohn Bruno in Köln, wohin auch Otto, welcher vom Papst Johann XII. die römische Kaiserkrone erhalten hatte, mit seinen Söhnen gekommen war. Von dort begleitete Otto sie nach Nordhausen, um das von ihr gestiftete große Kloster zu besichtigen. Hier sahen sich Mutter und Sohn zum letzten Male. Am Tag des Abschiedes wohnten sie mitsammen der heiligen Messe bei und umarmten sich unter dem Portale laut weinend. Der Kaiser schwang sich auf`s Pferd, Mathilde aber ging in die Kirche und ehrte mit Küssen und Tränen die Stelle, wo ihr Sohn neben ihr kniete. Als Otto dies vom Gefolge vernahm, sprang er wieder vom Pferd, eilte in die Kirche und rief: „Mutter, wie soll ich euch solche Liebe vergelten!“ Sie segnete ihn und entließ ihn mit dem Gruß: „Ziehe nun hin im Frieden Christi!“
Mathilde erkannte aus göttlicher Eingebung das Nahen ihres Todes und begab sich nach Quedlinburg, um dort zu sterben. Alles, was sie noch an zeitlichen Gütern besaß, verschenkte sie an die Armen. Nachdem sie aus den Händen ihres Enkels Wilhelm, Erzbischofs von Mainz, die heilige Wegzehrung empfangen hatte, wollte sie ihm noch ein Andenken verehren; allein sie hatte gar nichts mehr als die Leichentücher, welcher sie schön längst mit eigener Hand für sich bereitet hatte; doch sie gab ihm Eines davon mit dem prophetischen Wort: „Du wirst es noch von mir nötig haben.“ Beim Abschied wollte der Erzbischof ihr seinen Kaplan zurücklassen. Sie erwiderte: „Der Kaplan soll dich begleiten, du kannst ihn auf der Reise besser brauchen: gehe im Frieden Christi, wohin sein Wille dich ruft.“ So war es: der Enkel starb plötzlich auf der Heimreise. Zwölf Tage später empfing Mathilde nochmals die heilige Kommunion, ließ sich auf ein härenes Bußkleid legen, bestreute ihr Haupt mit Asche und sprach: „Der Christ soll nur in Buße und Asche sterben.“ Dann bezeichnete sie sich mit dem heiligen Kreuz und verschied am 14. März 968 um neun Uhr – in der gleichen Stunde, in der sie viele Jahre lang die Armen gespeist hatte. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 193 – S. 195